Mogelpackung. Nicht das Memorial Stadium in Bristol, sondern der Goldwasen in Lorch. |
Der praktische Grund, die Nachbarstadt aufzusuchen und dem Spitzenspiel der Kreisliga A Kocher/Rems zwischen den Sportfreunden Lorch und dem TSV Mutlangen zu folgen, waren für mich sehr schwäbischer Natur: dank meiner Wochenkarte muß ich für die Station Lorch kein zusätzliches Fahrgeld bei der Deutschen Bahn investieren.
Allgegenwärtiges Vereins- wappen der Spfr. Lorch |
Bereits 1920 entstand mit dem 1. FV Lorch 1911 wieder ein eigenständiger Fußballverein, der 1926 das Gelände des "Goldwasens" kaufte und dort bis heute beheimatet ist. Der Erwerb der vereinseigenen Anlage erwies sich als Glücksgriff. Die dem damaligem Bezirk Rems zugeordneten Lorcher konnten zwar in jener Epoche mit den Gmünder Teams Normannia und DJK nicht konkurrieren, jedoch gehörten sie zusammen mit dem 1. FC Oberbettringen und Teutonia Rechberg zu den heimstarken Mannschaften im Oberamt Gmünd. Im März 1933 sicherte sich Lorch vorzeitig die Meisterschaft in der A-Klasse mit einem 2:1-Sieg im Goldwasen gegen den TSV Heubach. Rund 1.000 Zuschauer wohnten der ruppigen Partie bei, wobei der damalige Berichterstatter attestierte, die Lorcher hätten sich zuerst auf den Mann und dann auf den Ball gestürzt, was die Heubacher vor Angst gelähmt hätte.
"Leise war gestern". Sollte man mal im Normanniastadion aufhängen. |
Nach mehrmaligen Auf und Ab zwischen Bezirksliga und Kreisliga B stehen die Lorcher im Augenblick auf Rang 1 der Kreisliga A und setzen zum neuerlichen Sprung in die Bezirksliga an, wo so ein Verein meiner Meinung nach auch besser aufgehoben als in der A-Klasse ist.
Mit dem TSV Mutlangen kam allerdings alles andere als Kanonenfutter in den Goldwasen. Die "Heidekicker" - zwar immer die Abstiegsränge im Blick und nach wie vor den Klassenerhalt zum Ziel, stehen selber noch in Aufstiegsnähe. Die Lorcher hingegen wollten sich nicht beeindrucken lassen und boten zum Fußballfestival auf den Goldwasen.
Zügigen Schrittes erreicht man den Goldwasen vom Bahnhof Lorch durch ein Gewerbegebiet und am besagtem Güllefeld vorbei in ca. 15 Minuten. Auf dem Weg dorthin stößt man auch auf eine beflaggte Bayern-Behausung.
Bei meiner Ankunft im Goldwasen streiten gerade die SF Lorch II und der TV Weiler II um Punkte in der Kreisliga B. Weilers Reserve-Elf ist sowas wie der tragische Held im Bezirk, ziert man nach 14 Spielen mit 0 Punkten und 6:76 Tore das Tabellenende der Kreisliga B. Auch bei meinem Besuch kann Weiler II lediglich sein Gegentor-Konto nach Oben schrauben, zieht sich mit 0:1 aber achtbar aus der Affäre.
Zugleich fällt mir beim Goldwasen-Besuch die strikte Einhaltung der blau-weißen Vereinsfarben auf. Ungewöhnlich ist auch das Vereinsheim mit Aussichtsterasse, wo man in sprichwörtlich erhöhter Lage auf die Spieler herabblickt. Diese müssen sogar Treppensteigend in die Umkleidekabinen.
Blau-Weiß, sogar die Beleuchtung. Früher verzeichnete der Goldwasen vierstellige Zuschauerzahlen. |
Nach Schlußpfiff der Reservepartie füllt sich langsam der Zuschauerbereich, wobei doch einige Fans in blau-weißen Schals und Mützen der Sportfreunde auftauchen. Auch wenn anzunehmen ist, dass die Mehrzahl davon Vereinsmitglieder sind, so ist diese konsequente Zurschaustellung von Fanartikeln irgendwie sympathisch. Besondere Sympathie geniessen bei mir eine ältere Frau, die ich mal despektierlich "Fußball-Granny" nenne. Im Laufe der Partie fiebert sie mit den Lorchern mit, kann sich nicht ruhig auf der Schranne halten und erweitert meinen Schimpfwörterwortschatz um neue Begrifflichkeiten.
