Ein klein wenig fühlte man sich wie im Film "Das Leben des Brian". Die Zuschauer im Gmünder Jahnstadion erinnerten mich heute an die Kreuzigungsszene, als der römische Zenturio mit der Begnadigung für den Protagonisten auftaucht, und jeder plötzlich Brian sein wollte. Ähnlich könnte es dann auch bei der Normannia geheißen haben. "Wer von euch ist Molinari?" - "Ich bin Molinari!" - "Nein! Ich bin Molinari! Und meine Frau ist auch Molinari!"
Ganz klar, die knapp 400 "Molinaris" im Stadionrund zeigten bereits optisch, dass der heutige Spieltag im Zeichen des Abschieds stand. Der Kapitän Beniamino Molinari geht von Bord - kommt aber als Schlipsträger auf der Trainerbank wieder. Dennoch wird er auf dem Spielfeld fehlen, keine Frage. Aber als Fan vergisst man gerne, das auch Spieler älter werden, und bei Beni ist das besonders einfach, wirkt er doch schließlich frisch und munter, als sei er eben erst der A-Jugend entsprungen. Dabei war das im vergangenen Jahrtausend, als er als 18-jähriges Talent in der Bezirksliga für den abgestürzten Traditionsverein auflief, gegen Mannschaften wie Jagstzell, Böbingen, Hüttlingen oder Pflaumloch antrat und gleich zum besten Torschütze des Teams avancierte.
Aber nicht nur "Il Capitano" wurde verabschiedet. Vor dem Spiel hatte Fußballbereichsleiter Heinz Eyrainer noch alle Hände voll zu tun. Benjamin Klement wechselt zur SG Bettringen, die 2 Spieltage vor Schluß auf Platz 1 der Bezirksliga und kurz vor dem Sprung in die Landesliga steht. Ein herber Verlust - sowohl spielerisch als auch menschlich - stellt in meinen (und nicht nur meinen) Augen Kersten Göhl da, der leider zum Landesligameister TSV Essingen wechselt, somit in der nächsten Spielzeit auch im Schwerzer aufläuft - auf der Gegenseite. Und natürlich verabschiedete man sich auch von Felix Bauer, der sein Fußballkönnen hinfort für den VfR Aalen II unter Beweis stellt.
Ein großes Dankeschön gebührt auch Trainer Patrick Widmann, der nach 2 Jahren auf der Trainerbank den Schwerzer verläßt. Wo immer seine Karriere ihn hintragen mag, ich hoffe, er bleibt im Ländle, so daß der "Spätzleskick" ihn an seiner neuen Wirkungsstätte besuchen kann.
Bredi, the Triple-Man. |
T-Shirt-Basar. Die Fangruppe "12. Mann" organisierte die wirklich edlen Molinari-Shirts mit Rückennummer 10. |
Zu Gast im Schwerzer kam die Sportvereinigung Böblingen, ein Verein, der mit seiner Vergangenheit völlig abgeschlossen hat. Denn in seiner Chronik beruft sich der Verein nur auf die Zeit ab dem 20. Oktober 1945, als die Fußballabteilung innerhalb des Gesamtvereins wieder ins Leben gerufen wurden. "Wieder ins Leben gerufen" verweist schon auf eine Geschichte vor 1945, und tatsächlich wurde in Böblingen auch bereits in der Zeit des Ersten Weltkriegs Fußball gespielt. Zugegeben, die Fußballhistorie Böblingens ist ein wenig wirr und unübersichtlich, nichtsdestotrotz Wert, nicht in Vergessenheit zu geraten. Kurz vor Beginn des Weltkriegs Anno '14 wurde innerhalb des 1845 gegründeten Turnvereins auch gegen das runde Leder gekickt, und 1924 wurden die Fußballer im Rahmen der sogenannten "reinlichen Scheidung" als FV Böblingen selbständig. 1937 kam es zum Ende des FV, der im VfL aufging, der dann wiederrum als Sportgemeinschaft einen Kieselstein in der deutschen Pokalgeschichte hinterließ (1942, 2:3 gegen die Stuttgarter Kickers). Bezüglich der etwas verworrenden Böblinger Fußballgeschichte muß ich doch mal das Böblinger Stadtarchiv kontaktieren.
Während bei Normannia der Druck ein wenig draußen war, nachdem mit dem 5:1 über den SV Bonlanden der Klassenerhalt gesichert war, mußten die Gäste noch Punkte für den Klassenerhalt sammeln.
Spielerisch schien nichts auf einen fußballerischen Leckerbissen hinzudeuten, und zu einem legendären Klassiker wird man die heutige Partie auch nicht rechnen dürfen. Dennoch war das Spiel weit davon entfernt, ein müdes Gekicke zu werden, und vor allem die Böblinger versuchten von Beginn an, dem Spiel ihren Stempel aufzuprägen. Normannia spielte entspannter, aber konzentriert, und die Stimmung im Stadion war - für ein Spiel, bei dem es für Normannia um nichts mehr ging - einfach großartig.
