Posts mit dem Label 1932/33 werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label 1932/33 werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Samstag, 17. Mai 2014

Zurückgeblättert (3) - Als Stuhlfauth das Tor im Schwerzer hütete

Siegesfeier und Freundschaftsspiel gegen den 1. FC Nürnberg


"'Viktoria' klang es aus allen Kehlen bei der Begrüßung der Sieger bei der Rückkehr aus Pforzheim. Es freut sich Stadt und Land über den Erfolg und ich beglückwünsche die wackere Elf, ihren Führer Herrn Pauser und den gesamten Verein zum Erfolg, der in das Diadem der Gamundia einen weiteren Edelstein eingesetzt hat". Gmünds Oberbürgermeister Karl Lüllig schlug hochlobende Töne an, als der 1. FC Normannia im Katholischen Vereinshaus, dem heutigen Hotel "Pelikan", seine Siegesfeier zu Ehren der Meistermannschaft abhielt. Das Vereinshaus bot sich mit seinem Festsaal für eine solche Veranstaltung geradezu an, da das eigentliche Vereinslokal, die Thorbäckerei, für die große Anzahl der Gäste wohl zu klein gewesen wäre. Selbst der Festsaal im Vereinshaus platzte aus allen Nähten, als der Ehrenvorsitzende Hans Aich mit reichlich Verspätung die ursprünglich für 20 Uhr angesetzte Ehrung eröffnen konnte.

Neben OB Lüllig zählten zu den illustren Gästen Walter Gschwind, Vorsitzender des Fußballbezirks Württemberg-Baden; Lothar Steiger, der Chefredakteur der amtlichen Sportpresse, der eigens vom Bodensee in die Gold- und Silberstadt kam; Stadtrat Paul Mahringer; die Vertreter der Rems-Zeitung und der Gmünder Zeitung; Hauptmann Hieber vom Gmünder Bataillon der Reichswehr; Regierungsrat Dr. Seyfritz vom Bezirksarbeitsamt; Polizeirat Geiger und der Vorstand der DJK mit Josef Wagenblast an der Spitze.

Im 28. Jahr seines Bestehens, so der Ehrenvorsitzende, habe die Normannia zum zweiten mal nach 1921 die oberste Fußballklasse erreicht. Sein Dank galt neben der Mannschaft und dem Spielausschuß auch der Presse, der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat. Zugleich betonte Aich auch die wirtschaftliche Bedeutung des Fußballs, und dass durch die Normannia die Stadt Gmünd als Sportmittelpunkt der Umgebung auftrete. Dann kam er auf die dringende Platzfrage zu sprechen, da der viel zu kleine Platz endlich eine dringende Erweiterung benötigte, und sich hierfür der Freiwillige Arbeitsdienst anbieten würde. "Es wäre erfreulich, wenn hier unter engster Zusammenarbeit von Stadt und Reich und unter weitmöglichster Unterstützung durch die Normannia dieser Plan, dessen letzte Punkte noch nicht erledigt sind, in Bälde beschlußfähig und ausführungsreif wäre".

Diesen Ausführungen folgte die Übergabe von Geschenken an die Aufstiegsmannschaft und Pauser. Für Josef Pauser, dem Leiter des Spielausschußes, war es nicht die letzte Ehrung des Tages. Aus den Händen des Bezirksvorsitzenden Gschwind erhielt zunächst die Mannschaft ihr Meisterdiplom, ehe Pauser und Hans Aich für ihre Arbeit die Ehrennadel des Süddeutschen Fußball- und Leíchtathletikverbandes erhielten. "Ich beglückwünsche von Herzen die Normannia zum errungenen Sieg", so Gschwind. "Es gilt nun, den Sieg wahr zu machen und es wird nicht leicht sein, sich in der nun errungenen Klasse zu halten. Der große Anklang des Fußballs und die große Begeisterung macht es in den kommenden Spielen den Gegnern schwer, sich insbesondere in Gmünd durchzusetzen", was als Hinweis auf das lautstarke und fußballgebeisterte Gmünder Publikum zu werten ist.

Dies soll aus der Rednerliste genügen. Den Abend beschloß das Musikprogramm der Kapelle Beck-Moretti und der Auftritt des Stuttgarter Humoristen Renz. Bereits am Nachmittag fanden am Normannia-Platz die vereinsinternen Leichtathletikmeisterschaften statt, die auch für die Fußballer die einzig nennenswerte Bewährungsprobe ermöglichten. Denn wie bereits in der vorherigen Folge erwähnt, herrschte jedes Jahr im Juli. der Hochsommerzeit, eine vom Verband verhängte Spielsperre, so dass den Vereinen nur der Trainingsplatz zur Vorbereitung diente.

Wenige Tage nach Beginn der Somemrferien, am 31. Juli 1932, stand das einzige Vorbereitungsspiel des Aufsteigers an. Für den Wahlsonntag (es fanden wieder einmal Reichstagswahlen statt) verpflichteten die Gmünder die Pokalmannschaft des 1. FC Nürnberg. Nürnberg, das war natürlich nicht nur irgendein Verein. Auch wenn der letzte Meistertitel bereits 5 Jahre zurück lag (1927 vor 50.000 Zuschauern in Berlin gegen Hertha BSC mit 2:0), so zählte der Club immer noch zu den Spitzenclubs des Landes. Außerdem waren die Nürnberger das Vorbild für die Gmünder Normannia, die nicht umsonst in schwarz-rotem Dress antritt. Nürnberg war bereits im vergangenen Jahr Gegner in einem Freundschaftsspiel, das von der Normannia völlig überraschend gewonnen wurde.

