Sonntag, 23. März 2014

„Halt endlich dei Gosch!“ - FC Normannia Gmünd gegen FC Wangen 05

Schlußpfiff im Normanniastadion. Wieder drei wichtige Punkte erkämpft.
Für das heutige Heimspiel des 1. FC Normannia muß ich ein klein wenig in die Vergangenheit zurückblicken.

3. Oktober 2001. Tag der Deutschen Einheit. Und 2. Hauptrunde im Württembergischen Verbandspokal.

Normannia Gmünd, damals Landesligist, empfing den FV 08 Rottweil, immerhin Verbandsligist, und siegte in einem wahnsinnig spannenden Spiel verdient mit 2:1, sicherte sich den Einzug in die nächste Runde.

Das schlichte Normannia-N.
Vorbildliche Wappengestaltung.
Zwei Dinge neben diesem Erfolg gegen einen klassenhöheren Verein sind mir aus dieser Partie heute noch in Bewußstein.
Eins war der schreckliche Zusammenprall zweier Spieler, der dafür sorgte, dass der Schiedsrichter das Spiel unterbrach und unverzüglich zu dem auf den Boden liegenden Rottweiler stürmte, um ihn die Zunge aus der Gurgel zu ziehen. Bis heute bewundere ich den "Mann in Schwarz" für die schnelle Reaktion und seinen Weitblick!

Das andere war, das mein Kumpel Mario und ich erstmals lauthals ein Normannia-Spiel unterstützten, alles um uns herum ignorierten und eben das Heimteam zum Sieg schrieen. Und das ein Gmünder Zuschauer (!) uns anblökte: "Lassät den Schexx".

Heute hatte ich ein Déjà-vu, und leider nicht mal ein angehmes.

Aber der Reihe nach.

Auch akzeptabel: das Wappen
von FC Wangen 05.
Nach dem 4:2-Auswärtserfolg in Albstadt eine Woche zuvor hatte Normannia zwar eine gute Ausgangslage geschaffen. Eine Niederlage würde allerdings den Erfolg Makulatur werden lassen. Die Tabelle der Verbandsliga ist einfach zu eng, zwischen Himmel und Hölle klaffen nur kleine Lücken.

Der Tabellenvierte FC Wangen 05 war so eine Mannschaft, die das Potenzial hatte, die Schwerzer-Elf wieder Richtung Hades zu kicken. Die Allgäuer durften sich zumindest auf den zweitbesten Sturm der Liga (38 Tore) berufen, und während Normannias Heimbilanz ziemlich mau aussieht, hat Wangen im Gegenzug eine positive Auswärtsbilanz. Aber Fußball ist nicht für Statistiker gemacht, sonst könnte man die Ergebnisse gleich imVorfeld berechnen, und ich könnte gemütlich Zuhause bei einer Tasse Tee sitzen und in Hardy Grünes Vereinslexikon schmökern.
Die Gäste aus Wangen beim aufwärmen.

Nein, Fußball ist ein sehr unberechenbarer Sport, wie der abgeschlagene Tabellenletzte SV Bonlanden bewies, der die Sportfreunde Schwäbisch Hall mit 3:1 nach Hause schickte. Und so war es mir eine Ehrenpflicht, meine Mannschaft beim Heimspiel zu unterstützen.

Leider hinderte das "Wetterchen" die Gmünder dem nachzueifern, so dass am Ende nur 184 Zuschauer im Stadionrund gezählt wurden - vergleichbar mit dem Albstadtspiel. Auch ich mußte zunächst alleine den FCN unterstützen da Mario - der sich sonst kein Heimspiel entgehen läßt - beruflich zu tun hatte und erst zur Halbzeit den Schwerzer aufsuchen konnte.

Beim Zutritt über das Haupttor fragt der Herr vor mir den Kassierer: "G'winna ma au heut?" - "Klar", falle ich ungefragt ins Gespräch ein "bestimmt mit 3:0". Na ja, ich konnte noch nie gute Tipps abgeben. "Einen beheizten Stehplatz bitte" ordere ich bei Herrn Stegmaier, der im Kassenhaus sitzt. Dieser geht allerdings nicht auf meine flapsige Bestellung ein.

Derweil baut die Fangruppe "12. Mann" ihr Fahnen-, Banner- und Instrumentenheer unter freien Himmel und nicht der kleinen, überdachten Stehplatztraverse auf und beweist damit, dass sie keine Schönwetterfans sind.
In den Neunzigern standen hier Birken,
und bei Heimspielen für gewöhnlich ich.
Da ich wie üblich viel zu früh da bin, mache ich noch einen Abstecher ins Mannschaftsheim, wo ich Gmünds Edelfan Bredi dabei ertappe, wie er 2. Bundesliga im Bezahlfernsehen anschaut. Zu seiner Verteidigung muß ich anführen, dass durch die Partie Köln gegen Aalen zumindest eine Ostalbbeteiligung gegeben war, und er sich dies wohl nur aus heimatkundlichen Fortbildungsgründen angetan hat.

Mich hält es nicht sonderlich lange im Vereinsheim, muß trotz des schlechten Wetters wieder hinauf, "den Rasen riechen", wie ich zu Michele sage, der bei Normannia-Heimspielen als ehrenamtlicher Platzordner seinen wichtigen Teil für den Spielbetrieb beiträgt.

Yvonne? Türsteherin der
netten Art.
Der alte Aufgang zum
Normanniastadion.
Nebenbei werde ich von der nettesten "Türsteherin" des Amateurfußballs kontrolliert. Es ist nicht schön, wenn man alt wird: ich habe ihren Namen vergessen! Yvonne? War es Yvonne? Sie wünscht mir zumindest viel Spaß und hofft auf viele gute Fotomotive meinerseits.

