Sonntag, 16. März 2014

Nach Albstadt einer Tasse wegen - FC 07 Albstadt gegen FC Normannia Gmünd

Das Albstadion in Ebingen

Albstadt - da klingt schon der Name nach dem dunklen Herz des Schwabenlandes, nach Kehrwoche, Linsen mit Spätzle und Menschen, die Häberle oder Pfleiderer heißen.
Die Stadt selber entstand 1975, als Ebingen, Tailfingen, Pfeffingen und Onstmettingen zusammengelegt wurden und ist ein pulsierendes Mittelzentrum in Hohenzollern.

Der FC 07 Albstadt entstand etwas später. Erst 1998 fusionierten die beiden Traditionsvereine FV Ebingen 07 und der FC Tailfingen 1910 zum neuen Fußballzentrum in den Hohenzollernschen Landen. Und obwohl beide Mannschaften sportlich zu jener Zeit keine große Rolle spielten, fand diese Fusion auch überregional Beachtung. Ich erinnere mich noch gut, wie ich damals im Kicker über die Meldung gestoßen bin.
FC Tailfingen
Ebingen, diese Behauptung stelle ich mal auf, hatte dabei die ruhmreichere, Tailfingen zum Zeitpunkt der Fusion die erfolgreichere (jüngere) Vergangenheit. Persönlich blieb mir die Spielzeit 1987/88, ebenfalls in der Verbandsliga, in Erinnerung, als sich der FC Tailfingen und der VfR Aalen, aber auch lange Zeit der VfR Heilbronn, der VfL Sindelfingen und die SpVgg Renningen ein spannendes Aufstiegsrennen lieferten, an dessen Ende die Tailfinger mit einem Punkt Vorsprung den Direktaufstieg feierten. Aalen mußte in die Relegation gegen den badischen FV Wiesental, erreichte aber auch durch diese Hintertür den Oberliga-Aufstieg. Aber während die Aalener als bester Aufsteiger die Klasse hielten, stieg der Vorjahres-Verbandsligameister als Vorletzter mit einem Schnitt von 703 Zuschauern pro Spiel wieder ab.
FV Ebingen 07

Spiele gegen eine der beiden Mannschaften waren aus Gmünder Sicht selten in der Vergangenheit. Ein Grund war natürlich die räumliche Trennung. Während „meine“ Normannia in der Amateurliga Nordwürttemberg antrat, spielten die Ebinger in der sogenannten Schwarzwald-Bodensee-Liga. Die Meister der jeweiligen Amateurklasse traten dabei in einem Entscheidungsspiel um den Titel des Württembergischen Meisters an. 1966 wurde Normannia Gmünd Meister in der Liga Nordwürttemberg, im Schwarzwald-Bodensee der FC 08 Villingen. Da aber die Villinger dem südbadischen Verband angehören, wurde das Entscheidungsspiel gegen den nächstplatzierten Württemberger ausgetragen, in diesem Falle dem FV Ebingen 07, der bereits 1964 und 1965 die Endspiele gegen die Amateure des VfB Stuttgart verlor. Das aller guten Dinge drei sind konnten die Ebinger dabei nicht behaupten, denn auch in Kirchheim/Teck 1966 blieben die Ebinger auf der Verliererstraße, und der FC Normannia Gmünd errang den (strenggenommen völlig nutzlosen und in Bezug auf die anstehenden Aufstiegsspiele auch unnötigen) Titel des Württembergischen Meisters.
Der TSB Schwäbisch Gmünd schließlich konnte in seiner Hochphase in den 1980er Jahren mehrmals gegen beide Teams in der Verbandsliga antreten.

Für jemanden, der bei seinen Auswärtsspielen auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, liegt Albstadt zwar nicht in unerreichbarer Ferne, aber immerhin doch so weit weg, das Zugreisen schon zu kleinen Weltreisen mutieren. Zwar ist durch den Bahntarif des Baden-Württemberg-Tickets eine günstige, aber bei weitem keine schnelle Verbindung nach Hohenzollern geschaffen. Bei aller Liebe zur Normannia, man überlegt es sich dreimal, ob man sich das antun möchte, und vielleicht wäre ich gestern auch lieber am warmen Ofen gesessen, hätte Hardy Grüne nicht alle Tassen im Schrank. Der Fußballautor und Journalist, Anhänger von Göttingen 05 und den Bristol Rovers, hat in seiner beachtlichen Sammlung an Fußballtassen nämlich eine nicht unerhebliche Lücke an württembergischen Vereinstassen. Um dem Abhilfe zu schaffen, schwänzte ich den Gmünder Stadtlauf und fuhr ins ferne Albstadt, einer Tasse wegen. Außerdem: Heimspiel kann jeder, also keine Scheu vor langen Anreisen in der sechsten Liga.