Die vom Redakteur Ernst Haug verfasste Vorschau spricht dann auch voller Vorfreude auf das Fußballereignis. "Der 1. FC Nürnberg stellt, wie schon im Vorjahr, so auch heuer wieder eine Lehrmannschaft hiezu zur Verfügung, deren Auftreten man mit Recht mit größter Spannung entgegensieht. Gerade der Klubnachwuchs ist es, der in Gmünd stets zu begeistern wußte und dessen systemvolle und vor allem höchstanständige Spielweise volle Anerkennung fand. Diesesmal hat man dazu noch die Freude, in Stuhlfauth Deutschlands größten Torwart begrüßen zu können,  der sich absolut nicht als "Alter Herr" fühlt, sondern auch heute noch als Stratege in der ihm eigenen, unerreichten Weise das Klubtor hüten kann. Seine Mitspieler standen fast durchweg schon längere Zeit in der berühmten Meisterelf und geben auch sonst zumindest den Uebungsgegner für dieselbe ab."

Heinrich Stuhlfauth! Es ist schwer zu beschreiben, welche Popularität Nürnbergs Nationaltorwart auf die Zeitgenossen ausströmte. In der Zeit, in der die Torpfosten noch eckig waren und die Torhüter keine Handschuhe, aber dafür Mützen trugen, verkörperte Heinrich "Heiner" Stuhlfauth den Fußballstar schlechthin.

Auch sonst entstiegen an jenem Sonntag den um 11:30 Uhr im Gmünder Hauptbahnhof eintreffenden Schnellzug aus Nürnberg bekannte Namen, die heute den Club-Annalen angehören. Mittelläufer Willi Billmann, der spätere Nationalspieler, gehörte zum Beispiel dazu, und als Ersatztormann nahm man Benno "Kracherle" Rosenmüller mit nach Gmünd.


Bei Normannia war die Aufstellung lange nicht klar. Auch wurde lange überlegt, ob statt Stammkeeper Stadelmaier die Ersatzleute Weber oder Brenner den Kasten am Sonntag hüten sollten. Wer am Ende als Torhüter in der Startelf stand, ist leider nicht überliefert. Brenner war es zumindest nicht. Überhaupt experimentierte der Gmünder FCN mit zahlreichen Ersatzleuten, was anschließend sehr kritisiert wurde.

Aber zunächst zum 31. Juli. In Los Angeles wurden die Olympischen Spiele eröffnet, und in Deutschland gingen nach dem gewalttätigsten Wahlkampf mit einer überraschend hohen Wahlbeteiligung von 84% die Bürger an die Urnen, um den 6. Reichtag der Weimarer Republik zu wählen, der die NSDAP als stärkste Partei sah.

In Gmünd, das kurz zuvor eine große Wahlkampfveranstaltung des ehemaligen Reichskanzlers Brüning erlebte, drückte die Sommerhitze gewaltig auf die Stadt. Dennoch fanden sich knapp 1.500 Zuschauer ein, um die heimische Normannia gegen die Zweite, die sogenannte Pokalmannschaft, des Club zu erleben. Damals lag der Schwerzer noch außerhalb der Stadt, und nach einem kleinen Spaziergang war bereits ab 20 Pfennig ein Eintritt möglich - sofern man Mitglied war und mit einem Stehplatz vorlieb nahm.

Der 1. FC Nürnberg spielte mit Heiner Stuhlfauth im Tor. Als Verteidiger fungierten Artur Diesterer und Schmidt. Die Läuferreihe bildeten Fleischmann, Willi Billmann und Summa. Im Sturm standen Helmbrecht, Jürgen Burk, Heinrich Hollfelder, vermutlich Gottfried Völkel und Emil Brennenstuhl. Wie gesagt nahm Nürnbergs Spielleiter Buchfelder noch Benno Rosenmüller sowie Georg Luber, Lederer und Fritz Kreißel mit nach Gmünd.

Bei Normannia Gmünd sind nur 8 Namen aus dem Aufgebot überliefert. Als Verteidiger fungierten Hegele und Schneck, in der Läuferreihe operierte Blattner. Im Sturm standen Schwegler, Hugger, Stütz, Stegmaier und Mezger. Die beiden anderen Läufer und der Torhüter konnte ich nicht herausfinden.

Schiedsrichter war Neurer aus Wasseralfingen, dem eine gute Spielleitung nachgesagt wurde.

Vielleicht lag es ja an der Sommerhitze, aber berauschend war das Spiel nicht. Schiedsrichter Neurer unterbrach die 1. Halbzeit für eine Gedenkminute an Eduard Kartini. Am Vortag wurde der langjährige Vorsitzende des Süddeutschen Fußballverbands unter großer Anteilnahme aus ganz Deutschland in Nürnberg beigesetzt.
Die erste Hälfte zeigte noch ein gefälliges Spiel, Mezger und Stütz konnten sogar Nürnbergs lebende Torwartlegende bezwingen, dennoch standen den 2 Normanniatoren 3 Treffern der Nürnberger gegenüber.
Nach dem Seitenwechsel machte der Club den Sack endgültig zu, und revanchierte sich für seine im Vorjahr erlittene Schlappe mit einem 6:2-Auswärtssieg bei Normannia. In der 2. Halbzeit lief bei den Gmündern einfach nichts mehr zusammen, zumal die Mannschaft in dieser Formation noch nie zusammenspielte.