Andere Sympathien erhält der Eingangs erwähnte Marineveteran mit Original Elbsegler bedeckt, für den die kalte Witterung und der schneidige Westwind wohl eher Erinnerungen an seine maritime Vergangenheit weckt.
Mitfiebernder Fußballfan. |
Verfolgt gespannt von der "Brücke", was die Landratten treiben. |
Spielgeschehen aus blau-weißer Sicht. |
So ein blau-weißes Fansortiment würde mich jetzt auch wärmen. |
"Freudenhaus"? |
Hinter dem Grill ist man wesentlich geschützter vor dem Westwind, ist dafür dem Grill- und Zigarettenrauch ausgesetzt. Ich beschließe zu warten, bis die Kassierer ihre Runde bei mir vollzogen haben, um dann ein paar Eindrücke vom Spielfeldrand aufzunehmen.
Zwischenzeitlich "ertappe" ich Schiedsrichter Jan Dimitrovski von Makedonija Stuttgart völlig unvorbereitet beim verlassen der Schiedsrichterkabine. Sein strenger Blick rühre daher, meinte er, dass er bei dieser Kälte nicht oben beim Grill stehen bleiben könne, sondern wieder nach unten zum Spiel müsse. Von seinem Blick auf dem Foto ist der ansonsten eher fröhliche Zeitgenosse aber begeistert.
Der Mann mit der Lizenz zu pfeifen: Jan Dimitrovski |
Fußball im Schatten des Klosters. |
Mittlerweile drehte sich das Spiel. Nicht mehr die Lorcher Sportfreunde, sondern die Gäste aus Mutlangen beherrschen das Spiel, gewinnen zunehmend die Zweikämpfe, stürmen häufiger aufs gegnerische Tor.
Spielszene aus der 2. Hälfte. |
The Swabian Marlboro Man. |
Kreisliga, wo Linienrichter noch jubeln dürfen. Auch zufrieden: TSV-Trainer Tomas Perez. |
Die Lorcher sind nun gezwungen, etwas zu tun, stürmen wieder verstärkt in Richtung Tor der Gäste. Der Erfolg bleibt indes aus. Einerseits werden die Angriffe zu sehr mit der Brechstange versucht, andererseits wirkt Mutlangens Abwehr sehr konzentriert.
In dieser "Sturm-und-Drang"-Phase der Lorcher Hausherren fällt dann auch das 0:2. Im allgemeinen Mutlanger Jubel fragt mich TSV-Keeper Tobias Tangl noch nach der restlichen Spieldauer. Restlos beantworten kann ich die Frage leider nicht, kurze Zeit später sammle ich dennoch Pluspunkte bei ihm. Als ich einen ins Toraus geflogenen Ball lässig zurückwerfen will, landet der Ball auf der Bande und prallt wieder zurück in die Wiese hinter dem Tor. Tangl ist aber aus naheliegenden Gründen nicht unglücklich über den zusätzlichen Zeitgewinn.
Der überwiegend Mutlanger Anhang. |
Wie dem auch sei, irgendwie bringe ich den Heimmannschaften bei meinen Abstechern in die Kreisliga Pech. Letzte Woche Schorndorf, heute Lorch. Möglicherweise liegt es aber auch nur daran, dass die Gäste (Hertmannsweiler und Mutlangen) jeweils in roten Trikots aufliefen? Ganz wie meine Normannia eben.
Konzentriert: Tobias Tangl (TSV). |
Gestrauchelt, aber nicht gestürzt: die Sportfreunde Lorch. |
Spielbericht:
TSV Mutlangen: Heide-Elf bezwingt den bislang ungeschlagenen Spitzenreiter
Super Bericht, toll geschrieben und passende Bilder ausgewählt. Wir haben uns erlaubt den Bericht auf unser Homepage zu verlinken. www.sflorch.de
AntwortenLöschenGrüße aus Lorch von den Sportfreunden!
Vielen Dank für das Lob und das verlinken in Euer "PR-Archiv". Abgesehen vom widrigen Wind und den tiefen Temperaturen hat es mir ja sehr gut am Goldwasen gefallen.
Löschen