Sonntag, 30. März 2014

Immer diese Wiederholungen! - Spfr. Schwäbisch Hall gegen FC Normannia Gmünd

Gehört bald der Vergangenheit an. Weniger die Ligazugehörigkeit
der Sportfreunde, jedoch der Eingangsbereich der Auwiese.
Das neue Jahr begann für Normannia - zumindest aus Sicht der Ausbeute im Punktspielbetrieb - bislang zufriedenstellend. Einem 0:0 Zuhause gegen Göppingen folgten ein Erfolg in Albstadt und ein Heimsieg gegen den FC Wangen. Als Fan neigt man leicht dazu, solche Punktgewinne als Selbstverständlichkeiten hinzunehmen, quasi einen ewigen Fußballsommer auszurufen und sieht die Mannschaft förmlich die Birken im Normanniastadion ausreißen. Erholt man sich erst aus seinem Fußballrausch, wird man schon bescheidener und würde sich in der Fremde schon mit einem Pünktchen zufrieden geben. Meinethalben auch mit einem Grottenkick.

Die Sportfreunde Schwäbisch Hall sind ein Verein, der sich mit Fug und Recht mit dem Prädikat "Traditionsverein" schmücken darf. Gegründet am 22. Juli 1912 als Sportverein Hall, wurde in der alten Salzsiederstadt schon gegen das runde Leder getreten, als man sich in einer heutigen Bundesligastadt im Badischen noch rein ums Turnen kümmerte und erst in jüngerer Vergangenheit das "1899" in den Vereinsnamen aufnahm.

Besonders sympathisch ist die Existenz einer Faustballabteilung, die in der Gauliga durch beachtenswerte Ergebnisse auffällt. Auffällig ist auch das schöne blau-weiße Logo mit dem altertümlich wirkenden Schriftzug, der sich sicher auch hervorragend auf einer Tasse machen würde.

Vor 1950 trat Schwäbisch Hall überregional so gut wie nicht Erscheinung. 1927 wurde Hall Meister im Bezirk Hohenlohe und stieg in die Kreisliga Alt-Württemberg, der zweithöchsten Spielklasse im damaligen Ligasystem, auf. Dort waren die Kicker aus der Kocherstadt allerdings chancenlos und stiegen postwendend wieder ab. Ein einziges Mal durfte Schwäbisch Hall dabei einen Sieg bejubeln (ein 1:0 Heimsieg gegen Eintracht Stuttgart), ansonsten gab es zum Teil deftige Niederlagen, wie z. B. ein 0:8 gegen den SV Feuerbach oder ein 0:9 gegen die SpVgg Prag (Stuttgart). 1932 gab es eine Rückkehr in die Kreisliga, diesmal die neugebildete Kreisliga Hohenlohe. Aber auch 1932/33 hieß es für Schwäbisch Hall nach nur einem Jahr Kreisliga wieder Abstieg. Besonders derbe Niederlagen mußten die Häller mit 0:16 beim Vorjahresabsteiger VfR Heilbronn und einem 2:11 beim TSV Neckarsulm einstecken.

Schatten der Vergangenheit
an der Wand im Vereinsheim.
Am 26. November 1945 entstanden die Sportfreunde Schwäbisch Hall, wie wir sie heute noch kennen, und die 1950/51 in der 2. Amateurliga, Staffel 2 ins Rennen gingen. Abgesehen von einem 2. Platz 1956 dümpelte Hall zunächst nur im Mittelfeld herum, ehe 1958 sogar der Abstieg in die A-Klasse erfolgte. Der "Betriebsunfall" wurde zwar umgehend korrigiert, die Sportfreunde entwickelten aber zunächst nur den Ruf eines Fahrstuhlteams.

1968 begann mit einem erneuten Aufstieg in die 2. Amateurliga eine große Zeit der Sportfreunde Hall, der 1971 zur Ligameisterschaft und zum Aufstieg in die 1. Amateurliga Nordwürttemberg führte. Dort traf man Größen wie die Amateure des VfB und den Stuttgarter Kickers, dem Göppinger SV, SC Geislingen, Union Böckingen, TSF Esslingen, dem neugegründeten SSV Ulm 1846 oder eben auch Normannia Gmünd. Schwäbisch Hall kam in der Liga gut zurecht, stieg zwar einmal - 1977 - wieder ab, konnte aber im letzten Spieljahr der Amateurliga 1978 mit dem Gewinn der Ligameisterschaft die Qualifikation zur neugeschaffenen Verbandsliga Württemberg sichern.
Ein weiterer Höhepunkt der 70er Jahre war 1975 die Teilnahme am DFB-Pokal. Mit 5:1 fegte man dabei in Runde 1 die TuS Mayen vom Platz, unterlag dann in Runde 2 in der Auwiese mit 0:5 gegen die Stuttgarter Kickers.