Es hagelte harsche Kritik am Spiel der Normannia. Zu Erfolgsverwöhnt war man wohl von Seiten der Anhänger, die den fantastischen Sturmlauf in die oberste Spielklasse erlebten, als das man so kommentarlos auf die Niederlage im Freundschaftsspiel reagieren konnte. "Bei sachlicher Mannschaftskritik", hieß es einige Tage später in einem Brief an die Presse, "verdient Nürnberg das Prädikat gut und Normannia schlecht. Unbedingt! Dort ökonomisches Haushalten in allen Reihen, richtige Kräfteverteilung, hier zusammenhangloses, unproduktives Spiel. Bei Nürnberg einen in sich geschlossenen, einheitlichen Mannschafts-Körper - einen Spieler besonders zu erwähnen, hieße die andern tadeln. Ohne sich besonders auszugeben, war ihnen der Sieg in keiner Spiel-Phase zu nehmen. Kurz: Fußball in Reinkultur! Und Normannia? Ein Körper ohne Geist! Mir hätte Brenner im Tor besser gefallen, er hat mehr Rutine [sic!], obwohl der sonntägliche Hüter des Tores es gewiß an Energie und Fleiß nicht fehlen ließ und einige Tore bestimmt auf das Konto der Verteidigung zu sezten sind. Die Verteidigung war über ganze Spiel nie auf der Höhe. Hegele (sonst immer einwandfrei) mag durch eine erlittene Oberschenkelverletzung verhidnert gewesen sein, Schnecks Spiel war viel zu unreif in Angriff und Zuspiel. Einigermaßen genügen konnte das Spiel der Läuferreihe, wobei Blattner der erfolgreichere war. Und der Sturm, wo fehlte es da? Eigentlich überall! Mezger als Sturmführer enttäuschte gewaltig. Nein lb. Mezger, ohne Angriff kein Sieg, auch keine Torsiege! (Uebrigens für den ganzen Sturm geltend.) In Stellung laufen, sich freistellen ist notwendig für erfolgreiches Stürmerspiel. Hugger mag sich vielleicht noch nicht recht zurechtfinden in der Mannschaft, das mag entschuldigen; wir erwarten aber noch mehr von ihm. Der kleine Stütz war eigentlich bei den gegebenen Verhältnissen der eifrigste, er war nie "untätig". Von den beiden Flügeln Stegmaier, Schwegler sah man das gewohnte Spiel.
Ein Wort an die Vereinsleitung! Warum ist B. nicht mehr dabei? Wenn er sich schon unzulässig erhalten, warum ließ man ihn gewähren? Durch die Nichtberücksichtigung bei der Spielerehrung an der Siegesfeier meines Erachtens Strafe genug. Kann man sich den Luxus einer Ignorierung talentierter Spieler leisten? Mit der neuen Spielzeit muß mit vermehrtem Kräfteverbrauch gerechnet werden, und ein Ersatz für 1. Mannschaft muß auch erstklassig sein. Denn auch ich halte für richtig, daß Erfolg verpflichtet!"

Wer mag dieser ominöse B. gewesen sein, über den die schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit gewaschen wurde? Da er bereits in der Siegerehrung unberücksichtigt blieb, muß er zur Aufstiegself gehört haben. Brenner stand in der weiteren Auswahl, Blattner spielte, so könnte der Unglückliche wohl Stürmer Butz gewesen sein, es bleibt aber Spekulation. Auch die Art und Weise seines Vergehens verhallt in ergebnislos in der Geschichte.

Und Heinrich Stuhlfauth? Der war natürlich die Attraktion beim Fußballspiel. Der Mann mit der Mütze, der auch Niederlagen in Freundschaftsspielen nicht ausstehen konnte, war natürlich der Publikumsmagnet in Schwäbisch Gmünd. Bis an die Torlinie gedrängt standen seine meist jungen Fans, um ihren Star ganz aus der Nähe zu erleben. Auch hier sei, weil so köstlich, der Originalton der damaligen Zeit zitiert: "Der alte Kämpfe Stuhlfauth, der für die Nürnberger Torwart spielte, war für die Fußballjugend der Anziehungspunkt, der wie der geschichtliche "Rattenfänger" einen ganzen Schweif von sportbegeisterten Fußballbuben nach sich zog. Als die Pause eintrat, stürmten die Jungen auf den Fußball-Altmeister zu und umringten ihn, wahrscheinlich um "Autogramme" zu erbetteln. Sie ließen ihn auch nicht los, bis zu seiner Erleichterung das Spiel wieder begann". Wie viele dieser Autogramme mögen heute noch in Gmünder Alben, Schubladen oder Dachböden auf ihre Entdeckung warten?

Weitere Gesellschaftsspiele des 31. Juli 1932:
1. FC Normannia Gmünd - 1. FC Nürnberg Pokalmannschaft 2:6 (2:3)
Stuttgarter Kickers - Teutonia München 3:0
Union Niederrad - Union Böckingen 2:2
Sportfreunde 02 Eßlingen - 1. SSV Ulm 3:5
SV Feuerbach - FV 98 Zuffenhausen 4:0
SpVgg Schramberg - 1. FC Birkenfeld 2:5
SpVgg Cannstatt - VfB Stuttgart 0:5
1. FC Nürnberg - Austria Wien 2:1
Union Herbrechtingen - VfR Heidenheim 1:5
VfR Gaisburg - Göppinger SV 6:1
Ulmer FV 1894 - Stuttgarter SC 5:2
Tennis Borussia - FC Bayern München 1:7 (0:5)
1. FC Pforzheim - Freiburger FC 6:4

Andere Folgen der Serie "Zurückgeblättert" (1932/33):
Teil 1: Der Fußball in Württemberg 1932/33
Teil 2: Rückblick auf die Meisterschaft und Vorschau auf 1932/33

Samstag, 10. Mai 2014

Zurückgeblättert (2) - Rückblick auf die Meisterschaft und Vorschau auf 1932/33

Die Meisterelf der Normannia, die bei den Aufstiegsspielen 1931/32
so glänzend abgeschnitten hat. Bildtext und Foto: Rems-Zeitung (Juli 1932)
Die Spieler brauchten eine Weile, um des Geschehene zu begreifen. Als sie am Abend Gmünd erreichten, da hatte sich ihr Erfolg bereits herumgesprochen, und die Gold- und Silberstadt war auf den Beinen, um ihren Fußballhelden einen begeisternden Empfang zu bereiten. Jener 19. Juni 1932 war für Normannia Gmünd einer der größten Erfolge der Vereinsgeschichte, zum damaligen Zeitpunkt der Erfolg schlechthin. Zum zweiten Mal nach der schon zur Legende gewordenen Saison 1921/22 spielte Normannia in der obersten Fußballklasse, der Bezirksliga Württemberg. Im letzten Aufstiegsspiel in Pforzheim schlugen die Normannen den FV 09 Niefern mit 3:1 und setzte sich an die Spitze der Aufstiegsrunde, schmückte sich gar mit dem Titel eines Aufstiegsmeisters.

