Sonntag, 11. Mai 2014

Schwerzer-Husaren und ihre Wechselbäder - FC Normannia Gmünd gegen Neckarsulmer SU


Nach dem 1:0 durch Marius Nuding.
Manchmal gibt es sehr schizophrene Tage. Da verzweifelst Du an der Leistung Deiner Mannschaft, und gleichzeitig hast Du volles Vertrauen in Dein Team. Heute z. B. war so ein Tag, in dem man als Normannia-Fan zwischen Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt sein konnte.

Mit der Neckarsulmer Sportunion kam nicht nur der Tabellendritte in den Schwerzer, sondern auch eine verdammt offensive und torgefährliche Mannschaft.

Persönlich ging ich ja mit gemischten Gefühlen in den Schwerzer, aber in großen und ganzen hatte ich im Gespür, dass meine Normannia heute großes leisten konnte. Im Spiel gegen Bissingen haben die Normannia-Spieler, trotz 0:2-Niederlage, ein sehr gutes Spiel geliefert, und das Endergebnis stand in keinem Zusammenhang zum Spielverlauf. Vermisst wurde lediglich der Torinstinkt, der wohl im Mannschaftsbus verblieb.

Nach wie vor verharrte der FCN auf dem Abstiegsrelegationsplatz. Umso wichtiger war es, gegen den 2009 aus einer Fusion zwischen der SpVgg Neckarsulm in den Sportfreunden Neckarsulm enstandenen NSU auf dem Potenzial des Bissingen-Spiels aufzubauen. Der Aufsteiger aus dem Unterland legte in der Saison eine ordentliche Leistung hin und kann durchaus noch nach Oben schielen. Bundesweit bekannt wurde die NSU durch die Teilnahme am diesjährigen DFB-Pokal durch die Hintertür. Das Finale im WFV-Pokal wurde zwar gegen den 1. FC Heidenheim verloren, aber nach dem Ausschluß von Dynamo Dresden aus dem Pokalwettbewerb rückte die Mannschaft noch als Siebtligist in die 1. Runde nach, wo allerdings der 1. FC Kaiserslautern ein "Wunder von Heilbronn" verhinderte.

Weitaus wichtiger für das Team war der Aufstieg in die Verbandsliga, und somit kam es erstmals seit 1971 wieder zu einem Ligaduell mit der Normannia. Mit der damaligen SpVgg Neckarsulm kreuzte der FCN zweimal die Klingen. 1962/63 - ein furchtbares Jahr für Normannia - gab es in Neckarsulm ein 2:4 und im Schwerzer ein 1:1. 1970/71 dann Auswärts ein 2:3, Zuhause fegten die Normannen die Unterländer mit 4:0 aus dem Schwerzer. Klar, dass ich mir das Ergebnis der Siebziger Jahre auch für heute wünschte.

Im Hinspiel in Neckarsulm ging die Normannia in einem NSU-Orkan mit 1:5 unter. Es blieb zu hoffen, dass die historische Statistik sich ihrer Rolle bewußt wurde und den Ausgang des Spiels entsprechend steuerte: noch nie gewann Neckarsulm ein Ligaspiel in Gmünd. In Neckarsulm hingegen war man weit davon entfernt, sich auf den Lorbeeren des bisher erreichten auszuruhen, und den Ausflug in den Schwerzer auf die leichte Schulter zu nehmen. In der Spielvorschau auf der NSU-Homepage schrieb man dann auch durchaus anerkennend über den FCN und seine Fans. "Die FCN-Fans pilgern aktuell in Scharen ins Jahnstadion um ihr Team lautstark im Abstiegskampf zu unterstützen. Unser Team muss sich also neben einem verbissen um die Verbandsliga-Existenz kämpfenden Gegner auch auf ein enthusiastisches Publikum einstellen." 

Ich muß zugeben, so viel Anerkennung verpflichtet, und wir Gmünder wollten den Macher der NSU-Homepage keinesfalls Lügen strafen.

Große Anerkennung gab es aber auch für mich persönlich. Beim Blick ins aktuelle Stadionheft entdeckte ich doch tatsächlich einen Artikel über mich bzw. den "Spätzleskick", mit einen Auszug zum ersten Teil meiner Serie über das Normannia-Spieljahr 1932/33. Für die Fußball-Nostalgiker und -Historiker: Teil 2 ist übrigens auch schon erschienen.

Dieser "Ritterschlag" hat mich ehrlich gesagt sehr gerührt und kam völlig unerwartet. Auch Fußballvorstand Heinz Eyrainer begrüßte mich im Vereinsheim und bedankte sich für die Berichterstattung im Netz. Für meinen Leib- und Magenverein würde ich das gerne machen, vergewisserte ich ihn, und wir trugen beide die Hoffnung, das ich heute über positive Ergebnisse bloggen werden könnte.

Auch ein Kamerateam hat sich aufgebaut, und ich bin mal gespannt, was die professionellen Kollegen da eingefangen haben bzw., wo ich später das Video einsehen kann.

Der Zuschauerzuspruch enttäuscht ein wenig. Von ganzen Scharen, wie es Neckarsulm schrieb, ist da leider nicht die Rede. Am Vormittag stieg ein Gummientenrennen in der Rems, und beide Ufer waren von Menschenmassen bevölkert. Mit Quitscheentchen können Verbandsligakicker wohl nicht mithalten...

Derweil feilt man bei der Fangruppe "12. Mann" noch an der Technik. Ich verlasse ich da doch lieber auf meine Stimmbänder, sofern sie mich  nicht verlassen.

Wie auch immer, ob schwarz-rot oder rot-weiß, gemeinsam schaffen wir das schon, das Team anzufeuern.


Gleich zu Beginn muß ich mich auf eine kleine Änderung einstellen, im Tor steht weder der angschlagene Magnus Burkhardt noch der angeschlagenere Konstantin Kühnle. Patrick Widmann setzt auf Kai Nestler, der normalerweise in der A-Jugend aufläuft und wie die anderen jungen Spieler heute eine gute Figur machte.










Unter den Zuschauern begrüßt der Stadionsprecher auch zwei Veteranen der A-Jugend-Mannschaft, die 1961 den Titel des Württembergischen Meisters nach Gmünd holte, unter ihnen Peter Bihr, der eigens aus seiner neuen Heimat Guatemala anreiste. Auch zur Unterstützung zugegen die Handballer des TSB Gmünd, die dann am Abend im Hinspiel der Aufstiegsrelegation mit 26:23 gegen Großbottwar gewannen.