Dann mußte ich mal die Rollstuhlrampe knipsen. Früher befand sich da ein Eingang zum Normanniastadion, der nach dem Aufstieg in die Oberliga nicht mehr verwendet werden durfte. Dieses kleine Holzhäuschen, in dem der Kassierer saß, die schmale Treppe, die zum Stadion hochführte - ich muß zugeben, dass mir als Fußballnostalgiker solche Dinge ein klein wenig fehlen. Vielleicht gerade deshalb, weil sie nicht mehr zeitgemäß sind?

Das Heimteam. Forza Normannia!
Traditionell baue ich mich hinter dem Tor Richtung Hallenbad auf, am schmalen Verbindungsweg zwischen Kunst- und Originalrasen. Mittlerweile ist die Normannia-Elf beim aufwärmen, und einige Spieler bedanken sich noch bei mir für den Besuch im Ebinger Albstadion. Auch so eine Kleinigkeit, was mir in der Bundesliga nie passieren würde und die bei mir für Vereinstreue sorgt.

Das Wetter ist wirklich ein alter Miesepeter. Die ganze Arbeitswoche scheint die Sonne, das man am liebsten seine Wanderstiefel schnappen und über die Alb ziehen würde, und am Wochenende zeigt es sich von seiner Tiefseite, läßt sogar Schnee auf höheren Lagen wieder zu. Frau Holle hat sie doch nicht alle! Optimistisch wie ich bin halte ich dies Mistwetter jedoch für Normannia-Wetter. Schließlich gelang der 4:2-Auswärtserfolg in Albstadt unter ähnlich miserablen Verhältnissen.

Ist frohen Mutes: Nico Schoch.
Das Stadion füllt sich leider nicht wirklich mit Fans. Ob aus Wangen ein paar Verwegene die lange Fahrt ihres Teams ins Remstal mitgemacht haben, ist fraglich. Zumindest habe ich keinen einzigen bemerkt.

Vor Beginn der Partie kommt die Flaggenparade des "12. Manns". Gründungsmitglied Nico Schoch beweist, das er einen Blick in den Spätzleskick geworfen hat. "Laut Satzung sind die Vereinsfarben aber rot-weiß", meint er auf meinen ironischen Seitenhieb im Spätzleskick zum Stauferderby gegen Göppingen. "Das ist richtig", frotzele ich zurück, "aber die Spielkleidung ist rot-schwarz. Und rot-weiß hat doch schließlich jeder". Der FC Wangen zum Beispiel.

Man kann über die rot-weißen Normannen-Fans sagen was man will, beim Einmarsch der Mannschaften sind sie die Einzigen, die zu hören sind. Das Schweigen im Normannia-Birkenwäldchen ist mitunter traurig, und die Tribüne, das Herzstück eines jeden Stadions, verharrt in ehrfürchtigem Schweigen. Die von dort verbreitete Stimmung gleicht dem Katholikentag. Was könnte doch der Schwerzer, selbst mit nur 200 Zuschauern, für ein Hexenkessel sein...

Wenigstens, darüber freue ich mich wirklich, schaut mal wieder eine Einwohnerin der Justinus-Kerner-Straße von ihrem Fenster dem Spiel zu. Diese "Logenplätze" waren früher immer voller Kiebitze, und selbst ich erlebte noch die Zeiten in den Niederungen der Bezirksliga, als mehrere Fenster mit eintrittsfreien Zuschauern besetzt waren.

Stadionkiebitz.
Logenplatz vom Wohzimmer aus.
Passenderweise beginnt es bei Spielbeginn zu regnen. Ist zwar nicht nett und ich muß meine Kamera unter einem Regenschirm schützen, aber zumindest bleibt meine schwarz-rote Flagge durch die Nässe an der Bande kleben.

Belohnt werden die wenigen Zuschauer mit einem munteren Spiel. Kämpferische Normannen beginnen ohne Verzögerung das Gästetor anzurennen, und das 1:0 durch Felix Bauer in der 24. Minute ist die logische Konsequenz. Wangen brauchte lange um ins Spiel zu finden, erst gegen Ende der 1. Halbzeit wurde die Elf im blauen Dress offensiver, hatte auch immer den Überblick für den offenen Raum, kam gefährlich vor das Normannia-Tor über die Flanken. Dennoch: der Halbzeitstand zum 1:0 war aus meiner Sicht trotz schwarz-roter (oder rot-weißer) Vereinsbrille mehr als gerecht.

Die Flagge hält - dank 3-Wetter-Kraft.
Verdiente 1:0-Führung der Schwerzer-Elf.






In der Halbzeitpause schlappt dann auch endlich Mario ins Stadion. Er schämt sich ein wenig, da er von der Arbeit in schmutzigen Arbeitsklamotten den direkten Weg in den Schwerzer genommen hat. "Macht doch nichts", tröste ich ihn, "Fußball ist halt ein Arbeiter- und Proletensport. Du der Arbeiter, ich der Prolet. Passt doch". Seine Anwesenheit hat aber auch einen sehr praktischen Nutzen: ich kann endlich mein Equipment aus den Augen lassen und die Toilette aufsuchen.

Mit Toilettenbekanntschaften sollte man eigentlich nicht prahlen, aber beim Händewaschen begegne ich noch einem Spieler, der sich für die Unterstützung bedankt. "In der 2. Halbzeit versuche ich mal, ob Euch die Tribüne nicht auch anfeuern kann" verspreche ich in Verkennung meiner Fähigkeiten.

Kurz nach dem Wiederanpfiff rappelt es wieder im Tor. Diesmal leider im Normannia-Kasten, und die Allgäuer gleichen aus. Zudem wird der Regen stärker, und diesmal ist es an mir mich zu schämen, denn Mario drängt darauf, den Unterstand aufzuchen. Ich möchte nicht in den Ruf geraten, ein Zuckerfan zu sein, aber schon im Hinblick auf die teure Spiegelreflexkamera muß ich mich der Vernunft beugen.

