Bettringer Überflieger |
"Ich gehe zur SG Bettringen Fußball gucken" - dies ist wohl der einzige Satz, der bei meiner Frau in Bezug auf Fußball Neidgefühle erwecken kann. Denn seit die Bettringer Kicker 2014 ihre Hüllen fallen und auf einem großen Transparent (fast) nackte Tatsachen sprechen ließen, bekommt meine bessere Hälfte geradezu einen Pawlow'schen Speichelfluss, wenn man "Bettringen" in Zusammenhang mit "Fußball" erwähnt.
Wie auch immer, um aus den Winterschlaf zu erwachen brachte das sonntägliche Wetter dem Amateurfußball im Ländle die besten Rahmenbedingungen - den Rest mußten die Akteure auf dem Rasen respektive überwiegend noch Kunstrasen erledigen. Mein Kumpel meinte zumindest, es wäre mal wieder Zeit für einen original schwäbischen Spätzleskick, und in der Nachbarschaft bot sich regelrecht die Landesligapartie des Liganeuligs Bettringen gegen Calcio Leinfelden-Echterdingen an. Bargau spielte auswärts, und in Waldstetten war ich schließlich schon zweimal in jüngster Vergangenheit. Zudem wollten wir mal überprüfen, ob Ex-Normanne Benjamin Klement auch gut von seinem neuen Club behandelt wird.
"Du kommst hier net rein" |
So hieß es, in der Anlage ein sonniges Plätzchen zu suchen und zu warten, dass der Kiosk sein flüssiges Gold herausrücken würde. Calcios sympathischer Trainer Clemente Peccerella leistete uns sogar ein Weilchen Gesellschaft und hielt ein kurzes Pläuschen mit uns, bis er seinen Spielern die wichtige Anweisung geben mußte: "Jungs, das ist jetzt aber die letzte Zigarette!"
Die SG Bettringen kann ihre Vereinsgeschichte auf das Jahr 1885 zurückverfolgen, allerdings betrifft das die Turnabteilung, die ehedem als Turnverein Unterbettringen eigenständig war und sich nur mit anständigen Spielarten der Körperertüchtigung beschäftigte, als den proletenhaften Fußball.
Auch die Fußballabteilung war einst ein eigener Verein, der 1926 als 1. FC Oberbettringen ins Leben gerufen wurde und erfolgreich auf Punktejagd ging. Zwar war damals im Landkreis Gmünd die Normannia das Nonplusultra und die DJK lockte zu den Meisterschaftsspielen das Publikum nach St. Katharina, aber die Oberbettringer schloßen beharrlich zu den Platzhirschen der Umgebung, wie Schwaben Heubach, Eintracht Unterböbingen oder Teutonia Rechberg auf.
1932/33 erfolgte der Aufstieg in die A-Klasse. Auf den Weg dorthin erlaubte man sich sogar eine 1:2-Heimniederlage gegen den Lokalrivalen Germania Bargau, was ich nur deswegen erwähne, da dieses Derby auch heuer in der Landesliga wieder stattfand und ebenfalls mit einem Tor Unterschied (2:3) für die Bargauer endete. Aber vielleicht ist ja dieser Rückblick ein gutes Omen für den Verein?
1938 folgte das, was auf der Homepage knapp als "Verschmelzung" umschrieben wird: Die Fusion von TV Unterbettringen und 1. FC Oberbettringen zur Sportgemeinde Bettringen, wobei auch hier wie Andernorts die Vereinspolitik der Nationalsozialisten ("ein Ort - ein Verein") die Haupttiebfeder gewesen sein dürfte. Geschadet hat die Vereinigung dieser beiden unterschiedlichen Sportvereine offenbar nicht. Sportlich erfolgreich kann sogar das Jahr 1940 angesehen werden, als sich die SG Bettringen für die 1. Hauptrunde des Tschammer-Pokals in Württemberg qualifizierte. Das dicke Los brachte den damaligen Erstligisten VfR Aalen an den Strümpfelbach, dieser ließ den Bettringern allerdings keine Chance und erteilte ihnen am 16. Juni 1940 mit 9:2 eine Gratislehrstunde.
In der Nachkriegszeit spielten die Bettringer mit unterschiedlichen Erfolg in den Kreisklassen, und wiewohl auch hier die Fünfzigerjahre "Goldene Fußballjahre" waren, so kam die große Zeit des Gmünder Stadtteilclubs - 1959 wurde Bettringen in die Stauferstadt eingemeindet - in den Sechzigerjahren.