Alles begann mit einer Ligareform. Der Unterbau zur Bezirksliga Württemberg war zunächst in 4 Kreisligen aufgeteilt. Der 1. FC Normannia kämpfte hierbei mit mäßigen Erfolg in der Kreisliga Cannstatt, oft genug sogar gegen den Abstieg. Die Wende kam mit dem Schluß der Saison 1930/31. Der Verband (Normannia war übrigens wieder nur Drittletzter geworden) bastelte aus Mannschaften der beiden Kreisligen Cannstatt (Normannia Gmünd, VfR Aalen und 1. FC Urbach) und Zollen (1. Göppinger SV, VfB Kirchheim, 1. FC Donzdorf, SC Göppingen 09 und 1. FC Eislingen) die neue Kreisliga Hohenstaufen. Hinzu kamen noch die beiden Aufsteiger 1. FC Uhingen und SV Schorndorf.

Die neue Liga schmeckte den Normannen gut. In 18 Spielen gab es lediglich eine Niederlage und drei Unentschieden, und am Ende der Saison durfte man sich mit vier Punkten Vorsprung vor dem Lokalrivalen Göppinger SV als erster Kreismeister Hohenstaufen feiern lassen.

        1. 1. FC Normannia Gmünd     66:20    31-5
        2. 1. Göppinger SV                 62:25    27-9
        3. VfB 1911 Kirchheim            55:34    25-11
        4. VfR Aalen                          51:41    23-13
        5. SV Schorndorf (N)              45:45    16-20
        6. SC Göppingen 09               28:30    15-21
        7. 1. FC Eislingen                  33:38    14-22
        8. 1. FC Donzdorf                   40:78    12-24
        9. 1. FC Urbach                      35:57    12-24
        10. 1. FC Uhingen (N)               19:66      5-31
Von den A-Klassenmeistern setzten sich FV 08 Unterkochen und FV Vorwärts Faurndau durch, die 1932/33 in der Kreisliga um Punkte kämpften.

Die Meisterschaft in der Hohenstaufenliga war allerdings nur der erste Schritt. Die Schwerzer-Elf mußte sich nun in Aufstiegsspielen gegen fünf weitere Kreismeister bewähren. In Gmünd blieb man verhalten optimistisch, was diese Spiele anging. "Zu zeigen und zu versuchen, ob das Können und die Kraft ausreicht, um diese schweren Spiele durchzustehen", lautete die von der Vereinsführung ausgegebene Devise, zugleich sollten der Kreis Hohenstaufen, die Stadt und der Verein würdig vertreten werden. Am stärksten wurde die Stuttgarter Konkurrenz eingeschätzt. In der Kreisliga Cannstatt setzte sich der Traditionsclub Stuttgarter SC mit seiner starken Offensive durch, und allgemein galt der SSC als Favorit für einen der beiden Aufstiegsplätze. Ähnlich dominant zogen die Sportfreunde Stuttgart in der Kreisliga Alt-Württemberg ihre Bahnen. Der Weg in die Bezirksliga konnte nur über die beiden starken Stuttgarter errungen werden. Die anderen Teilnehmer waren aus der Kreisliga Enz-Neckar der FV 09 Niefern, der Zuhause ohne Punktverlust blieb und als Zünglein an der Waage angesehen werden konnte. Der FC Tailfingen verteidigte in der Kreisliga Zollern seinen Titel, wenn auch knapp vor dem SV 05 Reutlingen. Als Außenseiter wurde der Meister der Kreisliga Hohenlohe, die Sportfreunde Heilbronn angesehen, die als Neuling direkt zur Ligameisterschaft marschierten.

Die Aufstiegsspiele


Gleich das erste Aufstiegsspiel brachte die Stuttgarter Sportfreunde in den Schwerzer, und in einem dramatischen Spiel blieb die Normannia mit 3:2 Sieger. Dann folgte die lange Fahrt in die südliche Alb zum Tabellenführer FC Tailfingen, die sehr selbstbewußt nach dem ersten Spiel - immerhin 4:2 beim favorisierten Stuttgarter SC -  auf die Gmünder warteten. Hier erkämpfte sich Normannia ein 1:1. Die Sportfreunde Heilbronn fuhren mit einem 0:6 aus Gmünd zurück, bevor die Normannia zum Spitzenspiel an den Stuttgarter Gaskessel fuhr. Das Glück verließ die Normannen, der SSC behielt deutlich mit 3:0 die Oberhand. Es folgte das aufregendste der Gmünder Aufstiegsspiele. Im Schwerzer empfingen die Normannen den FV Niefern, und nach 90 Minuten herrschte Erleichterung im Gmünder Lager, denn man behielt mit dem kuriosen Ergebnis von 6:5 die Oberhand.

Es entwickelte sich ein Dreikampf um die zwei Aufstiegsplätze: die beiden Stuttgarter Vereine gegen die Normannia aus Gmünd. Das Rückspiel bei den Sportfreunden Stuttgart blieb wieder erfolgreich für den FCN, anschließend schlug man die Tailfinger im Schwerzer mit 3:2 und blieb auch in Heilbronn Sieger. Nachdem im vorletzten Spiel die Normannen Zuhause gegen den Stuttgarter SC mit 1:3 unterlagen, entschied sich jetzt alles im letzten Spiel in Pforzheim. Mit 3:1 fuhren die Gmünder den gastgebenden FV Niefern an die Wand, und das unerwartete trat ein: Normannia Gmünd wurde Aufstiegsmeister und würde im Folgejahr in der obersten Fußballklasse antreten. Ebenfalls stieg der Stuttgarter Sportclub auf, der den Normannen in beiden Spielen Niederlagen beibrachte. Nutznießer der Normannia-Aufstiegs war auch der 1. FC Urbach, der somit durch die Hintertür den Klassenerhalt in der Kreisliga feiern konnte.


