Spätzleskicker in bester Gesellschaft: TV 1900 Derendingen |
Mittlerweile
hat sich ja auch vieles ver- und geändert. Bezirksligatrainer Peter
Kaschuba beispielsweise suchte und fand neue Aufgaben beim
Ligakonkurrenten TSV Gomaringen, und ebenso fehlte Mouhamed Arfaoui in der TVD-Sturmspitze. Auch die Frauen mußten mit ihrer
langjährigen Keeperin Melanie Bölzle und Torgarantin Tina Wurster
schmerzliche Verluste hinnehmen. Auch im Spielbetrieb lief es nicht
rund. Die Frauen im „verflixten 2. Jahr“ der Regionalliga Süd
standen mit nur einem Punkt am Ende der Tabelle, und auch die Männer
– im Vorjahr noch im oberen Mittelfeld anzutreffen – gurkten
plötzlich in Richtung Kreisliga A herum. Also wirklich allerhöchste
Zeit, den Steinlach-Kickern am „kleinen Bökelberg des Südens“
wieder höchstpersönlich die Daumen zu drücken.
Im
Süden, so wird allgemein suggeriert, ist es warm. In der Tat war der
Sonntag unanständig warm für einen Novembertag, und ich bereute die
Lagen an Kleidungsstücken, die ich vorsichterweise über meinen
Körper legte. Gleichwohl war die beliebte Promenade an der Steinlach
ob dieses herrlichen Wetters mehr als bevölkert: Jogger, Radfahrer,
Spaziergänger mit und ohne Hund – kurz: das gesamte Potpourri
einen vergnüglichen Sonntagnachmittags bei Sonnenschein. Und
mittendrin ein Gmünder mit TVD-Schal um den Hals, dem es eigentlich
viel zu warm mit selbigen war. Aber es heißt ja nun mal „Farbe
zeigen“, und Tübingen ist nicht Rot-Weiß wegen der TSG Tübingen!
Zumindest bei mir…
Bei
meinem Eintreffen am „Bökelberg“ spielte gerade die 2.
Männermannschaft des TVD ihre Kreisliga-Partie gegen den
Tabellenführer mit dem fast schon unaussprechlichen Namen SpVgg
Bieringen/Schwalldorf/Obernau. Es muß die 73. Minute der Partie
gewesen sein, denn just bei meiner Ankunft erzielten die Gäste das
2:0. Das die Gästemannschaft gegen die 2. Mannschaft der Derendinger
in Führung gehen wenn ich eintreffe, das muß mittlerweile eine Art
Tradition an der Steinlach sein: bislang vernahm ich stets einen
Torpfiff für die Gäste bei Ankunft. Am Ende holten die Derendinger
ein achtbares 1:2 gegen den alten und neuen Tabellenführer.
Helmut "Tschumle" Thurner |
Doch
das hatte ich schon nicht mehr höchstpersönlich erlebt. Helmut
Thurner, Betreuer und Pressewart des TVD erwartete mich bereits, und
„Tschumle“, wie er landauf landab genannt wird, begrüßte den
verlorenen Stiefsohn des TVD ließ mich die ganze südländische
Gastfreundschaft der Tübinger Südstadt spüren. Denn der TV
Derendingen „isch a weng andersch“: offener, ehrlicher,
herzlicher als man es dem ordinären Standardschwaben zutrauen würde.
Natürlich ist auch hier nicht alles Katzengold was glänzt, auch
hier kämpft man mit den Problemen wie andernorts. Demographischer
Wandel, Neubürger ohne althergebrachte Familienbindung zum Verein,
überlastetes Ehrenamt, Sponsorensuche – gegen diese Probleme
kämpft man auch im Süden des Landes. Und doch scheint diese kleine
Vereinsfamilie frohen Mutes ihre Aufgaben in Angriff zu nehmen, was
man am „Tausendsassa“ Tschumle bestens erkennt.
Aber
genug „Honig oms Maul gschmiert“, denn es lockte das Spiel der
Regionalliga. Derendingen stand, wie eingangs geschildert, mit nur
einem Punkt am Tabellenende. Bei drei Absteigern eine nicht gerade
angenehme Situation nach 8 Spieltagen. Ein Sieg gegen Aufsteiger
Rüsselsheim, die auf dem ersten Nichtabstiegsplatz saßen, hätte
den dringend benötigten Anschluß erbracht und wäre zudem für die
Moral immens wichtig gewesen.