Sind das Feiern gewohnt: die Meister-Handballer des TSB. |
Von meinen Mitstreitern alleine gelassen, suchte ich Geborgenheit bei der Fangruppe "12. Mann", die natürlich in jedem Heimspiel akkustisch nicht zu ignorieren war. Riesige Stimmung und jede Menge Spaß brachten die TSB-Handballer mit, die in ihrer Feierorgie Station im Schwerzer machten. Diese feierten ja bekanntlich ihren Aufstieg in die Oberliga, und wurden auch am Samstag auf dem Rathausbalkon umjubelt.
Böblingens Keeper David Jach, vom Fannachwuch vergrault? |
Stefan Hallberg läßt grüssen. |
Mark Mangold. |
Die TSB-Gans beim Fußball. |
Ebenfalls begrüßen durfte man "Mutter Gans", die gute Seele der TSB-Handballer. Mit so einer Unterstützung im Publikum konnte ja nichts schief gehen! Allerdings war sie vom Spielverlauf nicht so sehr angetan. Die TSB-Gans ist einfach vom Handball her tierisch verwöhnt (oder heißt das "gans" verwöhnt?), und kann Mannschaftssportarten, in denen einfach so wenige Tore fallen, wenig Verständnis entgegenbringen. Die meiste Zeit über brachte sie dann doch lieber mit dem Handball-Team zu, wo sie durch Austausch von Zärtlichkeiten von sich reden machte. Darüberhinaus sorgte sie dafür, dass ich einfach ungestraft attraktive Zuschauerinnen fotografien konnte. Cleveres Biest!
Küsse in Ehren, kann die Gans nicht verwehren. |
Danke, Mutter Gans ;) |
Tore bekam die Gans dann doch zu sehen - und zwar im Minutentakt. In der 48. Spielminute leitet der frisch eingewechselte Giuseppe Catizone den Ball an Kersten Göhl weiter, der ihn eiskalt im Böblinger Tor versenkte. Hoffentlich zum vorläufig letzten mal. Schon vergessen? Nächste Saison spielt er bei der Ligakonkurrenz. Da soll er das Tore schießen im Schwerzer schön bleiben lassen!
Kaum war die freudige Nachricht per SMS ins ferne St. Pauli berichtet, da erzielte auf der Gegenseite Böblingens Rudy Vargas Müller den verdienten Ausgleich. Das war es allerdings auch schon an Aufregung für die Handball-Gans, denn bei diesem leistungsgerechten Remis blieb es auch. Böblingen hatte durchaus mehr Spielanteile, was wahrscheinlich daran lag, das beim FCN der Existenzkampf in der Vorwoche beendet wurde.
Ehrenrunde des Kapitäns. |
Es folgten sehr emotionale Momente, beginnend mit der Ehrenrunde von Beniamino Molinari. Ja, was soll man dazu sagen? Das Ende einer Ära, gewiss. Andererseits auch der Beginn von etwas völlig neuem, oder wie unser Landsmann Hermann Hesse sagte, "in jedem Anfang wohnt ein Zauber inne". Von daher will ich auch nicht Trübsal blasen, das ich miterleben durfte, wie ein ganz großer Normanne das Trikot letztmals im Schwerzer überstreifte und die Nummer 10 mit dem "Nadelstreifenanzug" der Funktionärskaste vertauscht. Ich sage einfach "danke" für die tolle Zeit, und ich freue mich auf dass, was da kommen mag!
Nachgestellte Filmszene aus "Das Wunder von Bern" |
Ausgelebter Fanatismus pur. |
Aufräumarbeiten. |
Auch der scheinbar in den Jungbrunnen gefallene Lothar Stegmaier gratuliert. |
Es ist schwierig, hier noch was hinzuzufügen. Ich denke, man läßt wirklich die Bilder sprechen. Nach all' den Abschieden gab es noch die Ehrung des "Spieler der Saison". Die Fangruppe "12. Mann" hatte diese Ehrung ausgelobt, und auch ich durfte meine Stimmen abgeben. Wie üblich ist es verdammt schwer, bei einem Club wie Normannia, wo die geschlossene Mannschaftsleistung stets im Vordergrund steht, drei Spieler herauszupicken.
Zum Spieler 2013/14 wurde der scheidende Kapitän gewählt, auf Platz 2 folgte Abwehrtiger Musa Ayaz, Platz 3 belegt Giuseppe Catizone.
Danke für die gefühlte Ewigkeit auf dem Rasen für den FCN! Viel Erfolg beim Rollentausch! |
szbz.de: Drittes Unentschieden in Folge
Rems-Zeitung: FCN-Dank gilt Widmann, Bockmeyer, Klement, Bauer, Göhl und Molinari
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