Die unter Leitung von Josef Pauser stehende Elf sah mit gespannter Erwartung auf die kommenden Aufgaben. Die Stammspieler des Triumphes hießen in der klassischen Aufstellung (2 Verteidiger, 3 Läufer, 5 Stürmer) Stadelmaier - Hägele, Debler - Hefele, Rein, Blattner - Ströbele, Stütz, Mezger, Butz, Schwegler. Zudem kamen noch Ackermann, Brenner, Schierle und Stegmaier zu Einsätzen.

Bezirksliga Württemberg 1932/33


Im Normannia-Lager war man realistisch genug einzusehen, dass die kommende Spielzeit mehr als hart werden würde. Ein Selbstläufer würde die Zugehörigkeit unter den 10 besten Teams nicht werden. Ernst Haug, der legendäre und beliebte Sportreporter der Rems-Zeitung, analysierte in seinem Vorbericht treffend: "Bange machen gibt es nicht. Es war schon nicht leicht, die Höhe zu erreichen und schwerer wird es ganz bestimmt sein, sie zu halten.

Ich habe mal versucht, mit Hilfe von Google-Maps eine Übersicht über die teilnehmenden Vereine zu basteln. Man sieht sehr schön die Konzentration um Stuttgart (5 Vereine) und Pforzheim (3 Vereine). Böckingen und Gmünd stehen wie einsame Außenposten am geographischen Rand der Liga. In der Vorsasion stiegen der FV Zuffenhausen und der VfR Heilbronn ab - beides spielstarke und angesehene Vereine - und auf die beiden Neulinge warteten illustre Namen.

Da war zum einen der Ligameister 1. FC Pforzheim, der mit Auswahlspieler Merz einen der besten Kicker Süddeutschlands ins Rennen schickte. Bei den Entscheidungsspielen in Süddeutschland blieb der Club allerdings ohne Einfluß gegen Bayern München und 1. FC Nürnberg, und der Süddeutsche Meister und deutsche Vizemeister von 1906 schloß mit dem 4. Platz ab. Noch schlechter erging es dem VfB Stuttgart, dem Zweiten der Liga, der in der Süddeutschen abgeschlagen Letzter wurde, sogar noch hinter Rastatt.

Diese beiden Mannschaften zählten auch in der neuen Ligarunde zu den Favoriten auf den württembergischen Titel. Ebenfalls auf der Rechnung haben mußte man die Stuttgarter Kickers, den Süddeutschen Pokalsieger. Die Vorsaison verlief zwar mit dem 7. Platz ziemlich schlecht für die Degerlocher. Auf der Rechnung mußte man den Patenverein der Gmünder Normannia allerdings immer.

Ein Rätsel blieben die beiden Aufsteiger der vergangenen Spielzeit. Nach einen fast schon sensationellen 3. und 4. Platz für die kecken Neulinge Sportfreunde 02 Eßlingen und SV 98 Feuerbach - die Teilnahme an der Süddeutschen Meisterschaft war in greifbarer Nähe - rätselte man in den Fußballkreisen, ob dieser Erfolg wiederholt werden konnte.

Den neben dem 1. FC Pforzheim beiden anderen badischen "Gastarbeiter" Germania Brötzingen und 1. FC Birkenfeld wurden Plätze im Mittelfeld zugetraut.

Das Feld vervollständigte der FV Union Böckingen, der in der Vergangenheit oft genug als "launische Diva" durch die Saison ging und nach dem Abstieg des Lokalrivalen VfR Heilbronn alleine das Unterland vertrat. Böckingen hatte eine verwachsene Saison mit einem Mittelfeldplatz hinter sich. Zu rechnen hatte man mit den Seeräubern allerdings immer.

Schwer genug also für die Gmünder, in der Spielzeit zu bestehen. Erschwerend kam hinzu, dass vom Süddeutschen Verband eine Spielsperre für den Juli verhängt wurde. So blieb der Normannia als Vorbereitung nur ein einzige Spiel, der Rest mußte durch Trainingseinheiten ergänzt werden, die nach einer vierzehntägigen Pause auch wieder aufgenommen wurde.

Das Programm der Normannia für die Hinrunde 1932 sah wie folgt aus:
      • 16. Juli: Siegesfeier im katholischen Vereinshaus (heute "Pelikan")
      • 31. Juli: 1. FC Nürnberg II (Freundschaftsspiel, H)
      • 7. August: Stuttgarter Kickers (A)
      • 14. August: 1. FC Pforzheim (H)
      • 21. August: SV 98 Feuerbach (A)
      • 28. August: FC Germania Brötzingen (H)
      • 4. September: Stuttgarter SC (H)
      • 11. September: 1. FC Birkenfeld (A)
      • 18. September: VfB Stuttgart (H)
      • 25. September: FV 08 Union Böckingen (A)
      • 2. Oktober: Sportfreunde 02 Eßlingen (H)
Die zweite Mannschaft der Normannia, die 1932 ebenfalls die Meisterschaft der Reserverunde in der Kreisliga gewonnen hatte, würde mit Ausnahme der Spiele gegen Brötzingen und Birkenfeld ebenfalls an der Reserverunde der Bezirksliga teilnehmen. Für die dritte Mannschaft der Normannia, im Vorjahr im Mittelfeld der B-Klasse, Gruppe Rems, würde erneut versuchen, gegen die Konkurrenz der Umgebung zu bestehen.