Vor
dem Spiel gab es noch ein Wiedersehen mit Ebbo Braun, dem „ewigen
Vierzigjährigen“ und früheren Trainer des TVD. Natürlich kam –
bedingt durch die LOKALRUNDE 2015 – auch das Gespräch auf den TV
Echterdingen und dessen Philipp Wunsch. Hätte ich geahnt, dass Ebbo
Braun anwesend ist, hätte ich natürlich meinen Echterdingen-Schal
mitgebracht und ein schönes Foto für den TVE geschossen.
Nun,
den SC Opel Rüsselsheim kenne ich aus der Regionalliga Süd,
allerdings aus dem männlichen Pendant der Jahre 1965 bis 1972, was
damals immerhin die zweithöchste Spielklasse der Bundesrepublik war.
Der 1906 gegründete Verein war sogar vor dem Krieg in der ersten
Spielklasse anzutreffen und kann mit Fug und Recht als
Traditionsverein angesehen werden. Frauenfußball wird indes seit
1995 gespielt, und in dieser kurzen Zeit ihres Bestehen haben die
Fußballerinnen Höhen und Tiefen durchlebt. Letztes Jahr erfolgte
erstmals der Aufstieg in die Regionalliga, nachdem Hessenmeister SV
Gläserzell sein Aufstiegsrecht nicht wahrnahm.
Für
die Gelb-Schwarzen vom Main ist diese Liga naturgemäß ein
ungewohntes Feld, begannen die Saison mit vier Niederlagen in Folge.
Nach Derendingen fuhren sie jedoch wieder mit 2 Siegen im Nacken an
die Steinlach, und es war zu erwarten, dass sie diesen Schwung auch
heuer mitzunehmen gedachten.
Trotz
dieser für meinen TVD angespannten Lage ließen es sich die
Kickerinnen nicht nehmen, der Bitte Tschumles zu entsprechen und mit
mir vor dem Anpfiff für ein Mannschaftsfoto zu possieren. Für mich
eine große Ehre und Freude – wer darf sich denn sonst schon mal
mit einer richtigen Regionalliga-Mannschaft ablichten lassen?
Erwartungsgemäß fanden die Partien des Super-Sonntags auf dem Kunstrasen des TVD statt. Derendingen legte auch gleich mächtig vor, machte Druck und setzte diel Opel-Elf gleich mächtig unter Druck. Die erste Hälfte, das wage ich dann doch auch mit rot-weißer Brille zu behaupten, war eindeutig die Hälfte der Derendinger. Jedoch – lag es am Druck, punkten zu müssen oder der Tatsache, dass mit Tina Wurster die Knipserin in der Spitze fehlte – es gelang einfach nicht, den Ball im Tor von Elena Jaeschke unterzubringen. Zu viele Chancen wurden schlicht verschenkt.
Ein kleiner Schritt zu spät. Zu viele Chancen wurden asugelassen. |
Geschenkt würde Derendingen nichts erhalten, aber im Gegenzug muß wohl die südländische Gastfreundschaft zugeschlagen haben. In der 42. Minute geht Rüsselsheim durch einen quasi im wahrsten Sinne des Wortes geschenkten Treffer zu meiner Überraschung in Führung. Lautstarker Jubel der Gästebank, und ohrenbetäubendes Gejaule einer Handsirene, die Gästefans aus der Opelstadt mitgebracht hatten.
Jubel bei Rüsselsheim (Bildmitte). Die Handsirene im Einsatz |
Pausentee an der Eckfahne |
Es begann das Rennen gegen die Zeit, aber leider zu spät. Die ausgelassenen Chancen zur 1. Halbzeit wurden jetzt bitter bereut. In dieser Sturm- und Drangphase erzielte das Heimteam einen Treffer, der jedoch nicht anerkannt wurde. Schiedsrichterin Sandra Bausch erkannte nach Rücksprache mit ihrer Assistentin auf Abseits, eine Entscheidung, die zumindest diskussionswürdig ist.