So landen wir schließlich wohlbehütet unter dem bedachten Stehplatz, während eine Frau mit ihrem Sohn, die die komplette 1. Hälfte neben mir standen, treu auf ihrem Platz verweilen.

Wohlbehütet.
Ehrlich gesagt hält es mich auch nicht lange unter diesem Dach. Jahrelanges Wandern macht mich da doch ein wenig stumpfsinniger den Wettereinflüßen gegenüber, und ich beschließe eine kleine Stadionrunde.

Keine Schwierigkeiten bereitet es, den "12. Mann" zum lautstarken "EFFFF-CEEEEE-EEEEEN" zu animieren, das entspräche ja offene Türen einzurennen.
Den Elementen trotzen, den Verein unterstützen.
Die Fangruppe "Der 12. Mann".
Wie Normannia-Fanflaggen das Spiel sehen.











Die Normannia-Ersatzleute konfrontiere ich mit der rhethorisch gemeinten Frage, ob sie es denn immer so spannend machen müßten. Das sei schließlich nicht gut für meinen Blutdruck.









Die schwarz-rote Flagge hält immer noch wie angeklebt.
Vielleicht liegt es ja an meinen Fußball-Unsachverstand - immerhin war ich als Kind Reservespieler der Bolzplatzliga - oder an der Flasche Untergröninger Lammbräu, die ich mir in der Halbzeit gönnte, aber ich bin der Meinung, dass die Normannia-Elf sich den Hintern aufreißt und ein begeisterndes Spiel darbietet. Nur überträgt sich diese Begeisterung nicht auf die Tribüne, und ich erinnere mich an mein in der Toilette gegebenes Versprechen. Man sollte WC-Versprechen nicht leichtfertig abtun! So gehe ich meinen Weg auf die altehrwürdige Normannia-Tribüne zu, um sowohl mein Wort zu halten als auch mein Schicksal zu erfüllen.

Der VIP-Bereich der Tribüne hat gut lachen.
Zweiter von links FCN-Präsident Albert Klammer,
der Herr mit der Zigarre Fußballvorstand Mario Capezzuto.
Nun gut, mit dem VIP's will ich gar nicht richten - die Herren stehen in ihrem Leben zu sehr im Blick der Öffentlichkeit, als dass sie mal aus der Haut fahren dürften. Man merkt es am professionellen Lächeln der Beteiligten, wenn eine Kamera auf sie gerichtet wird. Lediglich Cavaliere Mario Capezutto zieht gekonnt-lässig an seiner Zigarre.

Mein unangenehmes Déjà-vu an 2001 habe ich beim weitergehen am hinteren Teil der Tribüne. "Was ist denn los mit euch? Da reißt sich eure Mannschaft den Arsch auf, und man hört euch nicht!"
Also gut, was man von anderen verlangt, muß man Vorleben: "EFFF-CEEE-EEENNNN!" rufe ich in die Tribüne hinein - "EFFF-CEEE-EEEENNN!" schallt es wenigstens von den Kindern zurück. Zumindest ein Anfang. Also noch einmal: "EFFF - CEEE - EEEENNN!" - und genauso halt es zurück. Diesmal stimmen auch ein paar Frauen mit ein. Geht doch, denke ich mir, einer muß nur anfangen, seine Hemmungen fallen zu lassen. "Jetzt lasst endlich die Tribüne brennen" denke ich mir, und starte den letzten verhängnisvollen Versuch: "EFFF-CEEE-EEENNN!" - "Halt endlich dei Gosch!!!" schimpft mir ziemlich pampig eine Männerstimme entgegen, und den schäumend-giftigen Blick auf der Tribüne habe ich auch schnell ausgemacht. Beim Wandern auf der Schwäbischen Alb begegne ich diesem Anblick ziemlich häufig bei aggressiven Hofhunden, die ziemlich kurz angekettet ihren Aussiedlerhof verteidigen.

Klar kotzt mich sowas an. Dann auch noch von einem Gmünder Zuschauer. Sind wir denn beim Schach? Ich akzeptiere ja, das sich meine Stimmgewalt eher auf dem Niveau von Troubadix bewegt. Muß man aber jemanden, der versucht der Begeisterung für die eigene Mannschaft Luft zu verschaffen, gleich so mit Feindseligkeit begegnen? Aber in solchen Momenten muß man einfach runterschlucken, seine Götz-Zitate für sich behalten und sich stets ins Bewußtsein rufen, dass das nicht die Mannschaft, nicht der Verein ist, und sich leider Gottes das alte Sprichwort "nix Mender wie an Gmender" bewahrheitet. "Die Tribüne brennt auch nur, wenn du sie vorher anzündest" denke ich grummelnd. Insgeheim träume ich von einen Fan-Flashmob auf der Tribüne, direkt hinter dem alten Grandler. Das wäre ein Fest...

Ersatzspieler des FC Wangen fiebern
vom Spielfeldrand aus mit.
Zurück zum Spielgeschehen und zu Mario. Der Regen hat endlich aufgehört, und ich kann ihn wieder dazu bewegen, zurück zu unserem alten Platz hinter dem Tor zu gehen. "Ach, schau an. Wenn es aufhört zu regnen, kommen die Männer wieder vor", frotzelt nicht zu Unrecht die Nebenfrau. Gut, das ich mich mit dem Schutz meiner Kamera rausreden kann.

Mittlerweile führt Normannia mit 2:1, auch ohne Tribüne. Unser FCN-Geschrei erschreckt die beiden Wangen-Ersatzspieler vor uns.
"Cool bleiben Jungs. Ihr wollt mir doch nicht erzählen, dass eure Fans euch bei euren Heimspielen nicht genauso lautstark unterstützen, oder?" - er schüttelt nur den Kopf. Oh, Heimatland! Was für eine traurige Fußball-Unkultur im Schwabenland.