Zum Spiel ist zu sagen, dass Normannia tatsächlich an der Leistung des Bissingen-Spiels anknüpfte, nur diesmal wurde der Torriecher aus dem Käfig gelassen. In der 28. Minute bringt Marius Nuding die große Erleichterung ins Stadion, als er den Ball im Gästetor versenkte. Doch Neckarsulm macht das, was man von einer Mannschaft im Rückstand erwartet: gegen den Rückstand ankämpfen. Und so dauert es keine fünf Minuten, und die Führung ist schon wieder egalisiert.
Folgenloses Torraumgewimmel.
Fast postwendend der Ausgleich.
T









Mit 1:1 ging es auch in die Kabinen, und trotz des törrichten Ausgleichstor durfte man als Normannia-Fan zufrieden sein. Wille und Moral stimmen, und mit Zuversicht und fast schon Ungeduld blickte man auf die 2. Halbzeit.

Doch Unverhofft kommt oft. Kaum war die Partie wieder angepfiffen, da brachte Steffen Elseg in der 49. Spielminute die Gäste erneut in Führung! So viele Mäuse, die man melken wollte, gibt es gar nicht. Und besonders schlimm: das Tor war sogar verdient.

Wenn die Zeiten hart werden, dann feuern die Hartgesottenen ihre Mannschaft erst recht lautstark an. Ob die wilden "FCN"-Rufe erfolgreich zum Spielgeschehen beitrugen, ist ungewiss. Aber es scheint gereicht zu haben, um die Himmelsschleusen zu öffnen, und für Normannia-Wetter im Schwerzer zu sorgen. Bislang war es lediglich windig, aber angenehm. Nun vertrieb uns der Regen unter schützende Gefilde.










Aber während sich alles unter das schützende Dach drängt, hält es mich dort nicht. Ich muß die Mannschaft anfeuern, spüre den Drang, das Team nach Vorne zu peitschen und schließe mich daher als "Gastarbeiter" der Fangruppe "12. Mann" an, die unbeeindruckt auch dem Wetter trotzt. Auch Mario kommt nicht umhin, dem Regen keine Beachtung zu schenken und den Jungs in Rot seinen Support zukommen zu lassen. Aus Richtung Tribüne schallten heute geschlossene "Normannia"-Rufe - dargebracht von der Fußballjugend - aufs Spielfeld. Glänzend!

Es regnet? Normannia-Fans sind nicht aus Zucker!

Erlösung bringt der Kapitän. In der 79. Minute versenkt Beniamino Molinari per Kopf den Ball im Netz, das hochverdiente 2:2. Großer Jubel bei den Anhängern. Noch in den Schlussminuten hätte er beinahe noch ein 3-Punkte-Spiel gezaubert, jedoch war das Glück in diesem Moment mit den Neckarsulmern.

Nach diesen 90 Minuten im Wechselbad ist das Ergebnis schwer einzuordnen. Da aber die direkte Abstiegskonkurrenz Federn ließ, kann man nach dieser großartigen Mannschaftsleistung von einem echten Punktgewinn reden. Zudem kann man ob der von der Mannschaft erbrachten Leistung mit Zuversicht in die letzten Spiele gehen. Diese Normannia muß sich vor niemanden verstecken und schafft den Klassenerhalt! Lediglich beim Zuschauerzuspruch konnten die Schwerzer-Husaren heute gegen die Gummienten der Landesgartenschau nicht punkten. Aber wichtiger war, das seit über 50 Jahren keine Neckarsulmer Mannschaft im Schwerzer gewonnen hat. Und dies auch 2014 so blieb.

Rote Schwerzer-Husaren. Auch ein Unentschieden kann ein Sieg sein.


Spielberichte:
Neckarsulmer SU: Gerechtes Remis für die NSU in Schwäbisch Gmünd
Neckarsulmer SU: Video zum Spiel
Normannia Gmünd: Sonderlob für die Jungen

Samstag, 10. Mai 2014

Zurückgeblättert (2) - Rückblick auf die Meisterschaft und Vorschau auf 1932/33

Die Meisterelf der Normannia, die bei den Aufstiegsspielen 1931/32
so glänzend abgeschnitten hat. Bildtext und Foto: Rems-Zeitung (Juli 1932)
Die Spieler brauchten eine Weile, um des Geschehene zu begreifen. Als sie am Abend Gmünd erreichten, da hatte sich ihr Erfolg bereits herumgesprochen, und die Gold- und Silberstadt war auf den Beinen, um ihren Fußballhelden einen begeisternden Empfang zu bereiten. Jener 19. Juni 1932 war für Normannia Gmünd einer der größten Erfolge der Vereinsgeschichte, zum damaligen Zeitpunkt der Erfolg schlechthin. Zum zweiten Mal nach der schon zur Legende gewordenen Saison 1921/22 spielte Normannia in der obersten Fußballklasse, der Bezirksliga Württemberg. Im letzten Aufstiegsspiel in Pforzheim schlugen die Normannen den FV 09 Niefern mit 3:1 und setzte sich an die Spitze der Aufstiegsrunde, schmückte sich gar mit dem Titel eines Aufstiegsmeisters.

Alles begann mit einer Ligareform. Der Unterbau zur Bezirksliga Württemberg war zunächst in 4 Kreisligen aufgeteilt. Der 1. FC Normannia kämpfte hierbei mit mäßigen Erfolg in der Kreisliga Cannstatt, oft genug sogar gegen den Abstieg. Die Wende kam mit dem Schluß der Saison 1930/31. Der Verband (Normannia war übrigens wieder nur Drittletzter geworden) bastelte aus Mannschaften der beiden Kreisligen Cannstatt (Normannia Gmünd, VfR Aalen und 1. FC Urbach) und Zollen (1. Göppinger SV, VfB Kirchheim, 1. FC Donzdorf, SC Göppingen 09 und 1. FC Eislingen) die neue Kreisliga Hohenstaufen. Hinzu kamen noch die beiden Aufsteiger 1. FC Uhingen und SV Schorndorf.

Die neue Liga schmeckte den Normannen gut. In 18 Spielen gab es lediglich eine Niederlage und drei Unentschieden, und am Ende der Saison durfte man sich mit vier Punkten Vorsprung vor dem Lokalrivalen Göppinger SV als erster Kreismeister Hohenstaufen feiern lassen.

        1. 1. FC Normannia Gmünd     66:20    31-5
        2. 1. Göppinger SV                 62:25    27-9
        3. VfB 1911 Kirchheim            55:34    25-11
        4. VfR Aalen                          51:41    23-13
        5. SV Schorndorf (N)              45:45    16-20
        6. SC Göppingen 09               28:30    15-21
        7. 1. FC Eislingen                  33:38    14-22
        8. 1. FC Donzdorf                   40:78    12-24
        9. 1. FC Urbach                      35:57    12-24
        10. 1. FC Uhingen (N)               19:66      5-31
Von den A-Klassenmeistern setzten sich FV 08 Unterkochen und FV Vorwärts Faurndau durch, die 1932/33 in der Kreisliga um Punkte kämpften.

