Abstoß für die Gäste. Zumindest in der ersten Hälfte war der Ball ein Albstädter. |
„Noi, Karle, froag den net! Des isch a Fußballfan, der isch bestimmt besoffa!!“
Ungelogen,
solch‘ einen Satz bekam mein Kumpel Mario zu hören, als er auf dem Marktplatz
in Schwäbisch Gmünd mit einem Normannia-Schal um den Hals im Bus umsteigen
mußte. In der Tat fällt man in der eigenen Heimatstadt dermaßen auf, wenn man
sich als Fan des heimischen Amateurvereines öffentlich mit einem Schal outet.
Auch mir
ging es ähnlich, wenn auch nicht so drastisch wie bei Mario, als ich mich am Samstag zeitig ins
Normanniastadion zum ersten Heimspiel des Jahres 2015 aufmachte. Zu Gast der
einzige Verein der Verbandsliga, dem ich eine gewisse Sympathie entgegenbringe:
der FC 07 Albstadt. Zu gerne erinnere
ich mich an die Mammutzugfahrt Richtung Ebingen zurück, die ich für den Erwerb
einer FCA-Tasse auf mich nahm und auch heute noch unangefochten die
meistgelesene Story des Spätzleskick ist.
Auch der
Gmünder Edelfan und Botschafter des Amateurfußballs, Claus „Bredi“
Breitenberger ist immer wieder gerne mal beim FC Albstadt zu Gast. Im Gegenzug
honorierten seine Freunde des FCA ihren Besuch am Samstag mit einer
mitgebrachten Flasche Lehner-Bier, das im Albstadion kredenzte Stadionbier der
Lehner-Brauerei.
Dabei war
die Ausgangssituation alles andere als reif für Nettigkeiten zwischen den
Vereinen. Sowohl Normannia, nach dem erkämpften 2:2 in Berg in der Vorwoche,
als auch der FC Albstadt, der bis dahin seit 4 Spielen auf einen Sieg wartete,
steckten Mittendrin im Abstiegskampf. Vor allem der Abstand zum vermuteten
Relegationsplatz lag in unangenehmer Sichtweite.
Beim FCA tat
sich in den letzten Wochen einiges. Torhüter Marc Heckendorf verließ seinen
Verein aus Studiengründen, und Albstadts Coach, Ex-Bundesligaprofi Markus
Pleuler, kündigte an, den Verein zum Jahresende zu verlassen. Doch dies hindert
ihn natürlich nicht, sich mit voller Gewissenhaftigkeit in die Vorbereitung des
Auswärtsspiel im Schwerzer zu stürzen.
„Wenn du dasSpiel schnell machst, tut sich da die eine oder andere Lücke auf“, wurde Pleuler
im Schwarzwälder Boten in Bezug auf die Qualität der Normanniaabwehr zitiert. Ganz so Unrecht hat er ja da nicht. Oft genug sehe ich da in meinem inneren Auge die Bordkapelle der "Titanic" im eigenen Strafraum aufziehen, um traurig-schaurige Choräle zu spielen.
Im Gegenzug beachtete
man im Normannenlager die Tatsache, dass der FCA oftmals in den Schlußphasen
seine Gegentore kassierte. Der FCN wiederrum, so viel Statistik sei mir
gestattet, ist bei seinen Fans gefürchtet und berüchtigt, die ersten 45 Minuten
eines Spiels total zu verpennen: würde ein Spiel nur 45 Minuten dauern, der FC
Normannia wäre souverän auf dem vorletzten Platz, nur der FC Gärtringen weist
eine schlechtere 45-Minuten-Statistik auf. Aber die Fußballgötter hatten 1865
in ihrer Weisheit beschlossen, das nicht nur der Ball rund zu sein hat, sondern
ein Spiel auch 90 Minuten zu dauern habe, was die Tabelle für den FCN
wesentlich freundlicher gestaltet.