Bei Spielende heißt es 3:1 für die Normannia. Kein unverdienter, aber auf alle Fälle ein wichtiger Sieg. Vielleicht fiel der Sieg um ein Tor zu hoch aus, Wangen war ein weitaus besserer Gegner, als es das Resultat ausdrückt. Aber ehrlich gesagt wäre ich ein schlechter Fan, wenn ich die Niederlage der Gäste zu sehr bedauern würde.

Echte Siegertypen. Musa Ayaz und
Kersten Göhl haben allen Grund zur Freude
Amateurfußball braucht Fans.
Die Spieler bedanken sich auf ihre Art bei der Fangruppe des "12. Mann", und auch ich kann noch einige Schnappschüsse erhaschen.




Fotografierender Fankollege.
Nico Schoch mit Normannia-Fanschal
und Göppinger-SV-Fantröte.

Alles in allem ein hochaufregendes, spannendes aber vor allem auch ein sehr schönes Spiel. Doch lange wird sich die Schwerzer-Elf auf ihren Lorbeeren nicht ausruhen. Nächsten Samstag geht es zu den Sportfreunden Schwäbisch Hall, und wir sind natürlich auch mit dabei.

Jubeln für Normannia, in Hall darf ich das. Denn bei Auswärtsspielen sind die Tribünengrandler nie zu sehen. Der Amateurfußball lebt nicht vom passieren der Stadionkassen allein. Herz und Seele sind Fans, die ihre Mannschaft nach vorne begleiten. Begeisterung darf nie nur auf vereinzelte Fans oder eine Fangruppe beschränkt sein, der Funke muß auf das gesamte Stadion überspringen. Das sei den Grantlern, den Miesepetern und den Kopf-über-mich-Schüttler ins Buch geschrieben. Aber nach dem 3:1-Sieg sage ich "vergeben und vergessen". Ich danke der Normannia-Elf um Trainer Patrick Widmann für diesen tollen Heimsieg, und auch dem unbekannten Wortverbieter für die heutige Blogüberschrift.

Spielbericht:
Rems-Zeitung: Fußball, Verbandsliga: FC Normannia besiegt den FC Wangen mit 3:1 (1:0)
FC Wangen: Der FC verliert erneut in der Fremde
schwäbische.de: Der FC verliert erneut in der Fremde

Montag, 17. März 2014

„Bin ich der einzige, der klatscht?“ – SG Schorndorf gegen SV Hertmannsweiler


Kassenhäuschen im Dornröschenschlaf
Auf dem Weg zur SG:  Namensgeber
und lange Zeit Sponsor der Ringer
Das fußballerische Schorndorf war immer eine Art Zwitterwesen: nie fand die Balltreterei in der Daimlerstadt eine Hochburg, aber ganz unbedeutend war der Sport dort auch nicht. Zu allem Unglück standen die Fußballer oft genug im Schatten der Leichtatlethen aus dem eigenen Verein oder der Ringer des ASV Bauknecht, der immerhin eine Deutsche Meisterschaft vorweisen kann.

Die Fußballtradition hoch hielt der immerhin 1903 gegründete VfL Schorndorf, dessen große Zeit nach dem  Zweiten Weltkrieg begann, der aber auch schon Lokalrivale der Gmünder Normannia vor dem Ersten Weltkrieg war. So mußte 1911 ein Entscheidungsspiel in Aalen um die Meisterschaft der C-Klasse zwischen Schorndorf und den Normannen entscheiden. Gmünds Josef Pauser erinnerte sich 1933: Die Schorndorfer, fast durchweg kräftige Gestalten, konnten schon rein körperlich Respekt einflößen, und als sie noch vollends bei dem kurzen Üben vor Spielbeginn ihre Schüsse aufs Tor jagten, da konnte es sich nur noch darum handeln, wie hoch die Normannen verlieren würden. Auch wenn der Rückblick durch die Jahre etwas verklärt gewesen sein mag und der Gegner möglicherweise nur überhöht dargestellt werden sollte - Normannia gewann schließlich gegen diese Hünen mit 3:1 - so dürften die Remstäler nicht ganz so schlecht gewesen sein.

Zeuge besserer Fußballtage: "Altlache"
1952 wurde der VfL Meister der fünftklassigen Bezirksklasse und stieg nach Relegationsspielen in die 2. Amateurliga auf, stieg aber auch sofort wieder ab. Erst 1961 blickten Schorndorfs Fußballanhänger wieder voller Stolz auf ihren VfL, als diesmal der Aufstieg für eine längere Dauer angelegt war. Eine Hochphase im Schorndorfer Fußball begann. Heute noch erinnern sich ältere Schorndorfer gerne an die Duelle im heimischen Stadion Altlache gegen den Nachbarn FC-TV Urbach, der aber meistens die Oberhand behielt, und 1966 stieg das Team erstmals in die Amateurliga Nordwürttemberg auf.

1978 gehörte der VfL sogar zu den Gründungsmitgliedern der Verbandsliga Württemberg. Nach dem Abstieg 1984 spielte man allerdings keine große Rolle mehr im Württembergischen Fußball, war selbst in der Landesliga oft genug nur Mittelmaß. Fast schon überraschend mutet da der 2. Platz 1989 hinter Viktoria Backnang an.

Die große Nummer im württembergischen Fußball waren die Fußballerinnen, die siebenmal an der Deutschen Meisterschaft und dreimal am DFB-Pokal der Frauen teilnahmen.