Die Meisterschaft in der Hohenstaufenliga war allerdings nur der erste Schritt. Die Schwerzer-Elf mußte sich nun in Aufstiegsspielen gegen fünf weitere Kreismeister bewähren. In Gmünd blieb man verhalten optimistisch, was diese Spiele anging. "Zu zeigen und zu versuchen, ob das Können und die Kraft ausreicht, um diese schweren Spiele durchzustehen", lautete die von der Vereinsführung ausgegebene Devise, zugleich sollten der Kreis Hohenstaufen, die Stadt und der Verein würdig vertreten werden. Am stärksten wurde die Stuttgarter Konkurrenz eingeschätzt. In der Kreisliga Cannstatt setzte sich der Traditionsclub Stuttgarter SC mit seiner starken Offensive durch, und allgemein galt der SSC als Favorit für einen der beiden Aufstiegsplätze. Ähnlich dominant zogen die Sportfreunde Stuttgart in der Kreisliga Alt-Württemberg ihre Bahnen. Der Weg in die Bezirksliga konnte nur über die beiden starken Stuttgarter errungen werden. Die anderen Teilnehmer waren aus der Kreisliga Enz-Neckar der FV 09 Niefern, der Zuhause ohne Punktverlust blieb und als Zünglein an der Waage angesehen werden konnte. Der FC Tailfingen verteidigte in der Kreisliga Zollern seinen Titel, wenn auch knapp vor dem SV 05 Reutlingen. Als Außenseiter wurde der Meister der Kreisliga Hohenlohe, die Sportfreunde Heilbronn angesehen, die als Neuling direkt zur Ligameisterschaft marschierten.

Die Aufstiegsspiele


Gleich das erste Aufstiegsspiel brachte die Stuttgarter Sportfreunde in den Schwerzer, und in einem dramatischen Spiel blieb die Normannia mit 3:2 Sieger. Dann folgte die lange Fahrt in die südliche Alb zum Tabellenführer FC Tailfingen, die sehr selbstbewußt nach dem ersten Spiel - immerhin 4:2 beim favorisierten Stuttgarter SC -  auf die Gmünder warteten. Hier erkämpfte sich Normannia ein 1:1. Die Sportfreunde Heilbronn fuhren mit einem 0:6 aus Gmünd zurück, bevor die Normannia zum Spitzenspiel an den Stuttgarter Gaskessel fuhr. Das Glück verließ die Normannen, der SSC behielt deutlich mit 3:0 die Oberhand. Es folgte das aufregendste der Gmünder Aufstiegsspiele. Im Schwerzer empfingen die Normannen den FV Niefern, und nach 90 Minuten herrschte Erleichterung im Gmünder Lager, denn man behielt mit dem kuriosen Ergebnis von 6:5 die Oberhand.

Es entwickelte sich ein Dreikampf um die zwei Aufstiegsplätze: die beiden Stuttgarter Vereine gegen die Normannia aus Gmünd. Das Rückspiel bei den Sportfreunden Stuttgart blieb wieder erfolgreich für den FCN, anschließend schlug man die Tailfinger im Schwerzer mit 3:2 und blieb auch in Heilbronn Sieger. Nachdem im vorletzten Spiel die Normannen Zuhause gegen den Stuttgarter SC mit 1:3 unterlagen, entschied sich jetzt alles im letzten Spiel in Pforzheim. Mit 3:1 fuhren die Gmünder den gastgebenden FV Niefern an die Wand, und das unerwartete trat ein: Normannia Gmünd wurde Aufstiegsmeister und würde im Folgejahr in der obersten Fußballklasse antreten. Ebenfalls stieg der Stuttgarter Sportclub auf, der den Normannen in beiden Spielen Niederlagen beibrachte. Nutznießer der Normannia-Aufstiegs war auch der 1. FC Urbach, der somit durch die Hintertür den Klassenerhalt in der Kreisliga feiern konnte.


Die unter Leitung von Josef Pauser stehende Elf sah mit gespannter Erwartung auf die kommenden Aufgaben. Die Stammspieler des Triumphes hießen in der klassischen Aufstellung (2 Verteidiger, 3 Läufer, 5 Stürmer) Stadelmaier - Hägele, Debler - Hefele, Rein, Blattner - Ströbele, Stütz, Mezger, Butz, Schwegler. Zudem kamen noch Ackermann, Brenner, Schierle und Stegmaier zu Einsätzen.

Bezirksliga Württemberg 1932/33


Im Normannia-Lager war man realistisch genug einzusehen, dass die kommende Spielzeit mehr als hart werden würde. Ein Selbstläufer würde die Zugehörigkeit unter den 10 besten Teams nicht werden. Ernst Haug, der legendäre und beliebte Sportreporter der Rems-Zeitung, analysierte in seinem Vorbericht treffend: "Bange machen gibt es nicht. Es war schon nicht leicht, die Höhe zu erreichen und schwerer wird es ganz bestimmt sein, sie zu halten.

Ich habe mal versucht, mit Hilfe von Google-Maps eine Übersicht über die teilnehmenden Vereine zu basteln. Man sieht sehr schön die Konzentration um Stuttgart (5 Vereine) und Pforzheim (3 Vereine). Böckingen und Gmünd stehen wie einsame Außenposten am geographischen Rand der Liga. In der Vorsasion stiegen der FV Zuffenhausen und der VfR Heilbronn ab - beides spielstarke und angesehene Vereine - und auf die beiden Neulinge warteten illustre Namen.

Da war zum einen der Ligameister 1. FC Pforzheim, der mit Auswahlspieler Merz einen der besten Kicker Süddeutschlands ins Rennen schickte. Bei den Entscheidungsspielen in Süddeutschland blieb der Club allerdings ohne Einfluß gegen Bayern München und 1. FC Nürnberg, und der Süddeutsche Meister und deutsche Vizemeister von 1906 schloß mit dem 4. Platz ab. Noch schlechter erging es dem VfB Stuttgart, dem Zweiten der Liga, der in der Süddeutschen abgeschlagen Letzter wurde, sogar noch hinter Rastatt.

Diese beiden Mannschaften zählten auch in der neuen Ligarunde zu den Favoriten auf den württembergischen Titel. Ebenfalls auf der Rechnung haben mußte man die Stuttgarter Kickers, den Süddeutschen Pokalsieger. Die Vorsaison verlief zwar mit dem 7. Platz ziemlich schlecht für die Degerlocher. Auf der Rechnung mußte man den Patenverein der Gmünder Normannia allerdings immer.

