Montag, 13. Oktober 2014

"Hörat doch uff mit d'r ewige Bruddelei!" - Normannia Gmünd gegen VfL Nagold


Entspannter Samstagnachmittag im Schwerzer?

Zugegeben: Schön war es nicht, was die heimische Normannia am Samstag aufs Parkett legte. Aber ist es nicht sinnvoller, einen Arbeitssieg einzufahren, als in Schönheit zu sterben? Erleichternd kommt zwar gewiss dazu, dass man hinterher immer schlauer ist, aber so ein Gebruddle wie zum Pausenpfiff war wahrlich zu viel Kritik. Für die Leser, die nicht mit der Gnade Gottes gesegnet  und des Schwäbischen unkundig sind: ein "Bruddler", das ist ein "Nörgler, Schimpfer, Meckerer" und meistens einer, der es sowieso immer besser weiß. Vielleicht erinnert sich ja jemand an den Film "Das Wunder von Bern" von Sönke Wortmann, wo zu Beginn so ein Bruddler beim Training von Rot-Weiß Essen ähnlich ins Spielfeld schimpft, um dann sogleich von Helmut Rahn per Kopfschuß zum Schweigen gebracht zu werden. Ja, und solche Bruddler bevölkern nun mal auch die Spielfelder im Schwabenland, und das Normannia-Stadion ist ein echtes Habitat dieser Zeitgenossen, bis es meinen Begleiter irgendwann einmal zu bunt wurde und zum Zornausbruch führte: "Hörat doch uff mit d'r ständige Bruddelei!"

Unermüdlich, auch bei Regen:
der "12. Mann".
Es war ein naturtrüber Samstag, herbstlich verregnet, und eigentlich war ich völlig unpässlich und hätte lieber geschwänzt. Wäre ich nicht noch am Freitag Gaetano Molinari über den Weg gelaufen - da kann man sich ja eigentlich schlecht der Pflicht entziehen, oder?

Etwas Trist war es auch im Vereinsheim, denn es wurde ein Pächterwechsel vollzogen. So wirkten die Wände ungewohnt leer, und die neuen Pächter öffneten nur provisorisch, um beim Heimspiel eine Bewirtung anbieten zu können. In Anbetracht der Umstände wurde dieses Provisorium gut gelöst, und da fallen fehlende Zitronen im Hefeweizen nicht weiter ins Gewicht. Offizielle Eröffnung soll am
15. Oktober stattfinden, und ich wünsche hierzu schon mal alles Gute.



Vorteilhaft erweist sich für mich, noch vor Fußballbereichsleiter Heinz Eyrainer die Mannschaftsaufstellungen erhalten zu habe, was er durchaus anerkennt. "Ist doch ein tolles Team, dass der Coach ins Rennen schickt", sage ich etwas zu selbstbewußt. Schließlich rechne ich mich ja nicht zu den 80 Millionen Bundestrainern. Die Aufstellung verdankte ich übrigens Nico Schoch vom Fanclub "12. Mann", der heuer auf Krücken ins Stadion hinkte. Keine Ahnung, was der Kerl angestellt hat, aber als echter Fan kriecht man eben notfalls noch auf den Brustwarzen zu seinen Verein.

Nicht gerade Trist, aber etwas Kohlefarben war das Mannschaftsdress meiner Normannia, die in einem ungewohnt anmutenden schwarz-grau gestreiften Dress auflief. "Da können wir ja heute gar nicht 'Come on your boys in red' singen" - "Dann vielleicht 'here comes the men in black'?" Ich weiß: das sind Erste-Welt-Probleme, die man nur als Fußballfan verstehen kann. Im Gegenzug wirkt Nagolds Keeper Gusenbauer, als wäre er als Kind in den Kessel mit Leuchtfarbe gefallen. Auch die Amateurfußballszene kennt ihre Modefragen.

Man in Black: Tobias Ex.
Unter den knapp 300 Zuschauern, die sich ins Normannia-Stadion verirrten, befand sich als besonderer Gast RB-Leipzig-Trainer Alexander Zorniger, der seiner alten Wirkungsstätte einen Besuch abstattete. Das fiel umso mehr auf, als meines Wissens zum erstenmal im Schwerzer der Name RasenBallsport Leipzig richtig durchgesagt und nicht als RedBull Leipzig verballhornt wurde.


Über den Gegner VfL Nagold läßt sich aus Sicht der Normannia-Historie sehr wenig sagen - traf man in einem Ligavergleich doch erstmals 2013/14 in der Verbandsliga aufeinander. Zum erstenmal übrigens ebenfalls im Oktober im Schwerzer, und damals siegte Normannia mit 2:0 über die Kicker vom Schwarzwald-Rand. Überbezirklich tauchten die Fußballer erstmals 1957 mit dem Aufstieg in die 2. Amateurliga, Staffel 4 auf, wo man auf Mannschaften wie der TSG Balingen, dem FC Tuttlingen, SC Schwenningen oder FV Rottweil traf. 1960 standen sie dort mit 9:47 Punkten ziemlich abgeschlagen auf den letzten Platz und hätten eigentlich in die A-Klasse zurückkehren müssen, wäre nicht die Schwarzwald-Bodensee-Liga eingeführt und der Abstieg ausgesetzt worden. So behielt die Mannschaft die Spielklasse, in der sie sich immer mehr Recht als Schlecht schlug. Der 7. Platz 1961/62 war die beste Platzierung in der damals vierthöchsten Spielklasse, aus der der VfL dann im Bundesligajahr 1963/64 mit 32:100 Toren und 8:48 Punkten endgültig abstieg. Den Sprung in die 1. Amateurliga Württemberg hat Nagold indes nicht geschafft, dies war wie oben erwähnt dem Verbandsligaaufstieg 2013 vorbehalten.