Anfang der Neunziger Jahre kam es zur Fusion mit TuS Schorndorf, in dessen Vereinsgeschichte u.a. der SKV Schorndorf drinsteckte, der 1971/72 auch mal kurz in der 2. Amateurliga vorbeischaute, und u.a. sein Heimspiel gegen den VfL mit 2:7 verlor.
Das neue Vereinsgebilde erhielt den Namen SG Schorndorf 1846 und ist der klassische Großsportverein mit mehreren Abteilungen, die teilweise florier(t)en. Fußballerisch rissen weder Männer noch Frauen die Bäume aus, die Herren stürzten sogar bis in die Kreisliga B und stehen zur Zeit auf Platz 2 der Kreisliga A. Grund genug für mich, nach meiner gestrigen Bahn-Odyssee nach Albstadt zur Entspannung das Spiel der SG gegen den 1952 gegründeten SV Hertmannsweiler zu besuchen.



Hertmannsweiler, ein Ortsteil von Winnenden, ließ im Spieltag zuvor den TSV Schlechtbach, den Tabellendritten, stolpern, und die Schorndorfer hofften, dies mit einem heutigen Sieg ausnutzen zu können um wenigstens den Relegationsplatz zu sichern. Die Gastgeber hingegen bewiesen Moral, als sie sehr früh in Unterzahl gerieten und dennoch ein Spiel drehten. Entsprechend war die Zuversicht am Sonntag.

Vom Bahnhof führt der Weg zur SG ca. 25 Minuten an einer vielbefahrenen Straße entlang, ehe man am Remsufer auf die sogenannte Altlache trifft, wo einst vor vollem Haus der VfL kickte. Für die heutige SG ist die etwas traurig dreinblickende Anlage aber offenbar overdressed, und ich muß über einem schlecht asphaltierten Weg zu einem Nebenplatz am Tennisheim pilgern. Ein Zettel am alten Kassenhäuschen weißt mir die Richtung.

"Spiel findet Hinten statt".
Ah, endlich. Ein Spielfeld und 2 Teams.
Nun ja, keine altehrwürdige Fußballarena aus vergangenen Tagen sondern ein seelenloser Hartplatz, wie er halt in der Kreisklasse so vorkommt, sinniere ich beim ersten Rundgang. Noch nicht einmal Bandenwerbung ziert den Platz. Würstchen vom Grill werden neben Limo feilgeboten, und am Eingang liegt das Programmheft aus.

Aus organisatorischen Gründen hat das Spiel 9 Minuten Versprätung. Mittlerweile füllt sich auch der Platz mit den üblichen Zuschauern: Kindern, Jugendspielern, einigen Sonntagsspaziergängern und Radfahrern, attraktiven Spielerfrauen und Veteranen aus ruhmreichen Fußballtagen. Neben so einer kleinen Dreiergruppe geselle ich mich und harre der Dinge, die da kommen mögen. Oswald, silberhaariges Haupt dieser kleinen Gruppe, ist ein profunder Kenner der Schorndorfer Fußballseele, und gibt seine Ansichten zum Spiel ohne gelb-rote Vereinsbrille durch.

Das Warten auf den Schiedsrichter nutzt das Wetter, um entgegen aller Prognosen die Wolken zurückzuziehen und der Sonne eine Chance zu geben. Beharrlich bleibt aber der Wind, der unentwegt das Spiel begleitet. Heute könnte man einen Drachen steigen lassen meine ich und erhalte volle Zustimmung meiner Nebenleute.

Was werde ich erleben? Den Kampf der Titanen? Helden der Kreisklasse? Oder den Tod des Handlungsreisenden?
Heute in himmelblau:
Schiedsrichter Marcel Wacker
Hertmannsweiler in rot, Schorndorf in gelb.

„Bin ich der einzige, der klatscht?“ höre ich Oswald neben mir, als die Mannschaften das Spielfeld betreten, und in der Tat sind die Zuschauer mehr mit sich selber als mit dem Geschehen auf dem Grün beschäftigt.

Oswald, der Herr mit der
Mütze, hat geklatscht.
Weder Fußballkutte noch Rockerkluft,
sondern Kleintierzuchtverein.


Das Spiel enttäuscht. Der Tabellenzweite spielt alles andere als ein Aufstiegskandidat für die Bezirksliga, und die Gäste aus Hertmannsweiler haben keine Mühe, für die ersten brenzligen Situationen zu Sorgen. Hohe Bälle werden vom Wind gnadenlos ins Seitenaus getrieben, und vom anderen Remsufer dringen die Geräusche leidenschaftlicher Zuschauer herüber. Dort spielt der italienische Club A.S.G.I Schorndorf in der Bezirksliga, und im Gegensatz zur SG scheint er auf die akustische Unterstützung seiner Fans bauen zu können.

Im Land der langen Schatten.
Hertmannsweiler nutzte gekonnt den freien Raum, wirkte konzentrierter und führte völlig verdient zur Pause mit 1:0. Der Halbzeitpfiff wurde unterschiedlich genutzt: Zuschauerinnen zogen in einer langen Karawane Richtung Tennisheim, um dort die Toiletten aufsuchen können, während die Männer sich am Grillstand stärkten und der Schiedsrichter small talk hielt. Vom weiteren Halbzeitgeschehen binich erst mal abgelenkt, da gerade die Runde gemacht wird, um das Eintrittsgeld zu kassieren.


Jetzt geht es ans Eingemachte, in der Halbzeitpause
wird der Eintritt kassiert.
Das Spiel war nicht berauschend, aber alleine, um diesen beiden
schwäbischen Originale zu erleben, hat sich der Besuch gelohnt. 
Der Mann neben mir bezahlt 2 Euro, und auch ich habe schon das passende Geld in der Hand, da sagt man zu mir „noi, drei Euro. Zwoi zahlet nur die Rentner“ - ich war wirklich schon schrecklich lange nicht mehr in der Kreisliga. Schnell versuche ich mich rauszureden. 
„Sie sehen doch, das ich graues Haar habe“, erwidere ich, „ich bin doch schon 77!“
„Da hascht die aber guat g'halta. Wie hasch des denn gmacht?“
 „Na, regelmäßig an der frischen Luft Fußball geguckt!“
„Ha! Guader Mann, so isch's richtig!“


Spielszene aus der 2. Halbzeit.