Bereits um 9:54 Uhr verliessen wir Gmünd Richtung Stuttgart, hatten dort 45 Minuten Aufenthalt, stiegen in die Bahn nach Tübingen und dort in den kleinen kuscheligen Zug der Hohenzollernschen Landesbahn, der an jeder Milchkanne hält. Das kalte, diesige Wetter lies nur wenig vom landschaftlichen Reiz einer Hohenzollern-Bahnfahrt übrig, selbst die Zollernburg war nur als düsterer Umriß in der Landschaft zu betrachten. Die Zugfahrt selber war schwer auszuhalten, da hinter uns eine Frau telefonierte, die förmlich jeden Satz mit der schwäbischen Bemerkung „woisch?“ (zu deutsch: „weißt du?“) beendete, und ich kämpfen mußte, mein Lachen zu unterdrücken. Eine echte Woisch-Mail eben. Nach fast 4 Stunden Anfahrt landeten wir schließlich in Ebingen, störten eine Busfahrerin in ihrer Pause (sie erwies sich jedoch als äußerst nett und wurde zum „Engel von Albstadt“ gekürt) und wurden letztlich direkt vor dem Albstadion in die Kälte entlassen.

Hinter dieser Fassade verbirgt sich ein Stadion.
Zum FC-07-Stüble geht es am Grill vorbei.
Es erwies sich, das wir zu früh da waren, zumindest vor dem Normannia-Bus. Auch die Kassen waren noch geschlossen, aber aus dem Albstadion drang Musik, und wir wagten einfach den Schritt durch die Glastüre beim Gebäude der Geschäftstelle. Der Zugang zum „FC-07-Stüble“, der Aufbewahrungsort der langgesuchten Tasse, befindet sich nämlich im Stadioninnern.
Angenehm überrascht war ich vom mehr als freundlichen Empfang, dem man mir als Gästefan erwies. Wie es sich gehört, spazierte ich mit schwarz-roter Jacke und natürlich einem Normannia-Schal ins Albstadion, wurde dort mit Handschlag begrüßt und man bedankte sich für unseren Besuch. Im kleinen Stüble standen sie schon, die Tassen, aber man hieß mich Geduld zu haben, als ich meine gierigen Finger in Richtung Grün'sches Sammelobjekt reckte.

Das Stüble war klein, aber familiär-gemütlich, an den Wänden hingen Erinnerungen an andere Zeiten - ein Wimpel des VfB Stuttgart oder Fotos vom Freundschaftsspiel gegen den FC Bayern München, das 2007 etwa 10.000 Menschen ins Albstadion lockte.

FCA und FCN beim Aufwärmen.
Es beginnt leicht zu regnen.
Das Wetter begnügte sich nicht damit, kalt zu bleiben, es beschloß, auch leichten Regen über Ebingen zu spendieren, und der Schloßberg blickte düster ins Tal.

Alles in allem ein kalter, verregneter Fußballtag.
Irgendwie litten auch meine Foto„künste“ darunter, denn bei der Nachbetrachtung stellte ich erschreckt fest, das die Mehrzahl meiner Bilder unscharf und verwackelt ist.

Im Stadion, einer klassischen Mehrsport-Anlage aus den 60er Jahren mit Tartanbahn und Weitsprunganlage, herrscht freie Platzwahl, und auch für die Tribüne gab es keinen Zuschlag. Aufgrund des Regens beschließe ich, erstmal dort Platz zu nehmen.
Das Albstadion in Ebingen.
Klaus in Aktion.
Einer der wenigen Albstädter,
der akustischen Widerstand leistet.
Die Zahl der Zuschauer ist sehr überschaubar, der Bericht erwähnt 160 Fußballfreunde, die den Weg hierher fanden. Ich setze mich zwischen die einzigen Fans mit blau-weißen Schal, die ich erkennen kann, und schließe dort gleich Freundschaft mit Klaus, der seinem heimischen FC Albstadt unterstützt. „So 300 Zuschauer würden für gewöhnlich schon kommen“, erzählt er, „aber bei dem Wetter bleiben viele Zuhause“. Das Problem der Schönwetterfans ist ja in vielen Spielklassen bekannt, und die Schwierigkeit, seine Mitmenschen auch außerhalb eines sogenannten Fußball-Events für einen Stadionbesuch zu begeistern, sind mir hinlänglich bekannt. Amateurfußball braucht Fans, hier und heute wird es mir wieder schrecklich klar.
Sehr schade, da die Verbandsliga so spannend wie lange nicht ist. Zwar mag die Partie FC Albstadt gegen Normannia Gmünd nicht zu den legendären Fußballklassikern gehören, aber der FCA ist an der Aufstiegsrelegation genauso nah dran ist wie an der Abstiegsrelegation. Bis zum letzten Spieltag wird es in der Liga sehr dramatisch bleiben, und jeder Punkt, jedes Törchen Vorsprung wohl oder übel über Glück und Unglück entscheiden. Die Albstädter hätten daher bei jedem Heimspiel die lautstarke Unterstützung durch ihre Zuschauer verdient. Aber abgesehen von Klaus wurden die Albstädter nur bei strittigen Szenen - derer es nicht wenige gab - recht laut, und ich konnte mit einem lautstarkem „EEEEEF-CEEEEE-EEEEEEN“ einen Albstädter Nebensitzer erschrecken - sowas war er wohl nicht gewohnt.