Kennt keine Normannia-
Spieler im Siegesrausch:
Stadion Auwiese.
Gegen das Gründungsmitglied der Verbandsliga trat Normannia Gmünd relativ selten an. Ligaduelle gab es nur von 1971/72 bis 1974/75 in der 1. Amateurliga und seit 2012 in der Verbandsliga. In 11 Begegnungen gab es lediglich 1972 einen Heimsieg für die Schwerzer-Elf, ansonsten blieb Hall als Angstgegner der Schwarz-Roten stets der Sieger. Das 1949 eröffnete Stadion Auwiese weiß gar nicht, wie eine siegreiche Normannia-Mannschaft aussieht, zumal Hall für gewöhnlich mit mindestens 2 Toren Unterschied gewinnt. Lediglich beim ersten Aufeinandertreffen in der Auwiese begnügten sich die 11 Sportfreunde mit dem knappsten aller Siege, einem 1:0 gegen den späteren Halbfinalisten der Deutschen Amateurmeisterschaft.

5 Spiele, 5 Niederlagen, 3:13 Tore? Zeit für die Normannia, von dieser Negativserie Abschied zu nehmen und Grund genug für mich, bei einem möglicherweise historischen Augenblick zugegen zu sein. Konnte doch die heutige Normannia-Elf wortwörtlich Geschichte schreiben.

Abschied nehmen heißt es auch für das altehrwürde Auwiese-Stadion, dass einst bei seiner Eröffnung die SpVgg Fürth auf seinem Rasen begrüßen durfte. Denn die Tage der doch etwas in die Jahre gekommenen Anlage sind gezählt, und die Abrissbagger scharren schon mit den Hufen. An gleicher Stelle entsteht der Sportpark am Kocher, der den morbiden Charme der gegenwärtigen Anlage gegen ein modernes Ensemble austauscht.

Die Anreise in die schöne Kochermetropole geschah so zeitig, das ich schon befürchtete, über den Zaun ins Stadion klettern zu müssen, und die nette Wirtin des Vereinsheims war über den frühen Auftritt des schwarz-roten Normanniaschals sichtlich verblüfft. "Ja, was macht ihr denn schon da?" fragt sie feixend.

Auch die blau-schwarzen Jungs des Gastgebers zeigen sich noch nicht, der Normannia-Bus ist noch auf der Strecke, so dass ich die Zeit nutzen kann, gemütlich Impressionen vom Stadion zu sammeln.

Stadion Auwiese, DFB-Pokal-Veteran.
Relikt vergangener Fußballtage:
die kleine Tribüne im Stadion.
Auwiese, das klingt zunächst mal nach runden saftigen Hobbits, die sich in lieblicher Landschaft freudig tummeln.

Sanierung tut Not!
Was aber nach landschaftlichem Idyll klingt, entpuppt sich doch als ein Relikt vergangener Fußballgroßereignisse. Die gesamte Anlage, wettergegerbt und vom Zahn der Zeit angeknabbert, sehnt sich förmlich danach, seinem Nachfolger Platz machen zu dürfen.
Dennoch, ob zeitgemäß oder nicht, mit dem Abriss des Komplexes verschwindet auch unwiderruflich ein kleiner Teil der deutschen Fußballgeschichte, und der moderne Sportpark muß sich seine Seele, seine Patina erst verdienen. Wenn er es denn je schaffen wird.

Nebenan wird von jungen Menschen Baseball trainiert, ein richtiges kleines Baseball-Feld am Kocher. Es dürfte sich um die Renegades handeln, die in der TSG Schwäbisch Hall beheimatet sind. Auch da muß ich gleich ein paar Sympathiepunkte vergeben. Es lebe der Nischensport!

Biergartenidyll in der Auwiese.
Mittlerweile ist das Leben in der Auwiese ausgebrochen, und emsige Betriebsamkeit herrscht in der Anlage. "Ach so, ich dachte ihr hättet Freikarten. Das wäre mir jetzt gar nicht aufgefallen, wenn du mich nicht darauf angesprochen hättest" erwidert man mir auf meine Frage, wann denn das Kassenhaus öffnen würde. Als ob ich jemals um Freikarten gebettelt hätte. "So, jetzt findet deine Seele endlich Ruhe" sagt mir der freundliche Kassierer, nachdem ich mein Ticket löste.

Ich lasse mir den geplanten Neubau erklären, und frage ein wenig nach der Fanszene in Schwäbisch Hall. Die Sportfreunde besitzen ein kleines, aber treues Publikum. Wie auf so vielen Sportplätzen im Ländle macht es sich nur beim Torjubel bemerkbar, oder bruddelt bei strittigen Entscheidungen vor sich hin. Schals, Fahnen oder Banner wird man in der Kocherstadt vergeblich suchen, auch wenn man von Vereinsseite bemüht ist, dies abzuändern, auch Hall soll seinen Fanclub erhalten. "Gebt dem Mann ein Freibier und eine Wurst, damit er uns im rechten Licht erscheinen läßt" wird noch Richtung Vereinsheim gerufen, als sich rumspricht, das die Eindrücke in einem Blog erscheinen sollen.