Von der
Ausgangssituation und der Qualität beider Mannschaften versprach der Samstag
eine muntere und spannende Fußballpartie zu werden. Das Wetter war auf der
einen Seite schon ordentlich zugig, um einen Nachmittag hinter einer Bande im
Schwerzer zu stehen. Auf der anderen Seite bestand kein Grund darin, ein
angebliches schönes Wetter vorzuschützen.
Denn um den Samstag in der Sonne zu verbringen anstatt den FCN zu unterstützen,
nein, die Möglichkeit bestand eigentlich nicht. Dennoch war ich vom „Zuschauerandrang“
meiner Gmünder enttäuscht.
Fahnenschwenken zur Begrüßung. |
HEY, IHR NAZARENER! HIER IM SCHWERZER SPIELT DOCH EIN GEILER
VEREIN! MERKT IHR DAS DENN NICHT?
Timo Zimmer am Ball. |
Nun gut,
bekanntlich gilt ja der Prophet im eigenen Land nichts, und warum soll es denn
im Fußball anders sein? Wenn schon keine Zuschauermassen wie auf dem
Petersplatz in Rom, so verkündete derweil unser Würstchengrill in seiner
Rauchentwicklung „Habeum Papam“ seinen harrenden Wurstproduktgäubigen. Ich
jedoch bevorzugte den trockenen Wecken mit ein paar Spuren Senf und verfolgte
das Geschehen auf dem Rasen mit ansonsten knurrenden Magen. Wird endlich Zeit,
dass es im Schwerzer eine Gulaschkanone mit frischem Gaisburger Marsch gibt –
das wäre mal ein freundliches „Hallo“ an meinen treuen Magen! Verzichten mußte
man hingegen auf die Anzeigetafel, die von der Fangruppe „12. Mann“ ein neues
Erscheinungsbild erhält und deutlich aufgepeppt wird.
Musa Ayaz |
Das einzige,
was am Normanniaspiel rund lief, war der Ball, und in der 22. Minute war es
unser Keeper Konstantin „Kiki“ Kühnle, der mir die Zehennägel zum hochklappen
brachte. Ein Ball - um nicht zu sagen: der Ball schlechthin –kam in den
Strafraum geflogen und hätte wohl ein sicheres Zuhause in den Händen des
Keepers gefunden. Aber Kiki faustet ihn hinaus, nimmt aber zu viel Rücksicht
auf das Wohlbefinden des runden Leders, so das statt eines mächtigen
Rausklopfers der Ball seine Stippvisite im Strafraum fortsetzte, von Simon
Fröhlich auch noch unnötigerweise versucht wurde, zu Kühnle zurückzuköpfen.
Aber vielleicht war das gar nicht Konstantin Kühnle, sondern Albstadts Akbaba, der sich wahrscheinlich
über diesen Ball zu Tode erschreckte und ihn im Schreck ins Tor schwurbelte.
„Du spielst wie meine kleine Schwester!“ – „Ja, Du spielst wie ich!“ – Der unnötige, aber aus Sicht der Gäste völlig verdiente Rückstand lähmte die ansonsten sturmerprobten Normannen zusätzlich und ließ sich nur noch mit Ironie ertragen. Aber es kam noch schlimmer. Während die Normannen das Fußballspielen verlernt zu haben schienen, drehte der FCA auf, und in der 36. Minute verwandelte Dicklhuber einen Freistoß aus 20 Metern im Netz – 0:2! Die Anzeigetafel wußte gar nicht, wie gut es ihr ging, Spielfrei zu haben.
„Könnt Ihr
euch denn nicht benehmen“ frotzelte ich zu einem Ersatzspieler der Albstädter
vor mir, „Ihr seid hier schließlich nur zu Gast“. Doch er konterte gekonnt und
schlagfertig: „Aber wir benehmen uns doch und haben nur 2 Tore geschossen“.
Aufopferungsvoll
wurde das Team angefeuert, besser wurde das Spiel jedoch nicht, eher ruppiger.
Als Konsequenz nimmt Beni Molinari noch in der ersten Hälfte Timo Zimmer vom
Platz, bevor der Schiedsrichter aus Heilbronn ihm diese Aufgabe abgenommen
hätte.