Ein Rätsel blieben die beiden Aufsteiger der vergangenen Spielzeit. Nach einen fast schon sensationellen 3. und 4. Platz für die kecken Neulinge Sportfreunde 02 Eßlingen und SV 98 Feuerbach - die Teilnahme an der Süddeutschen Meisterschaft war in greifbarer Nähe - rätselte man in den Fußballkreisen, ob dieser Erfolg wiederholt werden konnte.

Den neben dem 1. FC Pforzheim beiden anderen badischen "Gastarbeiter" Germania Brötzingen und 1. FC Birkenfeld wurden Plätze im Mittelfeld zugetraut.

Das Feld vervollständigte der FV Union Böckingen, der in der Vergangenheit oft genug als "launische Diva" durch die Saison ging und nach dem Abstieg des Lokalrivalen VfR Heilbronn alleine das Unterland vertrat. Böckingen hatte eine verwachsene Saison mit einem Mittelfeldplatz hinter sich. Zu rechnen hatte man mit den Seeräubern allerdings immer.

Schwer genug also für die Gmünder, in der Spielzeit zu bestehen. Erschwerend kam hinzu, dass vom Süddeutschen Verband eine Spielsperre für den Juli verhängt wurde. So blieb der Normannia als Vorbereitung nur ein einzige Spiel, der Rest mußte durch Trainingseinheiten ergänzt werden, die nach einer vierzehntägigen Pause auch wieder aufgenommen wurde.

Das Programm der Normannia für die Hinrunde 1932 sah wie folgt aus:
      • 16. Juli: Siegesfeier im katholischen Vereinshaus (heute "Pelikan")
      • 31. Juli: 1. FC Nürnberg II (Freundschaftsspiel, H)
      • 7. August: Stuttgarter Kickers (A)
      • 14. August: 1. FC Pforzheim (H)
      • 21. August: SV 98 Feuerbach (A)
      • 28. August: FC Germania Brötzingen (H)
      • 4. September: Stuttgarter SC (H)
      • 11. September: 1. FC Birkenfeld (A)
      • 18. September: VfB Stuttgart (H)
      • 25. September: FV 08 Union Böckingen (A)
      • 2. Oktober: Sportfreunde 02 Eßlingen (H)
Die zweite Mannschaft der Normannia, die 1932 ebenfalls die Meisterschaft der Reserverunde in der Kreisliga gewonnen hatte, würde mit Ausnahme der Spiele gegen Brötzingen und Birkenfeld ebenfalls an der Reserverunde der Bezirksliga teilnehmen. Für die dritte Mannschaft der Normannia, im Vorjahr im Mittelfeld der B-Klasse, Gruppe Rems, würde erneut versuchen, gegen die Konkurrenz der Umgebung zu bestehen.

Andere Folgen der Serie "Zurückgeblättert":


Donnerstag, 8. Mai 2014

"Dich kenn' ich doch?" - TSGV Waldstetten gegen SSV Ulm 1846 II

Der Stuifen grüßt am Horizont - TSGV-Platz in Waldstetten.
Da reise ich Fußballbekloppter mit der Bahn nach Albstadt oder Tübingen, dabei übersah ich bislang, dass es in unmittelbarer Nachbarschaft auch tolle Vereine gibt. Nord oder Süd - Bettringen oder Waldstetten, so hieß für mich am Sonntag die Entscheidung, und ich entschied mich spontan für die 7.119-Einwohner Gemeinde Waldstetten am Fuße des Stuifens, einen der drei Kaiserberge. Den Landesliga-Neuling kann ich sogar zu Fuß erreichen - hin und zurück verspaziere ich knapp 8 Kilometer unter meinen Füßen. Zur Abwechslung mal angenehmer als eine lange Bahnfahrt. Vielleicht hilft der Spaziergang auch darüber hinweg, den Ärger über die Normannia-Niederlage in Bissingen zu verdauen.

Zu Gast beim TSGV Waldstetten ist die zweite Mannschaft des zur Zeit durch Vereinsquerelen gebeutelten SSV Ulm 1846 Fußball, die wie die erste Mannschaft gerade gegen den Abstieg kämpft. Zudem gibt es ein Wiedersehen mit Leo Gjini, der früher u. a. für Normannia die Kickschuhe schnürte und jetzt als Trainer des TSGV erfolgreich am Spielfeldrand steht.

TSGV - Das klingt zunächst mal sperrig, und hinter dem Kürzel verbirgt sich der Turn-, Sport- und Gesangsverein Waldstetten 1847, ein Mehrspartenverein, dessen Wurzeln tatsächlich auf den 1847 gegründeten Gesangsverein "Cäcillia" zurückgehen. 1872 folgte die Gründung des Turnvereins, der schließlich 1919 mit dem Gesangsverein fusionierte.

Die Fußballer spielten lange Zeit keine große Rolle und tauchen in den vergilbten Tabellen meines Archivs nur in den unteren Spielklassen auf. Legendär blieben in den Amateurligazeiten die Derbies gegen den Ortsrivalen FSV "Bombenschuß" Waldstetten, der in den 1980er Jahren ein kurzes Revival als FSV "Bombenschuß" Waldstetten II, die Söhne erlebte. In der jüngeren Vergangenheit war die Bezirksliga die Heimstatt des TSGV, ehe im vergangenen Jahr der Aufstieg in die Landesliga gefeiert werden konnte, in denen der Neuling bislang eine gute Figur macht.

Haupttor zum TSGV-Platz.
Der Seiteneingang. Vom Mittagstisch
direkt zum Fußball - Genial!










Allein die Aussicht vom TSGV-Platz läßt mein Herz als alter Albvereinler höher schlagen: im Süden stehen imposant der Stuifen und der Rechberg sowie das Panorama der Schwäbischen Alb, im Norden öffnet sich der Horizont weit in den Schwäbisch-Fränkischen Wald. Sollte der TSGV-Platz mal einen Namen bekommen, "Panoramastadion" wäre zutreffend. Außerdem bin ich überzeugt, ohne Fußballplatz wäre die Fläche gewiss schon mit Einfamilienhäuser bebaut.



Bei meinem Eintreffen kämpft gerade die zweite Mannschaft des TSGV in einer Partie der Kreisliga B gegen das Tor des SV Hussenhofen an, aber die Gastgeber verzweifelten förmlich an Torhüter Martin Kottmann. Waldstetten erlaubte sich sogar den Luxus, einen Elfmeter zu verschießen, und das 0:0 wurde von den Gästen ausgiebig gefeiert, während es für die TSGV II ein kleiner Rückschlag im Aufstiegsrennen darstellt.