Nach einer Stunde fällt der Ausgleich für Schorndorf, doch täuscht es nicht darüber hinweg, das die Platzherren fast schon fahrlässig in der Abwehr und im Zweikampfverhalten sind. Das Spiel wird ruppiger, aber nicht schöner, jedoch läßt sich der Schiedsrichtern nicht aus der Ruhe bringen. 

Vor allem von Hertmannsweiler Seite wird es bei Spielunterbrechungen laut, Schorndorfs Publikum kontert, wenn der Schiri dem Verlangen nach Sanktionen nachkommt. Nichts, was zeitgleich in unzähligen Kreisklassenpartien in Deutschland nicht auch stattfinden würde. 

Ich beschließe, ein wenig die Runde zu machen und Dinge festzuhalten, die typisch für untere Spielklassen sind. 
Kreisliga Rems-Murr,
wo Linienrichter noch
Zeit für Späße haben.

Logenplätze in der Kreisliga.




Irgendwie hatte ich den richtigen Riecher, denn ich halte mich gegen Ende der Partie am Schorndorfer Tor auf. Dort fallen dann auch noch zwei Treffer gegen die Gastgeber, die ich auch fotografisch festhalten kann.

Soeben fällt das 1:2 ...
... und kurz danach das 1:3. Schorndorf wird vorgeführt.
Auch Kreisliga:
rauchende Ersatzspieler
Schorndorf, für einen Aufstiegsaspiranten, hat dem SV Hertmannsweiler nichts mehr entgegenzustellen. Emotional wird das Spiel von der Reserve kommentiert und es fallen Worte, die man sonst nur von Spielerväter bei Bambiniturnieren hört.

Nach dem 1:3-Endstand tönt es dann von einem Hertmannsweiler Spieler Richtung SG: „Habt ihr einen Koffer und die 6 Punkte schon rein getan“ - die Reserve hatte ihr Spiel ebenfalls gewonnen - „dann nehmen wir die Punkte gleich so mit“.

Nächste Woche müssen sie gegen den Tabellenführer antreten, der ebenfalls wie die SGS strauchelte, und Hertmannsweiler könnte sich in der Meisterschaft als Favoritenschreck entpuppen. Schorndorfs Leistung hatte mich ehrlich gesagt erschreckt. Die SG Schorndorf wieder in höhere Ligen erleben zu dürfen, scheint Äonen von Jahren entfernt zu sein.



Spielbericht:
SV Hertmannsweiler: Verdienter Gästesieg

Sonntag, 16. März 2014

Nach Albstadt einer Tasse wegen - FC 07 Albstadt gegen FC Normannia Gmünd

Das Albstadion in Ebingen

Albstadt - da klingt schon der Name nach dem dunklen Herz des Schwabenlandes, nach Kehrwoche, Linsen mit Spätzle und Menschen, die Häberle oder Pfleiderer heißen.
Die Stadt selber entstand 1975, als Ebingen, Tailfingen, Pfeffingen und Onstmettingen zusammengelegt wurden und ist ein pulsierendes Mittelzentrum in Hohenzollern.

Der FC 07 Albstadt entstand etwas später. Erst 1998 fusionierten die beiden Traditionsvereine FV Ebingen 07 und der FC Tailfingen 1910 zum neuen Fußballzentrum in den Hohenzollernschen Landen. Und obwohl beide Mannschaften sportlich zu jener Zeit keine große Rolle spielten, fand diese Fusion auch überregional Beachtung. Ich erinnere mich noch gut, wie ich damals im Kicker über die Meldung gestoßen bin.
FC Tailfingen
Ebingen, diese Behauptung stelle ich mal auf, hatte dabei die ruhmreichere, Tailfingen zum Zeitpunkt der Fusion die erfolgreichere (jüngere) Vergangenheit. Persönlich blieb mir die Spielzeit 1987/88, ebenfalls in der Verbandsliga, in Erinnerung, als sich der FC Tailfingen und der VfR Aalen, aber auch lange Zeit der VfR Heilbronn, der VfL Sindelfingen und die SpVgg Renningen ein spannendes Aufstiegsrennen lieferten, an dessen Ende die Tailfinger mit einem Punkt Vorsprung den Direktaufstieg feierten. Aalen mußte in die Relegation gegen den badischen FV Wiesental, erreichte aber auch durch diese Hintertür den Oberliga-Aufstieg. Aber während die Aalener als bester Aufsteiger die Klasse hielten, stieg der Vorjahres-Verbandsligameister als Vorletzter mit einem Schnitt von 703 Zuschauern pro Spiel wieder ab.
FV Ebingen 07

Spiele gegen eine der beiden Mannschaften waren aus Gmünder Sicht selten in der Vergangenheit. Ein Grund war natürlich die räumliche Trennung. Während „meine“ Normannia in der Amateurliga Nordwürttemberg antrat, spielten die Ebinger in der sogenannten Schwarzwald-Bodensee-Liga. Die Meister der jeweiligen Amateurklasse traten dabei in einem Entscheidungsspiel um den Titel des Württembergischen Meisters an. 1966 wurde Normannia Gmünd Meister in der Liga Nordwürttemberg, im Schwarzwald-Bodensee der FC 08 Villingen. Da aber die Villinger dem südbadischen Verband angehören, wurde das Entscheidungsspiel gegen den nächstplatzierten Württemberger ausgetragen, in diesem Falle dem FV Ebingen 07, der bereits 1964 und 1965 die Endspiele gegen die Amateure des VfB Stuttgart verlor. Das aller guten Dinge drei sind konnten die Ebinger dabei nicht behaupten, denn auch in Kirchheim/Teck 1966 blieben die Ebinger auf der Verliererstraße, und der FC Normannia Gmünd errang den (strenggenommen völlig nutzlosen und in Bezug auf die anstehenden Aufstiegsspiele auch unnötigen) Titel des Württembergischen Meisters.
Der TSB Schwäbisch Gmünd schließlich konnte in seiner Hochphase in den 1980er Jahren mehrmals gegen beide Teams in der Verbandsliga antreten.