Andere Folgen der Serie "Zurückgeblättert":


Freitag, 2. Mai 2014

Zurückgeblättert - Als Normannia im Fußballolymp spielte

Teil 1: Der Fußball in Württemberg 1932/33

"Fußballolymp" klingt zugegebenermaßen etwas theatralisch, soll aber ein wenig die Bedeutung für die Augenzeugen herausstellen, die jene Tage erlebten und deren Augen schon längst für immer geschlossen, der Meisterlorbeer vergilbt und die Erfolge vergessen sind.
Es geht um die Spielzeit 1932/33, einem Jahr, in dem Normannia Gmünd in der 1. Liga gegen namhafte Gegner wie den VfB Stuttgart oder die Stuttgarter Kickers um Meisterehren kämpfte.
Ich möchte ab heute eine kleine unregelmäßige Serie über dieses Jahr der Erstklassigkeit der Normannia starten, streife dabei auch ein wenig die DJK Gmünd, die in jener Epoche auch eine eigene Hausnummer war, und werde Spieltag für Spieltag - so gut es eben die Unterlagen hergeben - das Ligageschehen begleiten.

Zunächst einmal scheint es allerdings angebracht, etwas über das Ligasystem der damaligen Zeit zu erläutern, einfach, um das ganze Geschehen besser einordnen zu können. Denn dieses erste Spielklasse, die Bezirksliga Württemberg, war nur eine von vielen ersten Spielklassen innerhalb des Deutschen Reichs. Alleine im Süddeutschen Verband gab es 8 erste Spielklassen. Die Leistungsdichte war somit alles andere als hoch. In der Spielzeit 1932/33 kämpften theoretisch 625 Mannschaften um den deutschen Meistertitel (sofern ich richtig gezählt habe), die zuvor in 69 "erste Ligen" unterschiedlicher Ausprägung gegeneinander antraten.
Auch die Zusammensetzung der einzelnen Ligen variierte stark. Zwischen 5 bis 13 Mannschaften traten in einer Liga an. War die Liga abgeschlossen, was meistens innerhalb eines Halbjahres geschah, ging es für die Meister erst einmal um die regionale Meisterschaft, um sich schließlich mit etwas Glück für die Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft zu qualifizieren, die dann ziemlich rüde in einer K.o.-Runde durchgeboxt wurde.

Die Regionalverbände im Deutschen Fußballbund spielten zunächst ihre eigenen Meister aus und waren für ihre Ligenzusammenstellung selber verantwortlich. Es gab den Westdeutschen Spiel-Verband (WSV), Norddeutschen Fußball-Verband (NFV), den Verband Brandenburgischer Ballspielvereine (VBB), in dessen Meisterschaften auch ab 1930/31 die Mannschaften aus Pommern teilnahmen, den Verband Mitteldeutscher Ballspielvereine (VMBV), den Südostdeutschen Fußball-Verband (SOFV), der für Schlesien zuständig war, und den Baltischen Sport-Verband (BSV), dessen Verbandsgebiet sich über Ostpreußen und der Freien Stadt Danzig erstreckte. Dies zur groben Orientierung.

Hier soll es sich natürlich nur um den Süddeutschen Fußball- und Leichtathletik-Verband (SFLV) handeln. Das süddeutsche Verbandsgebiet umfasste 1932 die heutigen Bundesländer Saarland, Baden-Württemberg und Bayern sowie das südliche Hessen und die Pfalz. Hinzu kamen die Vereine aus dem österreichischem Vorarlberg. 1927 teilte der SFV sein Gebiet in 4 Bezirke ein, in denen es jeweils 2 Staffeln einer ersten Liga - für gewöhnlich 10 Mannschaften - gab: Bezirk Bayern (Bezirksligen Nordbayern und Südbayern), Bezirk Rhein/Saar (Bezirksligen Rhein und Saar), Bezirk Main/Hessen (Bezirksligen Main und Hessen) sowie dann "unser" Bezirk Württemberg/Baden (Bezirksligen Württemberg und Baden).

Kastentabelle der Kreisliga Vorarlberg-Bodensee.
Das württembergische Gebiet war dabei nicht mit dem Volksstaat Württemberg identisch. Mannschaften aus Ulm, Heidenheim oder Friedrichshafen waren dem Bezirk Bayern zugeordnet und kämpften um Punkte für den Aufstieg in die Liga Südbayern. Der VfB Friedrichshafen gar traf zusammen mit dem FC Wangen 05, FV Ravensburg und dem SV Weingarten in der Kreisliga Vorarlberg-Bodensee auf Teams aus Bayern (Kempten, Memmingen, Lindau) und Österreich (Bregenz, Dornbirn, Lustenau). Dieser kleine historische Fußballgrenzverkehr ist heute leider weitestgehend vergessen.
Schwenningen, Tuttlingen oder Rottweil spielten in badischen Spielklassen, im Gegenzug traten badische "Gastarbeiter" wie Pforzheim, Brötzingen, Eutingen oder Birkenfeld gegen württembergische Vereine an. 

Um den Aufstieg in die Bezirksliga Württemberg wurde in 6 Kreisligen als zweite Spielklasse gekämpft. Diese waren ursprünglich aufgeteilt in die Kreisliga Alt-Württemberg, Cannstatt (der auch zunächst Normannia angehörte), Zollern und Enz-Neckar. Ab 1931/32 kamen dann die beiden Kreise Hohenlohe und Hohenstaufen hinzu, wobei die Normannen in den Hohenstaufenkreis wechselten. Die Meister der 6 Kreisligen ermittelten dann in einer Doppelrunde die beiden Aufsteiger in die Bezirksliga. Unterhalb der Kreisligen schließlich befanden sich A-Klasse, B-Klasse und C-Klasse, vergleichbar mit unseren heutigen Kreisligen. Reservemannschaften traten in eigenen Reserverunden gegeneinander an.