Rino Speradio (rechts, mit Mütze)
schaut schon nach seinem Kameramann.
Für das Hauptspiel suche ich mir einen guten Sichtplatz unter der kleinen Tribüne, da werde ich bereits von Ulms Trainer Rino Speradio als Assistent "zwangsverpflichtet". Mit Blick auf meine Fototasche ist er der Ansicht, ich könne auch gleich seine Videokamera bedienen. Behufs meines Einwandes, der Akku zeige doch nur einen Strich an, meint er ziemlich gelassen, ich solle halt so lange filmen, wie es geht. In meiner Naivität denke ich, "na ja, so 10, 15 Minuten kann ich ja den Gefallen tun. Länger wird der Akku eh' nicht halten".




Hätte es sich um meine Videokamera gehandelt, hätte ich sogar recht behalten. So aber sehe ich von der ersten Halbzeit fast gar nichts, da ich stets bemüht bin, das Spiel möglichst wackelfrei festzuhalten. So viel Kameraehre muß sein, trotz der ungewohnten Perspektive, aus der ich das Spiel verfolge.
Waldstetten macht schnell von seinem Heimrecht gebrauch und stürmt sehr forsch auf das Tor der Ulmer. Die Ulmer, die gegen den Abstieg ankämpfen, wehren sich mehr als tapfer, allerdings lassen sich die Waldstetter auf eigenem Platz nicht den Schneid abkaufen.

Nach 25 Minuten fällt durch einen verwandelten Strafstoß der vielumjubelte Führungstreffer des TSGV. Das ist aber auch der einzige Zeitpunkt, indem das Publikum lautstark Anteil am Geschehen auf dem Fußballplatz nimmt. Ansonsten schaut man zu, unterhält sich über andere Themen, trinkt ein Bier oder verzehrt eine Wurst. Schals, Mützen oder andere Fanartikel? Abgesehen von den Vereinsklamotten der Spieler der zweiten Mannschaft - Fehlanzeige. Vor ein paar Wochen in Lorch, immerhin nur Kreisliga B, sah das schon wesentlich anders aus.

Die Trainer begrüßen sich.













Die Kamera indes hat Mitleid mit den Ulmer - kurz bevor Fabian Hollas das 2:0 in der 42. Minute erzielt, macht der Akku schlapp. So bleibt den elf Ulmern die Wiederholung bei der Nachbesprechung erspart. Und ich habe wieder Zeit, Fotos zu schießen und z. B. den Torjubel des TSGV festzuhalten.

Soeben fiel das 2:0 fürWaldstetten.
Mit gesenkten Häuptern in die Pause.










Die Halbzeit bringt für die Ulmer zunächst eine dringend benötigte Atempause und für mich die Gelegenheit, dem Ulmer Coach die Videokamera zurück zu geben und mich selber vom Amt des persönlichen Kameraassistenten zu entheben.

Nur mit Menschen wie ihn
funktioniert ein Verein:
Kurt Erhardt.
Als ich mich ein wenig umsehe, werde ich angesprochen. "Woher kenne ich dich jetzt", rätselt Kurt Erhardt bei meinen Anblick. Die Frage ist leicht beantwortet, denn ich erkenne ich auch sofort: vom Albmarathon und vom DRK-12-Stundenlauf. Denn er ist nicht nur Betreuer bei der 2. Mannschaft des TSGV, sondern auch Wettkampfrichter für den DLV, und als solchen habe ich ihn schon in meiner Läuferzeit mehrmals erlebt. Überrascht war ich lediglich, dass er sich auch ehrenamtlich im Fußball engagiert.

Lediglich von meiner Aussage, dass ich meine Laufschuhe an den Nagel gehängt habe, will er sich nicht so richtig abfinden.




Die 2. Halbzeit zeigt eine aggressivere Ulmer Mannschaft, die offensichtlich gewillt ist, das 0:2 noch in ein verwertbares Ergebnis umzuwandeln. Hätte man vielleicht von Seiten der Gastgeber geglaubt, jetzt eine ruhigere Kugel schieben zu können, so lehrten die Spatzen das Gegenteil. Zumindest moralisch lieferten die Ulmer eine gute Partie, und die Waldstetter Löwen mußten sich anstrengen, damit das Spiel nicht noch in den Ulmer Fußballannalen als "das Wunder von der Ostalb" eingeht.

Gut gelaunt: Bürgermeister
Michael Rembold (m.)
Noch in der 1. Halbzeit ist auch Waldstettens Bürgermeister
Michael Rembold eingetroffen, der nun sichtlich erfreut von der TSGV-Kommandobrücke das Spielgeschehen verfolgt.

Mittlerweile wechsle ich die Position, um das Spiel ein wenig in der Sonne zu genießen. Hinter dem Tor befindet sich förmlich eine große Liegewiese, und irgendwie ist es total entspannend, sich im warmen Gras niederzulassen.




Anders, als es der Spielstand vermuten lassen könnte, ist vor dem Tor von Waldstettens Keeper Jürgen Morbitzer einiges los. Ulm rennt verzweifelt an, jedoch gibt sich Waldstettens Nr. 1 keine Blöße.

"Du kommst hier nicht rein" - Morbitzer hält den Kasten sauber.
Manchmal muß man
einfach laut sein.
"Wer hät g'denkt, das m'r im erschten Jahr so guat dastandet?" sagt ein älterer Herr zu mir. Ja, so wie es aussieht, scheint sich der TSGV sehr wohl zu fühlen in der Landesliga. Wir unterhalten uns über den Fußball in Waldstetten, ich erfahre, dass er früher mal für die Sportfreunde Gmünd in der 2. Amateurliga die Stiefel geschnürt hat - lang, lang ist es her. "Aber ein paar Zuschauer mehr hätte Waldstetten schon verdient", meine ich zu ihm. "Hano, des isch halt die Zwoite von Ulm. Da kummt doch koiner von dene mit" - "Nun ja, aber eigentlich meine ich ja schon die Heimzuschauer". "Ha ja, da send die Derbys gega Bargau, da isch immer was los hier, ond näscht's Jahr isch wahrscheinlich no' Bettringen dabei, ond vielleicht au..." Mir zuliebe - das scheint die hiesige Gastfreundschaft zu sein, spricht er nicht aus, dass er klammheimlich auch von Derbys gegen Normannia Gmünd träumt. Seine Frau drängelt - Frauen haben nie so das Verständnis für Amateurfußball - und wir verabschieden uns, ohne das ich es vergesse, mich für das nette Gespräch zu bedanken.