Bredi, stets für den Amateurfußball unterwegs.
Ein Gmünder Namensvetter von Albstadts Klaus war auch zugegen, vom Zollern-Alb-Kurier im Vorfeld als „Gmünder Edelfan“ angekündigt. Claus Breitenberger, besser bekannt als Bredi, ist sowas wie der süddeutsche Fußballglobetrotter und auf den Sportplätzen im Schwabenland (und teilweise darüber hinaus) bekannt wie der legendäre bunte Hund. Zwar Anhänger von Normannia Gmünd, den TSB-Handballern und dem SC Waldgirmes, aber auch immer wieder gerne bei jedem beliebigem Amateurligaspiel anzufinden.

Rituale vor Spielbeginn.

Blick von der Tribüne auf die Alb.









Als alter Albvereinler kann ich wenigstens etwas die Aussicht auf die Schwäbische Alb genießen, und gegen die Kälte greife ich dankbar auf den angebotenen Glühwein zurück.

"Where is Waldo?" bzw. "Wo ist die schwarz-rote Normanniafahne?"
Ein Bild aus der Halbzeitpause.
Sehr bald nach Anpfiff der Partie wird mir klar, diese Bahntortur hat sich gelohnt. Ein munteres Fußballspiel zweier Mannschaften auf Augenhöhe, in der 1. Halbzeit mit einem leicht höheren Spielanteil der Gastgeber. Die frühe Normannia-Führung war durchaus überraschend, konnte aber von Albstadt auch sehr bald wieder egalisiert werden. Nach einer strittigen Szene kam es zu einem Freistoß für Normannia mit anschließendem erneuten Führungstreffer zum 2:1-Halbzeitstand verwandelt werden konnte. 

Spielszene aus der 2. Halbzeit.
Auch nach dem Wechsel blieb das Spiel spannend, auch wenn Normannia nun aufdrehte. Am Ende stand ein bejubelter 4:2-Auswärtserfolg meines Teams fest, drei verdammt wichtige Punkte gegen den Abstieg. 
Beide Mannschaften zeigten eine großartige Leistung, lediglich für den FC Albstadt blieb das Happy-End aus. Dort haderte man allerdings sehr mit dem Schiedsrichter, und vor allem die Situation, die zum zwischenzeitlichem 1:2 führte, brachte hier große Aufregung. Wie gewohnt verweise ich auf die Spielberichte in den untenstehenden Links.

Tolle Mannschaft, miese Bildqualität.

Bei aller Sympathie für die freundlichen Gastgeber, die sich wirklich Mühe gaben, das ich mich als Gästefan bei ihnen wohlfühlte, freut mich natürlich der Auswärtserfolg der Normannia. Ich lasse mich zu einer spontanen Glückwunschaktion auf dem Rasen hinreissen - umso enttäuschter bin ich von meinen Fotos. Von drei Aufnahmen einer jubelnder Normannia ist gerade dieses eine sprichwörtlich halbscharf - ich war wohl zu aufgeregt... 

Hatten allen Grund zu jubeln. Aber jetzt heißt es schon wieder, sich auf den FC Wangen vorzubereiten.

Auch Bredi läßt sich zu einem Jubeltanz
hinreissen. Tanzpartner ist eine Flasche
Lehner-Bier.
Danach hieß es für uns schon wieder, die Rückreise-Odyssee anzutreten. Nach einer langen Rückfahrt in der HzL, zusammen mit Tübinger Basketball-Fans, denen wir ein Bier abquatschen konnten, ging es auf lange Nachtfahrt wieder ins Remstal. Nachdem in Stuttgart der Anschlußzug buchstäblich vor der Nase wegfuhr, war dafür gesorgt, das ich erst um 23 Uhr wieder Zuhause war. Aber, hat es sich nicht gelohnt, wegen eines Sechstligaspiels diesen Aufwand zu betreiben? Aber klar doch!



"Support your local brewery"
Bredi und Egon Stehle, sympathischer Geschäftsführer der
Lehner-Brauerei, die ein wirklich leckeres Bier braut.
"Support your local football team"
Mein Begleiter Mario auf der Heimfahrt in der HzL.

"Support your local basketball team"
Junge Albstädter auf dem Weg nach Tübingen.

Und die Tasse? Die habe ich natürlich wohlbehalten nach Schwäbisch Gmünd entführt, wo sie nächste Woche zusammen mit dem Stadionheft eingepackt und ins ferne Göttingen versendet wird, wo Hardy Grüne hoffentlich schon Platz im Schrank gemacht hat. Und mit etwas Glück schafft sie es dann in seine legendäre Tassen-Liga. Dort zumindest haben die Albstädter meinen Gmündern nämlich etwas voraus: Normannia hat nämlich keine Tassen im Schrank. Aber ich habe wenigstens schon begonnen, über die Tassenlosigkeit zu meckern...

Spielbericht:


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