Für jemanden, der bei seinen Auswärtsspielen auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, liegt Albstadt zwar nicht in unerreichbarer Ferne, aber immerhin doch so weit weg, das Zugreisen schon zu kleinen Weltreisen mutieren. Zwar ist durch den Bahntarif des Baden-Württemberg-Tickets eine günstige, aber bei weitem keine schnelle Verbindung nach Hohenzollern geschaffen. Bei aller Liebe zur Normannia, man überlegt es sich dreimal, ob man sich das antun möchte, und vielleicht wäre ich gestern auch lieber am warmen Ofen gesessen, hätte Hardy Grüne nicht alle Tassen im Schrank. Der Fußballautor und Journalist, Anhänger von Göttingen 05 und den Bristol Rovers, hat in seiner beachtlichen Sammlung an Fußballtassen nämlich eine nicht unerhebliche Lücke an württembergischen Vereinstassen. Um dem Abhilfe zu schaffen, schwänzte ich den Gmünder Stadtlauf und fuhr ins ferne Albstadt, einer Tasse wegen. Außerdem: Heimspiel kann jeder, also keine Scheu vor langen Anreisen in der sechsten Liga.

Bereits um 9:54 Uhr verliessen wir Gmünd Richtung Stuttgart, hatten dort 45 Minuten Aufenthalt, stiegen in die Bahn nach Tübingen und dort in den kleinen kuscheligen Zug der Hohenzollernschen Landesbahn, der an jeder Milchkanne hält. Das kalte, diesige Wetter lies nur wenig vom landschaftlichen Reiz einer Hohenzollern-Bahnfahrt übrig, selbst die Zollernburg war nur als düsterer Umriß in der Landschaft zu betrachten. Die Zugfahrt selber war schwer auszuhalten, da hinter uns eine Frau telefonierte, die förmlich jeden Satz mit der schwäbischen Bemerkung „woisch?“ (zu deutsch: „weißt du?“) beendete, und ich kämpfen mußte, mein Lachen zu unterdrücken. Eine echte Woisch-Mail eben. Nach fast 4 Stunden Anfahrt landeten wir schließlich in Ebingen, störten eine Busfahrerin in ihrer Pause (sie erwies sich jedoch als äußerst nett und wurde zum „Engel von Albstadt“ gekürt) und wurden letztlich direkt vor dem Albstadion in die Kälte entlassen.

Hinter dieser Fassade verbirgt sich ein Stadion.
Zum FC-07-Stüble geht es am Grill vorbei.
Es erwies sich, das wir zu früh da waren, zumindest vor dem Normannia-Bus. Auch die Kassen waren noch geschlossen, aber aus dem Albstadion drang Musik, und wir wagten einfach den Schritt durch die Glastüre beim Gebäude der Geschäftstelle. Der Zugang zum „FC-07-Stüble“, der Aufbewahrungsort der langgesuchten Tasse, befindet sich nämlich im Stadioninnern.
Angenehm überrascht war ich vom mehr als freundlichen Empfang, dem man mir als Gästefan erwies. Wie es sich gehört, spazierte ich mit schwarz-roter Jacke und natürlich einem Normannia-Schal ins Albstadion, wurde dort mit Handschlag begrüßt und man bedankte sich für unseren Besuch. Im kleinen Stüble standen sie schon, die Tassen, aber man hieß mich Geduld zu haben, als ich meine gierigen Finger in Richtung Grün'sches Sammelobjekt reckte.

Das Stüble war klein, aber familiär-gemütlich, an den Wänden hingen Erinnerungen an andere Zeiten - ein Wimpel des VfB Stuttgart oder Fotos vom Freundschaftsspiel gegen den FC Bayern München, das 2007 etwa 10.000 Menschen ins Albstadion lockte.

FCA und FCN beim Aufwärmen.
Es beginnt leicht zu regnen.
Das Wetter begnügte sich nicht damit, kalt zu bleiben, es beschloß, auch leichten Regen über Ebingen zu spendieren, und der Schloßberg blickte düster ins Tal.

Alles in allem ein kalter, verregneter Fußballtag.
Irgendwie litten auch meine Foto„künste“ darunter, denn bei der Nachbetrachtung stellte ich erschreckt fest, das die Mehrzahl meiner Bilder unscharf und verwackelt ist.

Im Stadion, einer klassischen Mehrsport-Anlage aus den 60er Jahren mit Tartanbahn und Weitsprunganlage, herrscht freie Platzwahl, und auch für die Tribüne gab es keinen Zuschlag. Aufgrund des Regens beschließe ich, erstmal dort Platz zu nehmen.
Das Albstadion in Ebingen.
Klaus in Aktion.
Einer der wenigen Albstädter,
der akustischen Widerstand leistet.
Die Zahl der Zuschauer ist sehr überschaubar, der Bericht erwähnt 160 Fußballfreunde, die den Weg hierher fanden. Ich setze mich zwischen die einzigen Fans mit blau-weißen Schal, die ich erkennen kann, und schließe dort gleich Freundschaft mit Klaus, der seinem heimischen FC Albstadt unterstützt. „So 300 Zuschauer würden für gewöhnlich schon kommen“, erzählt er, „aber bei dem Wetter bleiben viele Zuhause“. Das Problem der Schönwetterfans ist ja in vielen Spielklassen bekannt, und die Schwierigkeit, seine Mitmenschen auch außerhalb eines sogenannten Fußball-Events für einen Stadionbesuch zu begeistern, sind mir hinlänglich bekannt. Amateurfußball braucht Fans, hier und heute wird es mir wieder schrecklich klar.
Sehr schade, da die Verbandsliga so spannend wie lange nicht ist. Zwar mag die Partie FC Albstadt gegen Normannia Gmünd nicht zu den legendären Fußballklassikern gehören, aber der FCA ist an der Aufstiegsrelegation genauso nah dran ist wie an der Abstiegsrelegation. Bis zum letzten Spieltag wird es in der Liga sehr dramatisch bleiben, und jeder Punkt, jedes Törchen Vorsprung wohl oder übel über Glück und Unglück entscheiden. Die Albstädter hätten daher bei jedem Heimspiel die lautstarke Unterstützung durch ihre Zuschauer verdient. Aber abgesehen von Klaus wurden die Albstädter nur bei strittigen Szenen - derer es nicht wenige gab - recht laut, und ich konnte mit einem lautstarkem „EEEEEF-CEEEEE-EEEEEEN“ einen Albstädter Nebensitzer erschrecken - sowas war er wohl nicht gewohnt.