Die Fußballer indes haben ihre Tore für die letzten Minuten aufgespart: Kleinmann, Buhl und Cinar heißen die Torschützen für den TSGV in der 87., 89. und 90. Minute. Hätte ich mich hinter dem Tor der Ulmer aufgestellt, hätte es eindeutig mehr zum sehen gegeben. Waldstetten reißt mit dem Schlußpfiff die Arme hoch. Ein 5:0 kann sich sehen lassen, und dem Klassenerhalt kann man langsam aber sicher fest einplanen, während Ulm auf einen Abstiegsplatz abgerutscht ist.

Schlußpfiff in Waldstetten.
Feiert mit seinem Team: Leo Gjini.
Redet mit seinem Team: Rino Speradio.











Spielberichte:
TSGV Waldstetten: Glückseligkeit unterm Rechberg
Augsburger Allgemeine: Absturz auf einen Abstiegsplatz
Südwest-Presse: Die "Zweite" des SSV 46 im freien Fall - 0:5

Sonntag, 4. Mai 2014

In Überzahl läuft es .... nicht - FSV 08 Bissingen gegen FC Normannia Gmünd


Um 15:30 Uhr war die Welt noch in Ordnung.
Mit gemischten Gefühlen ging die Fahrt nach Bietigheim-Bissingen. Einerseits machte der verdiente Erfolg gegen Sindelfingen in der Vorwoche Mut, andererseits machte es die Mannschaft zum Spielende unnötig spannend. Zudem haben die Verfolger ihr Pflichtprogramm allesamt erfüllt, und durch die beiden Freitagsspiele rutschte die Normannia jetzt aktuell auf den gefährlichen 12. Platz.

Da kommt die Auswärtsfahrt zum Tabellenzweiten etwas ungünstig. Die Bissinger stehen völlig verdient auf dem 2. Platz, und Zuhause verloren sie nur ein Spiel, kassierten gar nur 3 Gegentreffer. Ehrlich gesagt, nach der Leistung der letzten Spieltage zu werten, wäre es angenehmer für die Schwerzer-Elf, zum Tabellenführer VfR Aalen II zu fahren. Da wären Punkte einfacher zu verdienen.

Da Fußballfans auch ein klein wenig abergläubig sind, unterstützte mich heute ein Fanschal des SC Göttingen 05Hardy Grüne, Autor zahlreicher Fußballbücher, Journalist und Extremradsportler war der Ansicht, ich könnte etwas Farbe zum rot-weiß der Normannia gebrauchen. "Warum eigentlich nicht", dachte ich so, "die Göttinger waren in der Vergangenheit oft für Überraschungen gut. Dann möge ein wenig SC-05-Magie auf das Normannia-Spiel niederkommen".
Im letzten Spiel brachte der Fanschal des TV Dereningen ja Glück, vielleicht hilft der Göttinger Kollege ja, um wenigstens das 1:1 aus dem Hinspiel zu wiederholen?
In verzeweifelten Situationen greift man zu allen Maßnahmen, um sein Team punkten zu sehen. Die Katze gehört übrigens nicht zur Fanausstattung.

Wenn von Fußball in Bietigheim-Bissingen die Rede ist, dann denken die Fußballtraditionalisten zunächst mal an den SV Germania Bietigheim, Traditionsverein und alter Rivale der Normannen. Doch die ruhmreichen Zeiten der Amateurliga Nordwürttemberg sind schon lange vorbei für die blau-weißen Germanen, die nur noch in der Bezirksliga antreten, und auch innerstädtisch haben andere blau-weiße Kicker die Führungsrolle längst übernommen.

Der FSV 08 Bissingen taucht zwar erst in der jüngeren Vergangenheit im überregionalen Blickfeld auf, dennoch kann er auf eine lange Tradition zurückblicken. Gegründet wurde der Verein 1908 als FC Viktoria Bissingen. Bissingen gehört somit zu den damaligen schwäbischen Landgemeinden, die bereits vor 1914 einen Fußballverein besaßen, was keine Selbstverständlichkeit war. Üblicherweise begann die Fußballära auf dem Land erst ab 1920. Allerdings hatte Bissingen damals bereits eine nennenswerte Größe, der Einfluß der Industrie war zudem auch zu spüren. Der Ball zur Vereinsgründung rollte dabei aus Heilbronn herüber, "Entwicklungshelfer" waren zwei Herren namens Bächtle und Messer, die beruflich an der Enz zu tun hatten und das Fußballspiel aus der Käthchenstadt importierten.

Der Fußball gedieh, der Verein schloß sich nicht dem DFB, sondern dem Arbeiter-Turnbund an, und erst mit Beginn des Ersten Weltkriegs bekam die Entwicklung des Fußballsports einen Rückschlag. 1919 fusionierten die Viktoren mit der Sportvereinigung Bissingen, die sich ab 1924 im Arbeiter- Turn- und Sportbund organisierten. Mit dem Verbot des ATSB durch die Nationalsozialisten 1933 kam auch das Ende für den selbständigen Fußballverein, die sich als Fußballabteilung 1934 dem Turnverein Bissingen anschloß. 1935/36 konnte sogar der Aufstieg in A-Klasse gefeiert werden.

Nach 1945 kam es zur Neugründung als Sportvereinigung Bissingen, die 1946 und 1948 in die damals drittklassige Bezirksklasse aufstiegen. Am 5. Januar 1950 begann dann die Geschichte des FSV 08 Bissingen, nachdem sich die Fußballer von der Sportvereinigung lösten und einen eigenständigen Verein gründeten.

Es folgten erfolgreiche Jahre in der 2. Amateurliga, in die der FSV 1952 aufstieg und 17 Jahre ununterbrochen angehörte. Dabei überholte man auch erstmals Lokalrivale Germania Bietigheim, der noch in der A-Klasse dahindarbte. Die Bissinger hielten sich tapfer in der Spielklasse, wurden 1955 in die Staffel 1 versetzt, kehrten 1959 aber wieder in die angestammte Staffel 2 zurück. Eine große Rolle spielte man zwar nie in der 2. Amateurliga, der 3. Platz 1966 war die beste Platzierung des FSV, aber man war eine feste Größe und schon damals eine gefürchtete Heimmanschaft. 1969 erfolgte der Abstieg aus der Vierten Liga, und es wurde etwas ruhiger um den FSV. Bis in die Kreisliga hinunter geht die Geschichte des Vereins, der dann ab 2000, mit dem Aufstieg in die Bezirksliga, beginnt, im Fußballländle seinen Höhenflug anzutreten.