Bereits vor dem Spiel gut gelaunt.
Zwischenzeitlich kann ich auch den Normannen guten Tag sagen, der in Hall eingetroffen ist. Im Schlepptau taucht auch der kleine FCN-Anhang auf, Nico Schoch hält aber zunächst alleine die Stellung für die Fangruppe "12. Mann" und wirkt, schwerbeladen, als sei er beim Umzug in eine neue Wohnung. Die Motivation ist dennoch da, und er zeigt sich auch gutgelaunt.

Trommeln für Normannia.
Nico Schoch, der 12. Mann.
Claus Breitenberger beim "fraternisieren".

Das Claus "Bredi" Breitenberger im württembergischen Amateurfussball einen Bekanntheitsgrad genießt wie anderswo ein Rockstar, zeigt sich auch in Schwäbisch Hall, wo er von der Heimmannschaft als alter Bekannter begrüßt wird. Es ist auch wirklich schwer, einen Verein zu finden, den er noch nie besucht hat. TV Derendingen zum Beispiel. Oder den FC Hechingen.










Ein Hauch von Wales.
Halls Yavuz Pacaci erinnert mich
an Rugby-Nationalspieler Adam Jones. 
Das Stadion füllt sich, doch von einem Andrang läßt sich nicht reden. Dass die Auwiese nicht zu den großen Publikumsmagneten zählt war mir bekannt, schockiert bin ich dennoch über 130 Zuschauer. Welche Ausrede müssen die Häller Fans aus dem Hut zaubern? Schönes Wetter?
Die Gmünder Anhang ist zumindest frohgelaunt, und auch ich bin zuversichtlich, endlich die ersten Normannia-Punkte in Schwäbisch Hall einsammeln zu können.

Doch die Mannschaft im roten Dress, die in der Auwiese antritt, ist alles andere als die Elf, die in den letzten drei Spielen überzeugen und durch Kampf zum Sieg gelangen konnte. Die gastgebenden Sportfreunde sind von Anfang an klar besser, wenn auch nicht überlegender. Selten passt das Sprichwort vom Einäugigen, der den Blinden besiegt besser auf ein Spiel als eben jenes.

Das mitgereiste Gmünder Publikum versucht indes, die Mannschaft nach Vorne zu brüllen, verwandelt die Auswärtspartie akkustisch zum Heimspiel. Beim lethargischen Heimpublikum reicht auch ein kleiner Normannia-Anhang. Doch selbst wenn ich zwei schwarz-rote Brillen überziehen würde, nichts kann die verdiente Führung der Sportfreunde in der 33. Minute relativieren.

Manchmal ist es gut, wenn man vom Fußball keine Ahnung hat, denke ich mir, dann muß man beim Anblick eines schlechten Spieles nicht so grausam leiden.

Die Schwerzer-Elf läßt sich entmutigen und von Anfang an bestimmt Hall das Spiel. Auch in Halbzeit zwei ist es der Gastgeber, der gefährlich vors Tor kommt, und wenn Normannia jemals ein unverdientes Wunder nötig hätte, dann heute.

Aber Glücksgöttin Fortuna zeigt sich nicht geneigt, Kampf- und Mutlosigkeit zu belohnen, und so heißt es nach 90 Minuten völlig verdient 1:0 für die Sportfreunde Schwäbisch Hall. "Da hilft auch alles schreien nicht", wie ein gutgelaunter älterer Herr aus Hall zu mir sagt, als ich auf dem Heimweg bin.

Patrick Widmann hält es nicht auf der Bank.
Wiederholungen gefallen nicht. Auch beim 6. Ligaspiel in Schwäbisch Hall geht die Normannia leer aus. Gerne hätte ich der Auwiese zum Abschied eine siegreiche Normannia gezeigt, doch das ist nun dem Sportpark am Kocher vorbehalten. Der FCN verabschiedete sich aus dem altehrwürdigen Stadion, wie er sich 1971/72 vorstellte: mit einem 0:1.

Normannia rutscht ob dieser Niederlage auf Platz 10 ab. Was nach einem kuscheligen Mittelfeld klingt, ist in Wahrheit harter Abstiegskampf, nur 3 Punkte vor dem Relegationsplatz Richtung Landesliga. Und wenn Normannia sich nicht wieder aufrappelt, heißt es bald nicht nur vom Stadion Auwiese Abschied nehmen.

Die Sportfreunde Hall hingegen verschaffen sich etwas Luft nach unten, auch wenn sie ebenfalls nicht aus dem Schneider sind. Ein paar sangesfreudige Heimfans würden diesem sympathischen Verein und seinen freundlichen Helfern jedenfalls guttun. Verdient hätten es die Sportfreunde zumindest.

Spielbericht:
Normannia Gmünd: FCN-Miniserie gerissen!
Südwest-Presse: Hall fährt ersten Heimsieg 2014 ein
Sportfreunde Hall: Hall fährt ersten Heimsieg 2014 ein 

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