Für insgesamt 3 Jahre 1962/63 und 1967-1969 gehörten die SGB der 2. Amateurliga an, was durchaus mit der heutigen Landesliga vergleichbar ist. Von den heutigen Lokalrivalen in der Landesliga können das immerhin weder Waldstetten noch Bargau von sich behaupten.
Gleich im ersten Jahr ging es für die Bettringer wieder zurück in die A-Klasse und zahlte erstmal nur Lehrgeld, wobei es mit 4 Absteigern auch einen verschärften Abstieg gab. Immerhin ertrotzte man dem VfR Aalen ein 2:2 ab, was ja auch etwas heißen soll. 1967/68 legte sich der Neuling mächtig ins Zeug und wurde sensationell Vizemeister hinter dem SV Göppingen, der allerdings 10 Punkte Vorsprung besaß. Von den namhaften Gegnern seien neben Göppingen (2:3 und 1:1) der VfR Aalen (4:1 und 4:1), VfL Kirchheim (6:6! und 1:1) der SV Hussenhofen (5:2 und 3:0) oder die TSG Ulm 1846 (0:2 und 2:2) erwähnt.
In der Folgesaison stieg Bettringen wieder in die A-Klasse ab und ward nicht mehr gesehen. Dabei kämpfte man lange vergebens gegen den Abstieg. Eine 2:7-Heimniederlage gegen den TSV Blaubeuren schmerzte dabei ebenso sehr wie 0:5 in Thalfingen. Immerhin ärgerte man den emporsteigenden SV Rehnenhof, der am Strümpfelbach mit 2:3 den kürzeren zog und im Rehnenhof nur zu einem 1:1 kam. In der "Ewigen Tabelle" sämtlicher Zweitamateurligastaffeln steht man immerhin vor Vereinen wie Union Böckingen oder dem Heidenheimer SB.
In den Folgejahren waren die Bettringer die typische Mannschaft für die Ligen auf Bezirksebene, ehe sie in der vergangenen Bezirksligasaison mit 69 Punkten Meister vor dem SV Ebnat wurden und in die seit 1978 bestehende Landesliga aufstiegen. Hierbei kam es zu den oben erwähnten nackten Tatsachen während der letztjährigen Landesgartenschau und der kuriosen Situation, das zum ersten Mal mit Bargau, Waldstetten und Bettringen 3 Vereine aus dem Altkreis Gmünd in der Landesliga antreten.
Bislang verläuft die Saison allerdings sehr verwachsen, und in einer Liga die scheinbar nur aus tauglichen Gegnern besteht, ist das Ziel Klassenerhalt nich so einfach zu erreichen.
Wie der Zufall es so will, sind nicht nur die SGB-Farben Rot-Schwarz, sondern ich habe auch meine schwarz-rote Fahne dabei, die sonst zu Normanniaspielen zu Ehren kommt, was mir bei Stadionsprecher Matthias "Matze" Rueff gleich Pluspunkte beschert. Als Gmünder müssen wir halt zusammenhalten, Vereinsrivalität hin oder her, und wer wie Normannia in den altwürttembergischen Farben Schwarz-Rot spielt, der kann kein schlechter Club sein.
Das Spiel selber wurde auf dem Kunstrasen geleitet, der allerdings ein "echter" Kunstrasen ist und nicht wie z. B. im Schwerzer ein kompletter Hartplatz - allerdings muß Bettringen seine Spielfläche auch nicht wie die Normannia mit einer Hockeyabteilung teilen.
Ungünstige Perspektive, aber schöne Farben |
Vor dem Spiel möchte ich gerne die Zaunflaggen fotografieren, was aber gar nicht so einfach ist. Ein
Später zog die Karawane noch weiter in Richtung Trainerbank. |
VIP-Lounge |
Die Bettringer spielten heuer ganz in Schwarz, Calcio in Azzurri. Das schöne Wetter lockte zudem noch 150 Zuschauer zur Partie, wobei es durch die Enge des Raumes gefühlt doppelt so viele waren. Der Vorteil am Bettringer Kunstrasenplatz ist zudem die "englische Nähe" zum Spielfeld, was mir zumindest immer ein besonderes Fußballgefühl gibt.