Vereinslokal des FSV (Hintergrund),
Müllcontainer des FSV (Vordergrund).
2004, die Mannschaft gewann souverän den Titel der Bezirksliga und stieg in die Landesliga auf, da ließ sie noch als Bezirksligist von sich Reden. Im WFV-Pokal stürmten die Bissinger bis ins Finale. Nach einem Freilos in Runde 1 wurde zunächst mal der ambionierte Landesligist TSV Schwieberdingen mit 2:0 nach Hause geschickt. In der 3. Runde mußte Oberligist TSV Crailsheim mit 3:1 die Segel streichen, und im Achtelfinale konnte in der Verlängerung Landesligist TSV Münchingen geschlagen werden. Auch Verbandsligist SV Böblingen und Oberligist SGV Freiberg waren keine Stolpersteine, und so standen die kecken Bezirksliga-Kicker plötzlich ím Finale und nur noch ein Spiel von einer Teilnahme am DFB-Pokal entfernt.
Vor 1.000 Zuschauer in Fellbach blieben die Jungs um Spielertrainer Alfonso Garcia am 19. Mai 2004 gegen den Regionalligisten VfR Aalen allerdings chancenlos. Ganze 8 Gegentreffer kassierte Torhüter Burkhardt, und der Traum vom Pokal war ausgeträumt. Dennoch: spätestens jetzt war der FSV in aller Munde, und der Höhenflug keineswegs beendet.

2006 erfolgte der Aufstieg in die Verbandsliga, 2012 ging es gar in die Oberliga, aus der der FSV 2013 wieder abstieg. Doch die Chancen stehen an der Enz nicht schlecht, in naher Zukunft wieder im baden-württembergischen Oberhaus zu spielen.

Nach einer wahren Baustellen-Odyssee durch Ludwigsburg erreichen wir den Bruchwald, die Heimstätte des FSV 08, gegen 14:30 Uhr. Zeit genug, um noch in Ruhe ein Stadionbier zu verdrücken und dem kleinen mitgereisten Normannia-Anhang einen guten Tag zu Wünschen.  Neben den "üblichen Verdächtigen" wie Bredi und den Mannen des 12. Manns ist auch Normannia-Präsident Dieter Weil mit von der Partie, um die Schewrzer-Elf vor Ort zu unterstützen. Für ein Gesprächsthema ist auch schnell gesorgt, findet das heutige Spiel doch auf einem Kunstrasen statt. Dabei wären wir in Gmünd froh, wenn unser Rasen in solch' schlechtem Zustand wäre.
Hier heute nicht. Der Rasenplatz.
Die Harten spielen auf dem Hartplatz.









Helden der Kreisklasse.

Vielleicht liegt es ja an den kalten Temperaturen und den harschen Wind, aber alles wirkt kalt und grau und so gar nicht würdig für einen Oberligaaspiranten.
Selbst der Kaffee kommt in einemMogelgewand daher. In einem für die Verbandsliga regelrecht edlen Becher - Respekt! - tummelt sich eine undurchsichtige Flüssigkeit, die gerade so noch als Heißgetränk durchgeht, aber leider nur wenig an eine aufgebrühte Strauchfrucht aus dem Hochland Äthiopiens erinnert.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Verpflegungsstand am anderen Ende der Sportanlage installiert ist, und auch die Toiletten nur im Vereinsheim vorhanden sind. Alles in allem erweckt sich mir der Eindruck, man habe die Fußballer in die hinterste Ecke strafversetzt worden wären, gemäß dem Motto: "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern!"

Versprühen gute Laune und Zuversicht: Wolfgang Thamm (l.)
vom 12. Mann und FCN-Präsident Dieter Weil (r.)
Auch Bredi blickt schon
kritisch ins Spiel.
Zunehmend kommen auch die Zuschauer ins Stadion, am Ende werden 220 gezählt. Nicht viel für eine Mannschaft, die heute darauf aus ist, Platz 1 der Verbandsliga zu erobern. Einige Bissinger sind auch in blau-weißen Jacken erschienen, auch der eine oder andere Schal ist dabei. Bemerken wird man die Heimfans im Spiel jedoch nicht. Direkt unter uns steht eine kleine Rentergruppe, die quasi vom ganzen Spiel nichts mitbekommt, da sie sich über gewichtigere Themen unterhält.

Gleich nach Anpfiff zeigen die Bissinger, warum sie um den Aufstieg mitspielen. Schnelles, ballsicheres Auftreten, torhungriges, gefälliges Spiel, Zweikampfstark - als neutraler Zuschauer würde ich gleich gefallen am Bissinger Team finden. Als Normannia-Anhänger steht man hingegen gleich mit einem mulmigen Gefühl am erhöhten Stehplatz.

Im Tor der beiden Mannschaften stehen sich heute Burkhardt und Burkhardt gegenüber - Sven Burkhardt im Dress des FSV, Magnus Burkhardt bei Normannia.

Wie gesagt, um das Spiel herum ist es recht ruhig, und man kann die Vöglein aus dem nahen Bruchwald bei ihrem Balzgesang belauschen. Für Vogelkundler wäre dieses Spiel ein wahres Paradies Für Gaetano Molinari ist diese Ruhe zu unerträglich, er stimmt den "FCN"-Kampfruf an, und wir fallen gehorsam ein.
Was nun folgt, kann man am besten mit "Provinzposse" umschreiben: die Bissinger Zuschauer drehen sich zu uns her und starren uns mit weit aufgerissenen Augen an, Gelächter folgt, hämische Bemerkungen, nachgeäffte FCN-Laute. Die Bissinger reagieren mit Unverständnis, so als ob ich beispielsweise im Ballett während der besonders dramatischen Sterbeszene in "Schwanensee" plötzlich lauthals "laaaaaangweilig" in die Stille rufen würde. "Was schreiet ihr denn do? FCN, was heischt des denn?" Nun, ich habe mir angewöhnt, sarkastische Bemerkungen grundsätzlich nicht zu erwidern. Als beim nächsten mal wieder etwas vom silberhaarigen Herrn zu meiner linken zu mir her tönt, lasse ich meine Grundätze doch unauffällig im Kleinhirn verschwinden. "Wenn des euch zu laut isch, na müsset ihr halt in der Kreisliga spiela. Da geht es ruhiger zu" erwidere ich freundlich, aber spitz. "Oh noi, da hört ma no schlimmere Sache" antwortet der Old Boy of Bissingen. Auf der anderen Seite hätte ich gedacht, dass man in Bissingen während der Oberliga-Zugehörigkeit weitaus höhere Kaliber in punkto Gästefans erlebt hätte, als die paar Hansel aus dem Remstal...