Wie sah nun so eine Spielzeit aus? Zunächst einmal herrschte vom 1. bis einschließlich 31. Juli eine vom SFV verhängte Spielsperre. Die Vereine konnten sich also lediglich auf Trainingseinheiten stützen, Vorbereitungsspiele vor Saisonbeginn waren so gut wie unmöglich. Anfang August wurde bereits in der Liga um Punkte gekämpft, und die Ligaausscheidung war Ende Dezember für gewöhnlich abgeschlossen. Der Meister und der Tabellenzweite nahm dann an der Süddeutschen Meisterschaft teil, in einer Achterliga mit den Vertretern Badens, Main und Hessen. Die ausgeschiedenen Mannschaften konnten sich noch über den Umweg des Süddeutschen Pokals und eines Entscheidungsspieles für die Endrunde der Deutschen Meisterschaft qualifizieren. Insgesamt nahmen 3 Mannschaften aus Süddeutschland (Meister, Vizemeister und ein Qualifikant) in der Meisterschaftsrunde auf Reichsebene teil.

Die beiden Absteiger der Bezirksliga sowie die aus der Meisterschaft ausgeschiedenen Vereine hatten quasi das erste Halbjahr des Folgejahres spielfrei. Man hielt sich für gewöhnlich mit Freundschaftsspielen fit und finanziell flüssig, zumal die Teilnahme am Pokal freiwillig geschah. 

Alleine durch die unterschiedliche Spielpraxis entstand also schon eine Kluft zwischen den Vereinen. Natürlich gab es damals schon die Trennung zwischen "Reich" und "Arm", zwischen Clubs mit betuchten Förderern und Vereinen, die sich dem Amateurideal bis zur Selbstaufgabe verpflichteten. Auch in den Vereinsstrukturen gab es deutliche Unterschiede: verpflichteten die einen Vereine echte Trainer, bestimmte bei Vereinen wie Normannia Gmünd ein Spielausschuß die Zusammensetzung der Spielelf.
Auch in einer gänzlich anderen Hinsicht gab es Mißgunst innerhalb der württembergischen Liga. Von den Provinzvereinen wurde eine Bevorzugung der Stuttgarter Vereine gesehen; angefangen von dubiosen Schiedsrichterentscheidungen zugunsten von Kickers, VfB, Sportclub und Co. bis hin zur Zweiklassengesellschaft, wenn es um die Verhängung von Strafen oder Entscheidungen am grünen Tisch ging. Würden die Vereine aus der schwäbischen Provinz die ganze Härte des Regelwerks zu spüren kriegen, so würden Sportgerichte bei Stuttgarter Vereinen regelrecht beide Augen zudrücken.

Mancherlei am Fußball der Altvorderen mag uns heute seltsam erscheinen und ungewohnt vorkommen. Auswechslungen gab es nicht, wer verletzt wurde, schied halt aus. Spielabbrüche waren relativ unbekannt, drohte im Winter der Platz unbespielbar zu werden, so wurde schlicht Stroh ausgestreut. Die Sitten waren damals rauh im Fußball, innerhalb wie außerhalb des Spielfeldes. Schlägereien kamen praktisch an jedem Spieltag vor, pöbelnde Zuschauer, Gewalt gegen Schiedsrichter, Spielentscheidungen am grünen Tisch angefochten. Ungewohnt mag erscheinen, dass man seinerzeit versucht war, die Zuschauer zu "zivilisieren", dieses "unsägliche hineinrufen ins Spielfeld" zu unterbinden. Auch den Torjubel der Spieler muß man sich ganz anders vorstellen als heute. In Deutschland scheint das ganz bieder zugegangen sein, wenn ein Spieler einen Treffer erzielte. Ich erinnere mich gut an einem in Radioarchiv hinterlegten Mitschnitt zu einem Länderspiel zwischen Deutschland und Italien 1928, in dem die beiden deutschen Reporter förmlich ins Mikrofon lachen, weil die Italiener nach dem Torerfolg die Arme in die Luft rissen und sich gar umarmten...
Überhaupt bezeichnete man die damals im weißen Dress des DFB antretende Spieler nicht als "Nationalspieler", sondern als internationale Auswahlspieler oder schlicht Internationale. 


Trotz zahlreicher Auswüchse, Fußball war ein sehr populärer Sport, der nach dem Ersten Weltkrieg einen ungeahnten Höhenflug in Deutschland erlebte. Erstmals entdeckte auch die Werbung die Macht des Fußballs auf die Massen, Fußballer traten als Werbefiguren für Zigaretten auf. Heute gesuchte und damals schon heiß begehrte Sammelobjekte waren die Fußballsammelbilder, die in Zigaretten, Liebigs Fleischextraxt, Schokolade oder anderen Konsumgüter zu finden waren.

"Höhnes, F.V. Zuffenhausen, ist ein energischer halblinker Stürmer, der trotz seiner kleinen Figur jeder gegnerischen Verteidigung außerordentlich schwer zu schaffen macht. Er verfügt über einen Bombenschuß und muß deshalb aufmerksam bewacht werden." - Fußballsammelbilder der Epoche beschränkten sich nicht nur auf Bildchen, sondern lieferten gleich noch, wie hier auf dem Bildchen des Tabakhersteller Greiling, Informationen mit.