Als Zuschauer mittendrin - Das ist Amateurfußball! |
Die Bettringer begannen engagiert und man merkte keine Frühjahrsmüdigkeit an. Der Schiedsrichter aus der Gruppe Schorndorf begann auch recht früh, das Spiel nicht aus dem Ruder laufen zu lassen, was ihm auch zumindest in der ersten Hälfte gut gelang. Dennoch blieb der Spielfluß vor den jeweiligen Toren meiner Meinung nach gehemmt und leicht tapsig. Faustdicke oder wenigstens daumendicke Torchancen waren in der ersten Dreiviertelstunde schlichtweg Mangelware, was mir vor allem natürlich für die Bettringer schmerzte. Bezeichnenderweise bestand die beste Tormöglichkeit aus einem Fair-Play-Rückpass von Benjamin Klement, was bei etwas Zugluft durchaus zu einem ungewollten Führungstreffer hätte werden können.
Hat die Haare schön... |
Tosun Kaan |
Das Echterdingens Nummer 5 der "Eyecatcher des Tages" ist, läßt sich schwer verleugnen. Aber auch auf dem Spielfeld setzt er Akzente, das muß man fairerweise eingestehen und ihn nicht nur aufs Aussehen reduzieren. Auch wenn es in diesem Falle zugegeben schwer fällt.
Bei Rückkehr aufs Spielfeld signalisiert Benjamin Klement auch Optimismus, nach unserer Meinung durchaus berechtigt, war Bettringen bislang zwar nicht dominierender, hätte aber bereits führen können.
Nach der Halbzeitpause wird auch der Eintritt kassiert und das Stadionheft ausgeteilt. Wir hatten uns schon Gedanken und ein schlechtes Gewissen gemacht, das wir 45 Minuten ohne finanzielle Gegenleistung ein Spiel ansahen, denn in der Landesliga Württemberg zumindest ist es äußerst ungewöhnlich, wie in der Kreisklasse erst in der Halbzeit einen Platzrundgang zu unternehmen,
Calcio auf dem Boden. Aber nur auf diesem Foto. |
Gefahr vor dem Bettringer Gehäuse. |
Calcio wurde stärker, kam jetzt immer mehr vors Bettringer Tor, während es die Gastgeber zunehmend mit der Brechstange versuchten - und scheiterten. Allerdings schöner wurde das Spiel nicht. Als dann Calcio in der 72. Minute durch Murat Öcal in Führung ging, war der Treffer bezeichnend für das komplette Spiel. Aus einem Menschenrudel, einem Gedränge beim Rugby nicht unähnlich, stocherte Öcal den Ball ins Netz.
Aus dem Gedränge entspringt ein Tor - 0:1 für Calcio |
Dem Spiel tat das Tor .... nicht gut. Bettringens Angriffe wurden oft genug unterbrochen, entweder durch souveräne Abwehrleistung oder weil ein Blauer im richtigen Moment "Aua" rief und sich am Boden wälzte. Ein gesunder Spielfluß war schlicht nicht möglich, auch war die Brechstange für Bettringen nicht hilfreich, um ein Tor zu erzwingen. Auch vergaß man die alte Regel, das man durch diskutieren mit dem Schiedsrichter keine Tore erzielen, aber durch Gemecker mitunter einen Spieler verlieren kann, wie es Arthur Feil in der 88. Minute erfahren durfte.
0:2 durch Öcal |
Arthur Feil kriegt warmes Wasser beim duschen |
Auch das 0:2, wieder durch Öcal, entsprach der Schlußviertelstunde, als Echterdingens offensiver Bauchansatz fast schon ungehindert in der 84. Minute ins leere Tor einschob.
Für Bettringen war diese 0:2-Heimniederlage doppelt schmerzhaft, denn sie war vermeidbar. Nichtsdestotrotz siegte Calcio verdient. Sie waren nicht zwangsläufig besser, aber wer seine Viertelchancen in Tore ummünzt, darf sein Siegespanier auch Stolz vor sich her tragen.
Nach dem Spiel durften wir endlich das kleine aber sehr gemütliche Vereinsheim aufsuchen und genossen bei Sonnenuntergang einen Blick auf das Bettringer Freibad.
Auch dies Spieler kamen noch vorbei, es wurde geredet, analysiert und, was mir gefällt, nicht lamentiert und über vergebende Chancen gejammert, sondern der Mund abgewischt und nach Vorne geschaut. Das macht mir den Verein sympathisch, das ist eine Stärke, mit der man durchaus Punkte beim Gmünder Publikum sammeln kann. Bettringen steckt im Abstiegskampf, aber das hat man als Neuling auch erwartet. Dennoch stehen die Chancen gut, das der Verein auch nächstes Jahr in der Landesliga antritt.
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