Nur ein Lattentreffer.
Zum Spielverlauf in der 1. Halbzeit läßt sich sagen, dass Bissingen in meinen Augen die ersten 45 Minuten deutlich beherrscht, Normannia brauchte etwas, um ins Spiel zu finden und dem schnellen Auftreten der Hausherren wirksam zu unterbinden. Aufatmen meinerseits, nachdem FSV-Stürmer Mario Klotz zwei dicke Chancen nicht im FCN-Gehäuse versenken kann. Im Gegenzug müssen die Gastgeber feststellen, dass Normannia ihre Standards geübt haben. Als Guiseppe Catizone nach einem Freistoß den Ball an die Latte knallt, sind es zur Abwechslung mal die Bissinger, die tief durchatmen dürfen.

"Oh, ein Fußballspiel!"
Kurz vor Seitenwechsel wird es noch einmal besonders unruhig. Schiedsrichter Johannes Steck schickt Mustapha El M'Hassani - von den Fans liebevoll Musti genannt - mit Gelb/Rot aus dem Spiel. Nicht alle Bissinger Zuschauer bekommen das mit. Meine kleine Rentnergruppe, die "Nierenstein-Ultras", schnattern ungeniert weiter, ich glaube, von der ganzen 1. Halbzeit haben die vielleicht 5 Minuten das Spielgeschehen verfolgt. Auch hier merke ich - der Stadionbesuch erfüllt eine soziale Funktion, ein Treffpunkt, wie der Friseur oder der Wochenmarktbesuch. Das Spiel ist unwichtig.

Damit könnte ich leben.
Zur Halbzeit also 0:0, aus Sicht der Normannia sicherlich zufriedenstellend. In der letzten Viertelstunde des ersten Spielabschnitts wurde die Schwerzer-Elf forscher, und man blickt etwas zuversichtlicher in die restliche Partie, zumal die 08er nur noch mit 10 Mann zu bestehen haben. Vielleicht werden die Bissinger ja jetzt so schwach ihr Stadion-Kaffee?

Weit gefehlt. Im Gegensatz zu den Hochlandbohnen sind verbliebenen 10 Bissinger ordentlich abgebrüht, und sie denken gar nicht daran, sich Zuhause kampflos in die Bredouille bringen zu lassen. Aber auch die Normannen kämpfen, und es verspricht, eine offene Partie zu werden.

Nach ungefähr 10 Minuten in der 2. Halbzeit fällt es dem Dreiergespann unter mir auf, dass ihnen ein Spieler abhanden gekommen ist. Eienr wendet sich an meinen Nebenmann. "Sog mal, hat der Schiri uns oin rausgeschtellt? Do standät doch bloß no 9 Feldschpieler?" - "Hättet ihr halt aufgepaßt und net die ganze Zeit über andere Dinge gschwätzt" schnattere ich dazwischen. "Is' doch wahr" sage ich entschuldigend zu meinem Nebenmann.

1:0 für Bissingen.
Das Überzahlspiel scheint der Normannia nicht zu liegen, und in der 56. Minute ist es Hasan Morina, der sich nicht zweimal bitten läßt und seine Chance knallhart ins Tor von Magnus Burkhardt versenkt. Jubel beim Bissinger Anhang, "jetzt erst recht" beim kleinen FCN-Anhang. Lautstark und trotzig schmettern wir unsere Anfeuerung aufs Feld (Reaktionen des Bissinger Publikums siehe oben).



Keine 10 Minuten später hat Beniamino Molinari auf der Gegenseite eine faustdicke Chance, scheitert aber an Torhüter Sven Burkhardt. Überhaupt fehlt heute ein Vollstrecker auf Normanniaseite, denn die Chancen sind da, beide Mannschaften sind durchaus gleichwertig, auch wenn die Hausherren durch den Platzverweis natürlich gehandicapt sind.
Folgenlose Dramatik vor dem FSV-Tor.
Den Ball im Griff: Tim Reich.










Verdienter Jubel nach dem 2:0.
Der Kampf wankt zwischen 1:1 und 2:0. Normannia drängt nach Vorne, lediglich der Erfolg bleibt versagt. In der Nachspielzeit schließlich passiert es. Holger Ludwig versenkt mit einem sehenswerten Schuß den Ball im FCN-Gehäuse, 2:0 für den FSV, womit auch der Endstand ermittelt ist. Die Bissinger Spieler erkämpfen sich in Unterzahl die Tabellenführung in der Verbandsliga, und trotz schwarz-roter Vereinsbrille muß gestehen, vollkommen verdient. Wer seine Chancen konsequent nutzt, darf sich auch den Siegerlorbeer überstülpen.

Für mich besonders tragisch ist der Umstand, dass man den Normannen keinen Vorwurf machen kann. Sie haben alle großartig gekämpft, ein Unentschieden wäre mehr als Verdient gewesen. Umso tiefer sitzt jetzt der Frust , der sich bei uns Fans auf der Rückfahrt durch teilweise betretenes Schweigen bemerkbar machte.

Bredi fand am Sonntag die passende Umschreibung für das Geschehen: "Über die gestrige Leistung als solche kann man in der Tat nicht schimpfen. Doch man hat sich einfach nicht selber dafür belohnt. Solche Niederlagen frustieren mich mehr als Niederlagen in Spielen, bei denen der Gegner klar besser ist. Hätten wir das Hinspiel verloren, wäre ich bei weitem nicht so gefrustet gewesen."

Mein Fazit: Bissingen absolut Oberligareif, weniger vom Umfeld und vom Kaffee (da ist man auf Bezirksliga-Niveau stehen geblieben), aber durch die klasse Leistung der Mannschaft. Mit dem Spielwitz müssen sich die 08er in der Oberliga nicht verstecken. Auf Normannia wartet hingegen noch mehr als nur ein heißer Tanz auf dem Vulkan. Weitere Punktgeschenke darf man sich nicht mehr leisten. Ich glaube an die Jungs, werde sie weiterhin kräftig unterstützen. Mehr liegt nicht meiner Macht. Höschtens in einer Hinsicht: "Never change a winning scarf!" - Brachte der Fanschal des TV Derendingen beim letzen Heimspiel einen großartigen 3:2-Sieg, so entpuppte sich der Schal des SC Göttingen 05 als "Master of Desaster".

Der TVD-Schal sprach soeben zu mir, "wenn du mich am Samstag gegen Neckarsulm ins Stadion mitnimmst, gewinnen wir 2:0". Nun denn, man sollte immer auf einen Schal hören....
And we were singing,
hymns and arias,
team of my fathers,
NORMANNIA GMÜND!
Spielberichte:
Normannia: Unaufmerksamkeit kostet Punkte
Bietigheimer Zeitung: Nullacht übernimmt Platz eins