Noch etwas war anders als heute: der DFB hatte kein Fußball-Monopol in Deutschland, sondern war lediglich der größte der nationalen Fußballverbände. Fußball war auch Klassenkampf, und während der DFB die "bürgerliche" Sparte bediente, kickten organisierte Arbeiter im Arbeiter-Turn- und Sportbund, der 1932 immerhin 136.787 Fußballer beherbergte, eigene Meisterschaften ausschrieb und eine eigene Nationalmannschaft in Ländervergleiche schickte. Württemberger Mannschaften spielten bei den Reichsmeisterschaften keine große Rolle, Fußballhochburgen waren Botnang, TuS Stuttgart-Ost, der VfL Neckargartach und der SK Böckingen. Auch in im Raum Göppingen / Aalen gab es einige Arbeitervereine, die allerdings in der Fußballgeschichte keine großen Spuren hinterließen. Der heutige SSV Aalen beispielsweise geht auf einem ATSB-Verein zurück. Ob es in Gmünd einen Arbeiterverein gab, ist mir nicht bekannt. Es gab wohl einen Verein mit dem nach Arbeitschaft klingenden Namen Sparta Gmünd. Dieser trat allerdings gerne in Freundschaftsspielen gegen die örtliche SA an, so dass eine Nähe zur Sozialdemokratie wohl eher ausgeschlossen ist. Die Nationalsozialisten verboten 1933 den ATSB und seine Vereine, der Besitz wurde beschlagnahmt. Aus dem heutigen Göppinger Ortsteil Holzheim wurde mir die Geschichte zugetragen, dass zwei Funktionäre des örtlichen ATSB-Handballvereins in einer Nacht- und Nebelaktion die Vereinskasse ihres verbotenen Clubs in einem nahegelegen Wäldchen vergruben, wo sie sich wohl heute noch befindet.

Einen weiteren Fußballmeister ermittelten die Kommunisten, die 1928 die Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit (KG) gründeten, über deren Einfluß ich in Württemberg allerdings nichts weiß. Gemessen an der politischen Struktur Württembergs zu jener Zeit dürfte es, wenn es denn Vereine gab, am ehesten Mannschaften in Stuttgart/Eßlingen und Heilbronn/Böckingen gegeben haben.

Für die Stadt Gmünd bedeutsamer ist der damals drittgrößte selbständige Sportverband, die Deutsche Jugendkraft. Auch die Katholiken ermittelten einen eigenen Fußballmeister, der in einer Bundesmeisterschaft ausgetragen wurde, und auch eine internationale Auswahlmannschaft, die zu Begegnungen gegen eine niederländische Auswahl antrat, gab es in ihren Reihen. 1932 zählte der Verband immerhin 83.280 Fußballer, und in Gmünd, einer traditionell katholischen Stadt, trat die DJK Gmünd erfolgreich gegen das Leder. Ebenfalls in einer 1. Liga, und mitunter auch vor vierstelligen Zuschauerzahlen. Wer den Sportplatz St. Katharina in Gmünd kennt, wundert sich vielleicht, dass sich dort mal 1.500 Zuschauer ein Spiel der DJK angesehen haben. Allerdings war die 1. Liga der DJK noch verwässerter als die 1. Ligen im DFB. Alleine in Württemberg gab es insgesamt sechs Gauligen als oberste Spielklasse, deren Meister zum Saisonende in 2 Gruppen den Württembergischen Meister ermittelten. Gmünd war dem Braunenberggau zugeteilt, daneben traten Mannschaften im Riß-Donaugau, Bussengau, Gau Stuttgart-Hohenstaufen, dem Unteren Neckargau und dem Schwarzwaldgau gegen das Leder. DJK Gmünd war dabei sogar Rekordmeister mit insgesamt 6 Meistertiteln. Innerhalb der Bundesmeisterschaft, die im K.o.-System ausgetragen wurde, spielten die "Nazarener" allerdings keine Rolle und schieden stets in Runde 1 aus. Der DJK-Fußball vor 1933 ist ein statistisch noch weitgehend unbeackertes Feld. Die Punktevergabe spiegelte dabei das christliche Weltbild wieder. Nicht nur für Siege und Unentschieden wurden Punkte vergeben, auch faire Spielweise und ähnliches wurde mit Bonuspunkten, sogenannten Spielpunkten, honoriert, und konnten am Ende einer Saison entscheidend sein.

Meisterschaften der Deutschen Turnerschaft gab es 1932 nicht mehr. Zumindest im Fußball. Die 12.000 Turn-Fußballer wurden 1931/32, abgesehen von einigen Ausnahmen (Sachsen), in den DFB aufgenommen. Für den Gmünder Raum kann man den TV Herlikofen als bekanntesten Namen ansehen. Ein erwähnenswerter Unterschied zum DFB-Fußball war sicherlich, dass die Turner zuvor auf kleineren Feldern spielten, und die Turnvereine beim Übertritt in den DFB in gewisser Weise gehandicapt waren, bis sie sich an die ungewohnt großen Spielfelder gewöhnt hatten.

Ferner gab es noch den Eichenkreuz (Protestantischer Sportverband), Schild (Jüdischer Sport), Behörden-, Firmen- und Militärfußball. Zudem traten noch zahlreiche "wilde" Vereine gegen den Ball, in Gmünd z. B. Straßenmannschaften. Von den anderen Verbänden ist für gewöhnlich nicht so viel bekannt, ob z. B. das Eichenkreuz überhaupt Fußball spielte bzw. Meisterschaften austrug, ist fraglich. In Gmünd dürfte der Verband keine Rolle gespielt, ebenso die jüdische Organisation Schild. Der einzige aktive jüdische Sportler, den ich überhaupt ausfindig machen konnte, war der Hockeyspieler Hugo Kahn (Normannia Gmünd). Auch Gmünder Behördensportler scheint es in der Weimarer Republik nicht gegeben zu haben, ein Postsportverein Gmünd taucht erst in den 1950er Jahren in den Fußballligen auf. Aber Gmünd war Garnisonsstadt, und natürlich traten dementsprechend Unteroffiziere oder Kompanien in Fußballpartien an. Und was Betriebssportmannschaften betrifft, ist mir zumindest ein Mannschaftsfoto der Elf von Erhard & Söhne bekannt.

Doch diese Vielfalt soll nur für den Überblick dienen. Für die neue Serie "Zurückgeblättert" wird es sich naturgemäß um die Vereine des "bürgerlichen" DFB bzw. der Bezirksliga Württemberg und Normannia Gmünd handeln. Von daher wird es beim nächsten mal um einen Rückblick der Normannia und einer Saisonvorschau weitergehen.

Eine gute Zusammenfassung über den Ligaaufbau in jener Zeit findet sich übrigens auf der Seite des Süddeutschen Fußballarchivs.