Aus. Die Punkte gehen mit nach Rüsselsheim. |
Weiter ging es aufs Rüsselsheimer Tor, vieles wurde schlicht probiert, quasi übers Knie zu brechen, und Angriffe versandeten dann einfach im Mittelfeld. Erst mit dem Anschlußtreffer in der 82. Minute durch Anja Sailer legten die Südstädterinnen die Hektik ab und gingen zielstrebiger vor. Aber das verdiente 2:3 durch Stephanie Tweer kam in der 88. Minute zu spät. Fairerweise kann man sagen, dass ein Unentschieden beiden Mannschaften gerecht gewesen wäre, letztendlich aber für den TV Derendingen aber auch keine Ausbeute erbracht hatte. So stand der eine Punkt auf der Plusseite, und der Abstand zum rettenden 9. Platz beträgt 11 Punkte - eine sauhohe Hypothek in einer Zwölferliga. Die einzige Belohnung, für die sich das Team natürlich nichts kaufen kann, war die Tatsache, dass die ca. 150 Zuschauer eine hochklassige Partie zu Gesicht bekamen. Es gab zwar einige Unterbrechungen, insgesamt war das Regionalligaspiel jedoch sehr fair, wofür eine einzige gelbe Karte ein exemplarisches Zeugnis geben kann. Wenn man mich fragt, eine sehr gute Werbung für die Frauen-Regionalliga.
Lief es bei den Männern, die ja ebenfalls dringend 3 Punkte benötigten, besser? Dort hat mittlerweile Jörg Junger das Traineramt von Peter Kaschuba übernommen, der jedoch wie gesagt die Gästeelf des TSV Gomaringen betreut. Ich witzelte für mich selbst, er möge nicht aus reiner Gewohnheit die Mannschaften verwechseln.
Beinahe das 1:0 - doch leider zu viel Rugby im Schuß. |
Die Bank des TSV Gomaringen mit Peter Kaschuba. |
Mittlerweile verschwand die Sonne hinter dem Horizont, und die Temperaturen passten sich zunehmend dem November an. Vor dem Abpfiff der ersten Dreiviertelstunde wechselte ich gemütlich zur anderen Seite hinüber und wäre beinahe noch Kamerazeuge des Führungstreffers geworden.
Wie in alten Tagen: Ebbo Braun und Peter Kaschuba. |
Ein gewohntes Bild gab es bei Rückkehr der Spieler aufs Feld, als Ebbo Braun und Peter Kaschuba miteinander redeten. Fast wie in alten Zeiten bei meinem ersten Besuch, als beide gleichberechtigte Trainer des TV Derendingen waren. Währenddessen ging der Sonnenstand langsam von Dämmerung in Dunkelheit über, an fotografieren war nicht mehr zu denken, und so muß sich der geneigte Leser meines Blogs mit meinen prosaischen Schilderungen begnügen. Da ich aber vom Zwang, Bilder knipsen zu müssen, befreit war konnte ich zumindest Susanne Dölcker anständig einen guten Tag wünschen.
Keine "Special Effects" sondern einfach zu dunkel zum knipsen. |
Es ist vollbracht: 3 wichtige Punkte für die Steinlach-Elf |
Ehe es zum gemütlichen Teil überging - und ich blieb wieder länger als ursprünglich geplant - durfte ich mal erleben, wie das Ehrenamt nach Spielende arbeitet, denn Tschumle war damit beschäftigt, in der Geschäftstelle Spielberichte einzupflegen. Dann, ja aber dann, ging es endgültig ins Sportheim, dem Maultaschentempel des Südens, wo man noch vom Bökelberg träumen darf und man als Gast immer sehr zufrieden ist. Lediglich Inhaber Martin Weber zeigte eine kleine Enttäuschung: "Ja wie, keinen Schottenrock?" Meine Marotten hatten sich also bereits nach Tübingen rumgesprochen, allerdings hatten meine konservativen Beinkleider keinen Einfluß auf die Gastfreundschaft vor Ort, und da der TV Derendingen 3 Punkte holte, ward mir auch hier erneut Freigetränke offeriert. Diese südländische, herzliche und nie gespielte Gastfreundschaft der Derendinger ist wahrlich unerreicht. Auch der jetzige Gäste- und vormalige Heimtrainer Peter Kaschuba genoß noch Speis' und Trank an der Steinlach.
Nachdem ich nochmal einen Zug saußen ließ, trennte ich mich dann doch mal schweren Herzens, aber die lange Irrfahrt durch die Nacht darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen, was die Durchsagen eines angefressenen Lokführers bestätigten. Ich selbst hingegen versprach eine Rückkehr. Dann jedoch in voller Montur, sprich Schottenrock und Tropenhelm, und dann hoffentlich zu einem 6-Punkte-Super-Sonntag.
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