Die Anzeigetafel mag schon nicht mehr hinschauen. |
Gehen in
diesem Spiel bei Normannia die Lichter aus? Niemand, und ich schwöre Stein und
Bein, niemand rechnete in diesen rabenschwarzen Schwerzerminuten mit einer
Verbesserung des Normanniaspiels. „Ideenlos, verschlafen, Kraut und Rüben“. Das
waren die freundlichen Kommentare der Einheimischen hinter der Bande. Wenn
wenigstens die Wurst gut gewesen wäre. Nur auf das Lammbräu und Helene Fischer war verlass, die in der Halbzeit ihr "Atemlos durch die Nacht" über den Schwerzer trällerte.
Nur noch 1:2 dank Ex. |
Kein durchkommen. |
Kopfball zum Ausgleich - 2:2 |
Kleiner geschlagen - 3:2 für Normannia |
Die in
Unterzahl spielende Gästeelf wehrte sich tapfer, aber Normannia, frenetisch von
so alde Seggl wie mir angefeuert, ging jetzt auf Sieg. Welch’ eine Wendung in
dieser Partie. Nach 75 Minuten dann ein Abstaubertor von Manuel Seitz, was
erstmals die Führung brachte. 3:2, wer hätte das nach der ersten Halbzeit
gedacht.
Unser
Fan-Dreigestirn wechselte seinen Standort hinter dem Tor und machte eine
strategische Flankenbewegung zur Tribüne, um das Spielende von dort überschauen
zu können. Das 4:2, ein klassischer Konter in der Nachspielzeit von Marvin
Gnaase im Gästegehäuse versenkt, ging im allgemeinen Jubel unter. Zuvor sah
FCA-Recke Kevin Dicklhuber noch Gelb-Rot.
Duell der Torhüter im Normannia-Strafraum. |
Große
Erleichterung machte sich bei allen breit, denn Albstadt hätte in der 1. Halbzeit den Sack locker zumachen können. Dann hätte es "Klappe zu, Affe tot" geheißen, statt "Gentlemen, es war mir eine Ehre, mit Ihnen dieses Spiel erleben zu dürfen". Normannia erkämpfte sich 3 wichtige Punkte, und da sich Olympia Laupheim einen Ausrutscher erlaubte, beträgt der Abstand zum vermutlichen Relegationsplatz wenigstens 6 Punkte.
Wie wichtig dieser Sieg ist, zeigt sich mit unserem nächsten Gegner, dem Tabellenführer FSV 08 Bissingen, der nun schon seit 12 Spielen in Folge ungeschlagen ist. Wenn nur nicht immer diese verfluchte erste Halbzeit wäre. Kann man denn nicht erst in der 46. Minute mit dem Spiel beginnen?
Im Vereinsheim wurde noch intensiv mit dem Trainer und einigen Spielern über den Spielverlauf diskutiert. Andere Gäste waren schon wieder abgelenkt vom Geschehen auf dem TV-Bildschirm und umjubelten den VfB Stuttgart, der der Eintracht aus Frankfurt zeigte, wie Schwaben Tore schießen können. Mir war das einerlei, denn mein Verein blieb heute Sieger.
Claus-Jörg Krischke und "Maestro" Werner Hettinger. |
"Wir sind Normannia" - so hieß es dann noch am Abend durch Werner Hettinger, dem Künstler aus Wäschenbeuren, mit dem man sich immer herrlich über den altehrwürdigen Traditionsverein FV 98 Zuffenhausen unterhalten kann. Denn der "Maestro" überreichte ein für Renate und Claus-Jörg Krischke gewidmetes Bild an den Spielleiter des FCN.
Zum Schluß bat ich Bredi zu einem zitierfähigen Kommentar zum Spiel. Nach kurzem Überlegen antwortete er: "So ist halt Fußball. Mit dieser Aussage darfst Du mich zitieren", womit meine Chronistenpflicht hiermit erfüllt ist.
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