Aber zurück in die Gegenwart. Kurz vor Spielbeginn hörte es auf zu regnen, was eigentlich immer zum Vorteil gereichte. Die erste Halbzeit war allerdings tatsächlich geprägt von viel Kampf einerseits, ordentlich Krampf andererseits. Beiden Teams wollte nichts passables gelingen, und hinterher machte das Wort eines Fehlpass-Festivals die Runde. Das Herz blieb stehen, als Magnus Burkhardt bereits geschlagen war, aber Jochen Baß seinem Keeper die Treue und vor allem das Tornetz sauber hielt. Gut, an dieser Stelle hatte ich schon ein wenig Verständnis mit dem Gebruddle, aber kurz vor dem Seitenwechsel fing man an zu wünschen, ein knallharter verirrter Ball würde das Gemaule zu meiner Linken etwas dämpfen.












Eine torlose Halbzeit war jetzt sicherlich nicht das Schlimmste, Besorgnis bleibt nur zurück, weil man weiß, das ein simpler Konter des Gegners die Mannschaft in Rückstand geraten lassen kann.
Und so verfolge ich mit Interesse, was in den letzten 45 Minuten auf mich zukommen wird. Nach dem Seitenwechsel steht jetzt Nagolds Keeper direkt vor uns, und diese Platzwahl ist perfekt, denn verstärkt greift Normannia die Gäste an, auch wenn es wieder einmal am Abschluß hapert. Denn gar nicht lange, es ist die 53. Minute, da geht Normannia durch Marvin Gnaase in Führung, als dieser in einer Eckballsituation aus vollem Lauf abzieht!

Gell, da guckst! 1:0 für Normannia.

Gmünder Jubelknäuel.

Torjubel und ehrliches Aufatmen, ja, Erleichterung breitet sich bei mir aus. Der Schwabenstreich kam gerade zu rechten Zeit. Allerdings kam der VfL die weite Fahrt von Nagold in den Schwerzer nicht, um kampflos die Punkte zu überlassen, und so bleibt die Aufregung in diesem durch Fehlpässe und Mittelfeldtendeleien geprägten Spiel nach wie vor groß. Magnus Burkhardt im Gmünder Tor zeigte mehr als einmal seine Klasse.

Und dann kam die 88. Minute: da wird Gnaase im Strafraum gefoult, und Schiedsrichter Jens Neuffer aus Schramberg zeigt auf den Punkt.

Andreas Gusenbauer in Nagolds Tor ahnt, was jetzt kommt.
Der Elfmeter ist ein Fall für Guiseppe Catizone. Gusenbauer ahnt zwar die Ecke, aber die Schwerkraft hält ihn am Boden - 2:0!

Catizone tritt an, Gusenbauer ahnt die Ecke ....
.... die Schwerkraft ist auf unserer Seite...


.... und der Ball landet im Tornetz. 2:0!

Spielnachbetrachtung zwischen
Beniamino Molinari und Mario Gold.
Bei diesem 2:0 blieb es dann auch - war nicht schön, aber schön. Drei wichtige Punkte, keine Frage. Auch Fußballvorstand Mario Capezzuto strahlte sichtlich zufrieden, und Co-Trainer Veselko Karačić konnte sich ebenfalls zu einem lächeln hinreissen, derweil Coach Beniamino Molinari in der Spielnachbetrachtung mit Normannia-Fan Mario Gold steckte. So familiär ist halt Normannia.

Scheint zufrieden: Co-Trainer Veselko Karačić









Nico Schoch und Cornelius Röhrle
auf dem Weg zur Pressekonferenz.





Alles in allem schrie der Fußballtag nach einer kleinen Nachfeier im provisorischem Mannschaftsheim. Während die Mannschaft vom VfL Nagold recht bald die Heimreise antrat, entkam in den Katakomben des Normannia-Stadion Claus "Bredi" Breitenberger einer haartechnischen Veränderung zum schwäbischen Yul Brynner.

Und zu angerückter Stunde erscholl dann noch tatsächlich ein "We love Normannia" am Tresen, herausgeschmettert von unseren Brummbässen. Aber das sollte auch nur ein kleiner Vorgeschmack sein auf das Heimspiel gegen den FC Wangen in 14 Tagen. Denn dann kommt unser Meistersänger aus St. Pauli - Marco Köster - wieder zur Verstärkung in den Schwerzer-Rund!




Und die Moral von der Geschicht? Oktober + Schwerzer + VfL Nagold = 2:0 für Normannia. So war das 2013, und so ging es auch 2014 aus. Das ist die Gnade, dass die beiden Teams so selten in Ligaspielen aufeinander trafen

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