Bredi, stets für den Amateurfußball unterwegs.
Ein Gmünder Namensvetter von Albstadts Klaus war auch zugegen, vom Zollern-Alb-Kurier im Vorfeld als „Gmünder Edelfan“ angekündigt. Claus Breitenberger, besser bekannt als Bredi, ist sowas wie der süddeutsche Fußballglobetrotter und auf den Sportplätzen im Schwabenland (und teilweise darüber hinaus) bekannt wie der legendäre bunte Hund. Zwar Anhänger von Normannia Gmünd, den TSB-Handballern und dem SC Waldgirmes, aber auch immer wieder gerne bei jedem beliebigem Amateurligaspiel anzufinden.

Rituale vor Spielbeginn.

Blick von der Tribüne auf die Alb.









Als alter Albvereinler kann ich wenigstens etwas die Aussicht auf die Schwäbische Alb genießen, und gegen die Kälte greife ich dankbar auf den angebotenen Glühwein zurück.

"Where is Waldo?" bzw. "Wo ist die schwarz-rote Normanniafahne?"
Ein Bild aus der Halbzeitpause.
Sehr bald nach Anpfiff der Partie wird mir klar, diese Bahntortur hat sich gelohnt. Ein munteres Fußballspiel zweier Mannschaften auf Augenhöhe, in der 1. Halbzeit mit einem leicht höheren Spielanteil der Gastgeber. Die frühe Normannia-Führung war durchaus überraschend, konnte aber von Albstadt auch sehr bald wieder egalisiert werden. Nach einer strittigen Szene kam es zu einem Freistoß für Normannia mit anschließendem erneuten Führungstreffer zum 2:1-Halbzeitstand verwandelt werden konnte. 

Spielszene aus der 2. Halbzeit.
Auch nach dem Wechsel blieb das Spiel spannend, auch wenn Normannia nun aufdrehte. Am Ende stand ein bejubelter 4:2-Auswärtserfolg meines Teams fest, drei verdammt wichtige Punkte gegen den Abstieg. 
Beide Mannschaften zeigten eine großartige Leistung, lediglich für den FC Albstadt blieb das Happy-End aus. Dort haderte man allerdings sehr mit dem Schiedsrichter, und vor allem die Situation, die zum zwischenzeitlichem 1:2 führte, brachte hier große Aufregung. Wie gewohnt verweise ich auf die Spielberichte in den untenstehenden Links.

Tolle Mannschaft, miese Bildqualität.

Bei aller Sympathie für die freundlichen Gastgeber, die sich wirklich Mühe gaben, das ich mich als Gästefan bei ihnen wohlfühlte, freut mich natürlich der Auswärtserfolg der Normannia. Ich lasse mich zu einer spontanen Glückwunschaktion auf dem Rasen hinreissen - umso enttäuschter bin ich von meinen Fotos. Von drei Aufnahmen einer jubelnder Normannia ist gerade dieses eine sprichwörtlich halbscharf - ich war wohl zu aufgeregt... 

Hatten allen Grund zu jubeln. Aber jetzt heißt es schon wieder, sich auf den FC Wangen vorzubereiten.

Auch Bredi läßt sich zu einem Jubeltanz
hinreissen. Tanzpartner ist eine Flasche
Lehner-Bier.
Danach hieß es für uns schon wieder, die Rückreise-Odyssee anzutreten. Nach einer langen Rückfahrt in der HzL, zusammen mit Tübinger Basketball-Fans, denen wir ein Bier abquatschen konnten, ging es auf lange Nachtfahrt wieder ins Remstal. Nachdem in Stuttgart der Anschlußzug buchstäblich vor der Nase wegfuhr, war dafür gesorgt, das ich erst um 23 Uhr wieder Zuhause war. Aber, hat es sich nicht gelohnt, wegen eines Sechstligaspiels diesen Aufwand zu betreiben? Aber klar doch!



"Support your local brewery"
Bredi und Egon Stehle, sympathischer Geschäftsführer der
Lehner-Brauerei, die ein wirklich leckeres Bier braut.
"Support your local football team"
Mein Begleiter Mario auf der Heimfahrt in der HzL.

"Support your local basketball team"
Junge Albstädter auf dem Weg nach Tübingen.

Und die Tasse? Die habe ich natürlich wohlbehalten nach Schwäbisch Gmünd entführt, wo sie nächste Woche zusammen mit dem Stadionheft eingepackt und ins ferne Göttingen versendet wird, wo Hardy Grüne hoffentlich schon Platz im Schrank gemacht hat. Und mit etwas Glück schafft sie es dann in seine legendäre Tassen-Liga. Dort zumindest haben die Albstädter meinen Gmündern nämlich etwas voraus: Normannia hat nämlich keine Tassen im Schrank. Aber ich habe wenigstens schon begonnen, über die Tassenlosigkeit zu meckern...

Spielbericht: