Sonntag, 1. Mai 2016

Fremdgegangen: 1. FC Normannia Gmünd Hockey gegen TSG Bruchsal Hockey


Normannen beim Torjubel - auch im Hockey gerne gesehen.
Eigentlich ist es ja fast schon ungehörig, am Geburtstag des Normannia-Spielleiters Claus-Jörg Krischke dem Fußball den Rücken zu kehren und plötzlich beim Hockeysport aufzutauchen. Allerdings bleibt diese Liason in der Familie, denn Normannia hat auch eine traditionsreiche Hockeyabteilung, die es auch verdient hat, vom Fußballanhänger in Augenschein genommen zu werden.

Zuvörderst muß ich anmerken, dass neben Volleyball Hockey die einzige Mannschaftssportart war, in der ich, der "König der Sportuntauglichen", Verwendung und folglich auch Spaß finden konnte. Wir spielten überwiegend in der Sporthalle und nur einmal auf dem Rasen, wobei mir letztere Partie als äußerst schmerzhaft in Erinnerung blieb: mein eigener Mitspieler hielt sich nicht an die Regel, den Schläger nur bis zur Hüfthöhe zu halten und zentrierte beim Torschuß seinem Hintermanne - mir - den Schläger im Gesicht.


Aber hier geht es ja nicht um meine Hockeyvergangenheit, sondern um die Geschichte der Hockeyabteilung 1. FC Normannia Gmünd. Diese geht mindestens - was genaues weiß man nicht - auf das Jahr 1921 zurück, scheint aber zuvor schon beim SV Gmünd exisistiert zu haben, wie die Chroniken von 1986 und 2004 berichten. Hauptanhaltspunkt ist die Tatsache, dass laut Vereinsprotokollen zahlreiche SV'ler den Normannen beitraten. Sollte mit dem SV Gmünd jedoch der später in der Normannia aufgegangene 1. Sportverein 1895 Gmünd gemeint sein, so wurde dort jedoch meines Wissens in erster Linie Schwerathletik betrieben. Der andere SV Gmünd wäre der Schwimmverein gewesen, ein weiterer SV taucht im Adreßbuch des Jahres 1920 nicht (mehr) auf.

Für den Chronisten des 30jährigen Jubiläums, Willi Hildner, war ein nach dem Ersten Weltkrieg gegründeter Mehrspartenverein namens VfL Gmünd die Keimzelle des Gmünder Hockey. Die Gründerväter waren demnach die Gebrüder Glatthaar, die Brüder Gustav und Fritz Knödler sowie Eugen Trah. Nach einem ersten Freundschaftsspiel gegen den 1. Göppinger SV, dessen Ergebnis der Chronist nicht mitteilte, sei der komplette Verein der Normannia beigetreten.

Ein weites Feld und ein spannendes Aufgabengebiet für die lokale Sportforschung, wie ich meine. Wie auch immer, die Angaben sind sehr spärlich und fest steht nur, dass die Normannia-Hockeyabteilung am 7. Dezember 1921 den Fußballern gleichgestellt wurde. Zu Jahresende darf man im Schwerzer also "95 Jahre Normannia-Hockey" feiern!

Zum größten Bedauern der Hockeyabteilung selbst sind aus der Zeit von 1921 bis 1945 nur Fragmente ihrer Geschichte erhalten, und es wäre jetzt im "Spätzleskick" müßig, eine Liste von Abteilungsleitern aufzulisten. Auch ich muß mich auf meine spärlichen Angaben stützen, die ich bislang aus meinen Recherchen im Gmünder Stadtarchiv zum stiefmütterlichen Thema Sport herausgefischt habe - und für die Zeit vor 1945 sind bislang nur die Jahrgänge Juli 1930 bis Juni 1934 von mir archiviert worden. Nicht einfacher wird es durch die Tatsache, dass in den Hockeyspielberichten mehr von den Göppingern als den Normannen berichtet wird.

Fest steht, dass der Hockeysport sehr schnell auf festen Boden in der Normannia-Familie stand. Bei wichtigen "Propagandaspielen" der Fußballer beispielsweise waren oft genug die Hockeyer mit von der Partie und leisteten an diesen heißen Wettkampftagen ihren Anteil an der Förderung des Sports.
Der bereits erwähnte Eugen Trah, Josef Nuding und Helmut Voß wurden mehrfach in die württembergische Auswahlmannschaft berufen.

1924 fand in Gmünd das erste größere Hockeyturnier statt. Mannschaften wie Schwaben Augsburg, Stuttgarter Kickers, Villingen und 1. FC Pforzheim gaben bei diesem Turnier ihre Visitenkarte ab, und auch die Damenmannschaft absolvierte hierbei ihr erstes offizielles Spiel. Der Hockey brachte also wohl auch die "Frauenpower" in den Verein.

Wenn Freunde Hockey spielen.
Freundschaftliche Beziehungen scheinen zu den Nachbarn im Süden, der Hockeyabteilung des 1. Göppinger SV, bestanden zu haben. Zumindest wird bei Begegnungen dieser beiden Mannschaften in der Rems-Zeitung stets drauf hingewiesen.
Wie und wann diese guten Beziehungen gepflegt wurden, ist nicht überliefert; es darf aber nicht vergessen werden, dass es sich um die oftmals verklärte "gute, alte Zeit" handelt, vielerorts geprägt von sportlicher Kameradschaft.

Eine besondere Beziehung hat Normannia auch zum heutigen Gegner Bruchsal. In den Zeiten der Weltwirtschaftskrise und des aufkommenden Nationalsozialmus' - in denen die Hockeyer besondere Mühen hatten, ihren Sport aufrechtzuerhalten - da waren es die traditionellen Pfingsturniere in Bruchsal, die in den Erinnerungen der alten Hockeyveteranen geradezu zur Legende wurden.


Allessamt sind dies natürlich nur Kiesel- und keine Meilensteine aus der Geschichte der Hockeyabteilung zu jener Zeit. Für die Gmünder Presse war der Gmünder (nicht der Göppinger) Hockey entweder nur ein Stiefkind, oder aber bei den Normannen fühlte sich niemand von der Muse geküsst, die Pressearbeit zu übernehmen. Und so beschränkte sich die Berichterstattung größtenteils auf Vorschau und Endergebnis. Selbst Spielernamen tauchen nur sporadisch auf.


Suchanzeige in einer US-Zeitung 1944
Ein Name, der erst in jüngster Vergangenheit wieder in Umlauf war, verdient jedoch hervorgehoben zu werden, wiewohl ich die sportliche Qualität aus erwähnten Mängel nicht beurteilen kann. Hugo Kahn, der in Lämmles Werk "Die Gmünder Juden" explizit als Sportler erwähnt wird und somit wohl der einzige aktive Sportler der kleinen israelitischen Gemeinde Gmünds war, wirbelte nämlich im Hockeydress der Normannia über die Spielfelder. Geboren 1908, wanderte der Sohn des Stofftierfabrikanten Leopold Kahn 1937 mit seiner Frau Margot in die USA aus, wo er noch im selben Jahr in Südkalifornien die Staatsbürgerschaft beantragte. Er war der einzige Überlebende der Familie Kahn. Seine Tochter Doris Feldman spendete 2015 aus dem Erbe der Mutter Margot 1.000 US-Dollar für die Errichtung der jüdischen Gedenkstätte in Schwäbisch Gmünd.

Mit dem Nationalsozialismus kamen auch im Gmünder Hockey die Änderungen zum greifen, die auch sonst dem Sport veränderten, wie die Einheitssatzung mit dem "Führerprinzip" oder dem Verbot für jüdische Sportler wie Kahn, weiterhin aktiv zu bleiben.



Ein großes Ereignis im Sommer 1933 war die Einweihung des neuen Normannia-Platzes, der mit großen sportlichen Wettkämpfen aller Normanniaabteilungen zelebriert wurde. Fußball, Handball, Schwimmen, Leichtathletik begeisterten die Menschen. Auch die Hockeyabteilung war natürlich mit von der Partie, mußte ihr Spiel gegen den saarländischen Vertreter Borussia Neunkirchen jedoch auf dem benachbarten DJK-Platz bei St. Katharina austragen.
"Hr. Holdmann, der Führer der Hockeyabteilung der Neunkirchener, überreicht den Gmünder Freunden einen prächtigen Blumenstrauß mit Widmung, den die Normannen mit einem schönen Bild erwidern" heißt es da in der Berichterstattung. Vom Spiel selber erfährt man jedoch wenig. "Hüben und drüben gibts brenzelige Augenblicke. Torlos gehts in die Halbzeit. Nach der Pause macht sich Neunkirchens Überlegenheit dann doch deutlicher bemerkbar. Bald steht das Spiel 0:1 und kurz vor dem Schlußpfiff können die Gäste noch ein weiteres Tor erzielen."

Borussia Neunkirchen, 1933

Zum 30. Wiegenfest der Normannia 1934 stand eigentlich ein Hockeyspiel gegen den Göppinger SV auf dem Programm, doch war die nationalsozialistisch geprägt Saarkundgebung wichtiger für die Parteibonzen, so daß sie ersatzlos gestrichen wurde.

Während die Normannia-Fußballer noch bis 1945 Ligaspiele ausführten, kam bei der Hockeyabteilung bereits 1939 der Spielbetrieb zum erliegen.

Dass das Normannen-Hockey auch heute noch exisitiert, ist nicht zuletzt Paul König und Willi Hildner zu verdanken, die 1946 aus Krieg und Gefangenschaft zurückkehrten. Mit sechs weiteren Hockeyveteranen wurde das Training aufgenommen, mühsam Keller und Dachböden nach verbliebenen Spielgeräten durchsucht und mit handwerklichem Geschick neue Tore zusammengezimmert. Im Frühjahr 1947 war es dann endlich soweit: Normannia konnte nach fast 8 Jahren in Ludwigsburg wieder ein Hockeyspiel austragen. Kurze Zeit später konnte gar eine 2. Mannschaft in den Spielbetrieb gemeldet werden, und auch die Tradition der Damenmannschaft wurde ab 1950 fortgeführt.

Erwähnenswert ist sicher auch die Tatsache, dass die Gmünder Normannia 1948 im Stadtgarten das erste Hallenhockeyturnier in Württemberg durchführte.

Die 1950er Jahre waren ein Wechselbad zwischen Blütezeit und Krise. Einerseits verteidigte die Hockeyabteilung ihre Nische in der Zuschauergunst gegen "König Fußball", andererseits nahm die Spielstärke bedrohlich ab, da einige Leistungsträger nach Übersee auswanderten: Fredy Pauler oder Paul König sagten "Valet", und auch Albert Rieg suchte 1954 sein neues Glück an den Gestaden der Südafrikanischen Union. Auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht brachten den Verantwortlichen Sorgenfalten.

Zum 50. Jubiläum der Normannia 1954 beteiligten sich die Hockeyrecken mit einem internationalem Hockeyturnier. Grasshoppers Zürich, TSG Bruchsal oder der VfB Stuttgart waren zu Gast, dessen Turniersieger am Ende die Eisenbahnsportler des Rot-Weiß Stuttgart waren.


1960 bis 1962 trat der Inder Amrit Singh Datt im Normanniadreß an, eine Zeit, in der sich die Hockeyer den oftmals durchweichten Hartplatz noch mit den zahlreichen Fußballmannschaften oder gar den Radballern teilen mußten. Die längst fällige Erneuerung machte einen Umzug nötig, und so suchte und fand die Hockeyabteilung ihr Exil beim SV Rehnenhof und den Sportfreunden Gmünd, ehe man am 17. November 1963 wieder im Schwerzer den Ball jagen durfte.

Während in der Halle die Normannia durchaus zu gefallen und gewinnen wußte, blieben auf dem Feld häufig nur Mittelfeldplätze im Ranking übrig. 1975, der Altersdurchschnitt der 1. Mannschaft erreichte fast das Schwabenalter (39 Jahre), mußte ein Generationswechsel stattfinden und hierfür erstmal Jugendmannschaften herangezogen werden.

Wichtiger denn je ist auch heute, in den Zeiten eines demographischen Wandels, eine gezielte Jugendarbeit für die Hockeyer, die sich ihren guten Ruf auch durch ihre vorbildliche Jugendförderung erworben haben.

Eine ausführliche Würdigung des Gmünder Hockeys muß jemanden "vom Fach" überlassen werden. Gerade im Bezug auf die Frühzeit des Gmünder Hockeysports gibt es noch zahlreiche Dinge zu entdecken, und es wäre doch eine schöne Sache, wenn es 2021, zum 100sten Jubiläum der Normannia Hockeyabteilung, eine Festschrift mit neuen Fakten geben würde.

Die Ruhe vor dem Spiel.
Selber war ich freudig neugierig auf die Partie im Schwerzer, zumal mit dem TSG Bruchsal ein echter Hockeytraditionsverein und sportliches Schwergewicht zum Gastspiel kam.


Wenn ein "alder Seggl" wie ich in den Schwerzer geht, dann gehört es sich auch, mit dem schwarz-roten Schal um den Hals aufzubrechen. Das brachte - Hockey war am Samstag zur besten Fußballzeit angesetzt - einige Gmünder vor und nach dem Spiel etwas durcheinander. Panische Anfragen á la "die spielen doch erst morgen oder nicht?" etc. waren die Reaktionen.

Normannia spielt in der 2. Verbandsliga, was in der Ligapyramide die siebte von neun Ligen darstellt. Im Gegensatz zu den Fußballern jedoch gibt es im Hockey keine badischen und württembergischen Landesverbände, sondern einen einzigen für das gesamte Bundesland. Man tritt also auch gegen badische Teams an, in der untersten Spielklasse würde man gar auf Strasbourg treffen.


Bei meinem Eintreffen auf dem Kunstrasenplatz - ich dürfte der vierte Zuschauer gewesen sein - waren die Teams noch beim warmmachen. Das charakteristische "klacken", wenn Schläger auf Schläger trifft oder der Ball gespielt wird, ließ mich ein wenig an "Herr der Ringe" denken: "Speer wird zerschellen, Schild wird zersplittern" - eigenartig, welche Assoziationen Geräusche auslösen können.










Hockey ist anders als Fußball - das ist logisch und liegt in der Natur der Sache, sonst würde es ja auch "Fußball mit Schlägern" heißen. Das Spielfeld ist kleiner, die Spieldauer kürzer, gleich zwei Schiedsrichter leiten die Partie, denen zur Disziplinierung statt zwei gar drei Karten zur Verfügung stehen. Und es ist eine Auszeit möglich, was manchen Fußballtrainer mit Neid erfüllen dürfte. Am augenfälligsten ist der Umstand, dass die Normanniaspieler unter ihrer Rückennummer teilweise ihre Spitznamen stehen haben, und so kann es gut sein, das "Timmäääh" zu "Ulle" paßt oder "Suew" den gegnerischen Torwart prüft.


Und doch ist vieles ähnlich wie im Amateurfußball. Die Empotionen auf dem Spielfeld, die Verzweiflung, wenn eine Aktion mißlingt, Torwächter, die mit ihren Vorderleuten hadern oder Trainer, die am liebsten in den Schläger beißen würden ob der Aktion auf dem Feld.

Den Normannen scheine ich mit meinem Besuch kein Glück zu bringen. Es sind gerade mal 11 Minuten vergangen, da liegt Bruchsal bereits mit 2:0 in Front. Nachdem dann noch in der 1. Halbzeit das 0:3 fällt, denke ich schon á la Normannia-Tribünenbruddler: "Oh je, das sieht mal so richtig nach 'Klatschenpeter' aus". Man darf allerdings auch nicht vergessen, dass Bruchsal am oberen Ende der Tabelle sich einen Dreikampf mit Bietigheim und Villingen-Schwenningen liefert, während Normannia auf dem vorletzten Platz rangiert.

"Sie hab' i hier ab'r no nie g'seha" werde ich von einer Frau angesprochen. Selbstverständlich fallen Normannia-Schal und Kamera auf, allerdings sind Hockeyzuschauer eine kleine, verschworene Gemeinschaft. 25 bis 30 Personen zähle ich, die sich den Hockey-Recken auf dem Kunstrasen verbunden fühlen. Wen wundert es da, wenn neue Gesichter am Spielfeldrand auffallen?
Kleine aber feine und verschworene Fangemeinschaft.
Während bei den Normannia-Fußballern die Zuschauer mit feinsten Speisen und Getränken - oder zumindest der üblichen Stadiongastronomie - umsorgt werden, sind Hockeyfans Selbstversorger par excellance. Dort bringt ein Kumpel ein Sixpack mit, drüben wird eine Thermoskanne Kaffee aus der Tasche gezaubert. Sogar eine Flasche Sekt verliert während des Spiels ihren Kopf und Inhalt.

Die freundliche Dame klärt mich auch gleich über eine traditionelle Normanniaschwäche auf: "Die kriegat au nie a Ecke verwandelt" ist sie nach einer wiederholten Strafecke verärgert, womit sie beweist, dass sie wirklich richtig mitfiebert. Und ich muß zugeben, ich kann das ganz gut nachvollziehen. Aber wer denkt, Normannen würden sich einfach ihrem Schicksal ergeben, der weiß nicht, was das "N" auf der Brust bewirken kann.












Denn die Normannen legen ein paar Gänge zu, prüfen nicht nur den Gästehüter, sondern jagen ihm noch vor Seitenwechsel zwei Treffer ins Gehäuse, einmal rettet nur der Pfosten vor dem Torjubel.

Hier rettet noch der Pfosten ...

... aber dort darf gejubelt. Tor für Normannia!
Der aufgeholte und beinahe ausgeglichene Rückstand machte dann doch Mut für die zweite Spielhälfte. Mit dem 2:3 kann man gegen Bruchsal was aufbauen, und die Motivation war da.

Folglich wollten die "Men in Black" nicht nur in Schönheit sterben, sondern punkten und möglichst mit dem Siegerlorbeer bekränzt das Spielfeld verlassen. Und so komme ich in der 2. Halbzeit in den Genuß einer äußerst spannenden und hochdramatischen Partie folgen zu dürfen.


Das Tempo beim Hockey ist sehr hoch, zum taktieren ist hier wenig Zeit und beide Teams müssen unentwegt blitzschnell von Angriff auf Verteidigung umschalten (und umgekehrt).


Als Hockey-Zuschauernovize sehe ich Angriff auf Angriff der Normannen gegen das Gästetor anbranden, nur das Tor will nicht fallen. Es sind in der Tat Minuten, in denen man meinen könnte, die Tabellensituation beider Mannschaften wäre gegensätzlich und die Normannia war zu diesem Zeitpunkt spielbestimmender als die Gäste aus dem Kraichgau.

Wer von beiden liegt richtig?
Die Geier warten schon.
Wenn ich schon kein Tor zu Gesicht bekam, so wurde endlich meine Frage beantwortet, was passiert, wenn beide Referees gegensätzlicher Ansicht sind. Denn irgendwann war es soweit, dass beide Schiedsrichter eine Entscheidung ausdiskutieren mußten.


Und dann, dann endlich fiel doch noch der verdiente Ausgleich für die Normannia! Als man als Zuschauer beinahe schon verzweifeln konnte, gelang der vielumjubelte Treffer - 3:3.

Endlich den Gästekeeper überwunden - hier fällt das 3:3
Und die Normannen waren noch lange nicht satt, machten weiterhin Druck und bestürmten das Tor.



Aber das Spiel entschied sich, wie in einer griechischen Tragödie zu Ende, und da ist nunmal kein Platz für ein Happy End. Quasi in der Schlußminute wurde der FCN-Keeper überwunden, und Bruchsal ging erneut in Führung. Und damit blieb es auch bei Schlußpfiff, wenn auch die Normannen noch einmal das TSG-Tor bedrängten.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Stark gekämpft und doch verloren.

Lorbeer für den Sieger. Verdienter Jubel beim TSG Bruchsal.
Die Enttäuschung war ob des Leistung im Spiel beim Normannialager naturgemäß groß. Auch wenn mit natürlich die Vergleichsmöglichkeiten zu anderen Partien fehlen, so möchte ich behaupten, dass sowohl Normannia als auch die TSG Bruchsal eine schöne Werbung für den Hockeysport hingelegt haben. Und auch wenn eine Gmünder Zuschauerin nach dem Spiel meinte, "dies sei das furchtbarste Spiel gewesen, dass sie jemals gesehen habe", so wird sie dies wohl kaum auf die Leistung der Heimelf bezogen haben dürfen. Mein Interesse ist zumindest geweckt.

Auf dem Heimweg - natürlich immer noch mit dem Normannia-Schal um den Hals - springt plötzlich jemand aus einer Kneipe, nachdem er mich vorbeilaufen sah. "Wie hat Normannia gespielt?" lautet seine Frage. "3:4 verloren" antworte ich wahrheitsgemäß. "Oh je, gegen Balingen?" - "Nein, gegen Bruchsal". Es gibt schließlich auch was anderes als Fußball. Und das verwirrte Gesicht? Unbezahlbar...

Sonntag, 17. April 2016

Im Tübinger Fußballrausch: SV 03 Tübingen gegen TSV Wittlingen


Gebanntes Publikum im SV-03-Stadion an der Europastraße.

Fährt der Spätzleskicker nach Tübingen, so gilt die Reise für gewöhnlich seiner "Fernbeziehung", dem TV Derendingen aus der Südstadt. Jüngst jedoch trieb es mich in die Universitätsstadt, um einen altehrwürdigen Traditionsverein zu besuchen: den SV 03 Tübingen, ältester Fußballverein im WFV-Bezirk Alb. Wer es nicht glaubt: beim SSV Reutlingen 05 tritt man erst seit 1905, der TuS (ehemals SV) Metzingen erst seit 1908 und dem VfL Pfullingen und FV Bad Urach (durch den Vorgängerverein FC Bad Urach) erst seit 1910 gegen das runde Leder. Berücksichtigt man dabei die Tatsache, dass es der SV 03 nie leicht hatte, seinen Sport in Tübingen auszuüben, so ist diese 113jährige Fußballtradition mehr als beachtenswert. Gegner an jenem Sonntag war der TSV Wittlingen, ein 1914 gegründeter Verein, der jedoch meinen Aufzeichnungen zufolge erst seit 1936 dem Fußballsport frönt - übrigens die letzte gegründete Fußballabteilung im Bezirk vor 1945. Wenn man so will, kann man vom Duell des ältesten gegen den jüngsten Traditionsverein sprechen (wobei ich den Begriff "Traditionsverein" eigentlich enger setze und die Gründung in meinen Augen bis in den frühen 1920er Jahren erfolgt sein sollte).


Zwar stand der ehrwürdige SV 03 Tübingen (wie so viele andere interessante Clubs) schon immer auf meiner Besuchsliste für den Spätzleskick, den entscheidenen Impuls für diesen Termin verdanke ich Michael Urban, ehemaliger Spieler beim SSV Reutlingen 05 und 1. FC Heidenheim und seit Januar 2015 wieder im gelben Dress des SV 03 auflaufend. Dieser wurde nämlich auf mein Interesse an württembergischen Traditionsvereinen sowie meiner Sammelleidenschaft bezüglich Vereinsnadeln aufmerksam, und nahm es auf sich, mir zu Weihnachten im Namen des Vereins eine Nadel als Geschenk zukommen zu lassen. Ich nutzte also das herrliche Sonntagswetter, um mich hierfür endlich persönlich bedanken zu können. Gutgelaunt ging die Fahrt nach Tübingen, zumal ja Normannia am Vortag einen wichtigen 3:1-Sieg gegen den befreundeten Club des FC 07 Albstadt herausschoß - vielleicht konnte ich der Heimmannschaft auch in Tübingen Glück bringen?


Aber zunächst erfolgt natürlich wieder der lange Blick zurück in die Geschichte der Heimelf, für die der Club in Person von Peter Baur mir die großartige Chronik zur Hundertjahrfeier zur Verfügung stellte. Ich besitze zwar durchaus nicht wenige Aufzeichnungen zum SV 03, doch das bezieht sich überwiegend auf Ergebnisse und Spielberichte. Auch hier nochmal ganz herzlichen Dank für den tollen Service.

Die Impulse zur Gründung eines Fußballvereins in Tübingen kamen aus --- Reutlingen! Eine Abordnung des Fußballclubs Württemberg Reutlingen war bestrebt, in der Universitätsstadt eine Vereinsfiliale zu gründen, und berief zu diesem Zweck für Dienstag, den 18. August 1903 eine Gründungsversammlung ins Nebenzimmer des Restaurant "Zum Bahnhof" ein. Tübingen und Reutlingen, so berichtet die Chronik, sollten eine Einheit bilden, um ein fußballerisches Gegengewicht zu Stuttgart oder Heilbronn zu bilden. Also quasi eine Fusion vor einer Gründung, wenn man so will.

Umgewidmetes, ehemaliges Kassenhaus

Doch aus der Reutlingen-Filiale wurde nichts. Am besagten 18. August 1903 gründete sich selbstbewußt und allen Unkenrufen zum Trotz ein eigenständiger 1. Tübinger Fußball-Club 03, der zwar zunächst nur 20 Mitglieder hatte, aber bereits am 30. August 1903 in Tübingen zum ersten Spiel auflaufen konnte. Bereits 1905, im Freundschaftsspiel gegen den Privat-Turnverein Ulm (einer der zahlreichen Vorväter des heutigen SSV Ulm 1846 Fußball) konnten die Tübinger mit Tornetzen glänzen - damals durchaus noch eine Seltenheit.

Es folgten innert kurzer Zeit weitere Vereinsgründungen. 1904 zunächst der von Gymnasiasten gegründete Roter Stern, der sich später in Akademischer Sportclub umbenannte, und 1905 die Fußball-Gesellschaft Tübingen, die ganz in Schwarz mit einer gelben Schärpe antrat und für ihr Aussehen den Spitznamen "Feuersalamander" erhielt.

Tübingen hatte allerdings ein großes Problem: es war keine Fußballstadt. Es fehlte, wie z. B. in Reutlingen, eine Arbeiterschaft, noch gab es andere nennenswerte Gesellschaftsschichten, die sich intensiv mit dem "englischen Fußlümmelsport" zu beschäftigten gedachten. Mehr noch, die Fußballer wurden von der mächtigen Turnerschaft regelrecht angefeindet, auf der Straße bespuckt oder schlimmeres. Ein anderes ständiges Problem war der akute Sportplatzmangel, der dem Sport nicht dienlich war. Mal kündigte das Militär die Spielerlaubnis auf dessen Exerzierplätzen oder man kickte auf Plätzen, durch die ein Feldweg führte, der auch während eines Punktespiels durch landwirtschaftliche Pferdefuhrwerke genutzt wurde.

Das unter solchen Umständen drei fußballspielende Vereine eher kontraproduktiv waren, war wenigstens einigen Betroffenen klar, und nach vielen Mühen und langwierigen Gesprächen vereinigten sich am 24. September 1912 die Fußball-Gesellschaft und der Akademische Sportclub zur spielstarken SpVgg 05 Tübingen. So reduzierte sich die Zahl der Tübinger Vereine von drei auf zwei, was für eine Stadt in dieser Größenordnung sicherlich vorteilhafter war.

TFC 03 und SpVgg 05 stiegen beide 1913 in die A-Klasse auf, der Erste Weltkrieg sorgte aber auch hier für eine jeweilige Einstellung des Spielbetriebs, wiewohl eine notdürftige Vereinsarbeit aufrechterhalten werden konnte und beide Vereine mit einer Kriegsspielgemeinschaft noch gegen das Leder getreten werden konnte. Nach dem Krieg kamen erneute Fusionsgedanken an den Neckar, um den Fußball weiter zu konzentrieren. Zunächst führte 1919 der 1. TFC 03 Gespräche mit der Turngemeinde, was aber letztendlich am Widerspruch zwischen Turnen und Ballsport scheiterte.

Im Spielbetrieb hatte die TFC 03 das Glück, in der obersten Spielklasse, der Kreisliga Württemberg gegen die Kickers, VfB Stuttgart, Stuttgarter SC oder VfR Heilbronn anzutreten, konnte allerdings die Klasse nicht halten und stieg als Vorletzter in die A-Klasse ab.

Premiere der SpVgg 03 Tübingen
Der nächste Fusions-Schub kam 1921 aus Richtung der SpVgg Tübingen. Dort schloß man erfolgreich die damals zweitklassige A-Klasse abgeschlossen und stand plötzlich und eher unerwartet in den Aufstiegsspielen zur Kreisliga Württemberg, wo Mannschaften wie der VfB Stuttgart oder die Stuttgarter Kickers eigentlich eine Hausnummer zu groß für die Tübinger waren. Daher ging man im August 1921 auf den 1. TFC 03 zu, mit dem man sich noch in der A-Klasse die Klingen gekreuzt hatte. Am 23. August 1921 kam es zur Fusion der beiden Lokalkonkurrenten, die fortan als SpVgg 03 Tübingen (nach anderen Angaben SpVgg Tübingen 03) auflief. Bereits am 28. August 1921 kam es zur Feuertaufe, und im letzten Aufstiegsspiel wurde von der neuformierten SpVgg 03 der Turnverein Ulm mit 3:2 an die Donau zurückgeschickt. Tübingen war ganz oben.

Vier Siege, zwei Unentschieden und acht Niederlagen und der sofortige Wiederabstieg waren das Resultat der Erstligasaison. Gegen die Kickers gab es ein 0:5 und ein 1:7, ansonsten blieben die Ergebnisse trotz Abstieg moderat.

Zurück zur SpVgg 03. Der TFC brachte Vermögen, Spielfeld und Vereinsgaststätte in die Ehe ein, die SpVgg lediglich ihre Satzung - ein Umstand, der sich für die TFC 03 als Verhängnisvoll erweisen sollte, denn eine Liebesheirat war die Fusion nicht. Nach dem Abstieg brachen alte Gegensätze wieder auf, wurde "schmutzige Wäsche" in der Lokalpresse gewaschen, fühlten sich die Mitglieder der alten TFC 03 über den Tisch gezogen. 1923 spalteten sich die alten TFCler ab, konnten aber formaljuristisch nicht mehr als 1. Tübinger FC 03 anmelden, da keine ordentliche Fusionslösung sondern nur ein Mitgliederaustritt stattfand. So trug man sich am 26. November 1923 als Tübinger Sportfreunde ins Vereinsregister ein, während auch die SpVgg Tübingen die TFC-Jahreszahl 1903 im Vereinsnamen beibehielt.

Natürlich behielt die SpVgg den Platz in der Kreisliga, holte sich 1924 den 4. Platz, stieg aber ein Jahr darauf in die A-Klasse ab, wo es viel lokale Konkurrenz (Reutlingen, Nürtingen oder Kirchentellinsfurt), aber wenig Ruhmeslorbeer gab. Vor allem aber das Stadtderby mit den Tübinger Sportfreunden blieb in Erinnerung.

Als 1927 die neue Kreisliga Zollern eingeführt wurde, setzte der Verband sowohl Sportfreunde als auch SpVgg 03 in die zweithöchste Spielklasse ein. Für die Sportfreunde wurde es gewissermaßen eine Genugtuung, da sie in der Abschlußtabelle 1927/28 als Vierter zwei Plätze besser als Rivale SpVgg abschlossen. Der direkte Vergleich jedoch endete beide Male mit 2:2.

1928/29 änderte sich das Bild deutlich. Während die Sportfreunde mit einem unzufriedenen 7. Platz die Saison abschlossen, wurde die SpVgg 03 hinter SV 05 Reutlingen Vizemeister der Kreisliga. Nur im direkten Vergleich boten die Sportfreunde alle Kräfte auf, siegten jeweils mit 4:1. 1929/30 siegten die Sportfreunde gar mit 7:3, unterlagen aber auch mit 1:5, blieben aber wenigstens in der Tabelle wieder besser als die SpVgg.

Wie in anderen Städten (Stuttgart, Heilbronn) waren die Lokalkämpfe wahre Kämpfe und alles andere als "früher war alles besser".

1931 gab es ein einschneidendes Ereignis: während die Sportfreunde auf einem gesicherten Mittelfeldplatz landeten, wäre die SpVgg eigentlich abgestiegen. Eigentlich. Denn in Süddeutschland wurde als weitere Zweitligastaffel die Kreisliga Hohenstaufen eingeführt, und aus der Zollernstaffel wurden fünf Mannschaften dorthin eingeteilt, so dass es zu keinem Abstieg kam.

Wieder einmal hatten sich auch 1932 die Sportfreunde die lokale Spitzenstellung gesichert, und man wurde Tabellendritter, während die SpVgg nur auf Platz 5 rangierte. Auch 1933 blieb man als Vierter vor dem Lokalrivalen, der als Sechster die Kreisliga Zollern abschloß.

Mit den Nationalsozialisten änderte sich alles. Die Gauliga Württemberg als ranghöchste Spielklasse wurde eingeführt, und als Unterbau in Württemberg wurde die Bezirksliga eingeführt, in deren Staffel 3, Ost, beide Tübinger Vereine eingeteilt. Gegner war neben den altbekannten Weggefährten SV 05 Reutlingen und FV 09 Nürtingen Gegner wie der VfR Aalen, der FV Geislingen, Eintracht Neu-Ulm und --- der 1. FC Normannia Gmünd.

Gleich der erste Spieltag brachte Normannia an den Tübinger Stauwehr, wo die Sportfreunde nach spannendem Kampf mit 3:2 Sieger blieben. Am 8. Oktober 1933 empfing die Schwerzerelf die Spieler der SpVgg 03 Tübingen und besiegte sie vor 1.200 Zuschauern mit 4:1.

Sportlich verliefen die Jahre in der Bezirksklasse für beide Mannschaften zunächst nicht besonders rosig, die Sportfreunde steigen gar 1934 in die Kreisklasse ab. Lokalrivale SpVgg 03 Tübingen war somit in der mittlerweile Hohenzollern genannten Bezirksklasse allein, ohne dort sonderlich aufzufallen.
Bei der Premiere des DFB-Pokalvorläufers, dem Tschammer-Pokal, schied 03 Tübingen bereits in der württembergischen Vorrunde mit einer 0:1-Heimniederlage gegen den SV 98 Feuerbach aus.
Auch 1936 schied Tübingen in der 1. Runde Württembergs gegen Feuerbach aus (3:4). Dies blieb bis zum Ende des Dritten Reiches das einzige Auftreten einer Tübinger Mannschaft im Pokal.


Etwas erfolgreicher verlief die Ligasaison. 1938 hatte man nicht nur Nachbar Sportfreunde als Konkurrent in der Liga, sondern wurde auch Meister der Liga. Erstmals seit 1921 nahm die SpVgg wieder an Aufstiegsspielen zur Gauliga teil. Dort gab es allerdings aus einem 4:1-Heimsieg über die SpVgg 08 Schramberg nur Niederlagen, und man wurde Dritter und Letzter hinter der SpVgg Cannstatt und Schramberg.

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde die Tübinger Spielklasse geteilt. Zwar war die Gruppe Achalm immer noch eine Bezirksklasse, aber die Gegner hießen nun Dußlingen, Pfrondorf oder Gomaringen - Gegner, zu denen man vorher nur zu Freundschaftsspielen antrat. 1940 wurde die Liga nur noch als 1. Klasse bezeichnet, war aber wieder eingleisig und qualitativ anspruchsvoller. Wie in alten Tagen landeten die Sportfreunde vor der SpVgg.

1941/42 mußte die SpVgg Tübingen bereits im Oktober ihre Mannschaft vom Spielbetrieb zurückziehen und wurden duch den SV Urach ersetzt, von den Sportfreunden fehlte schon vorher jede Spur. Wann genau in Tübingen der Fußballsport zum erliegen kam, läßt sich von mir nicht genau sagen, jedoch tauchten die Tübinger, im Gegensatz zu Reutlingen, das bis 1945 im Spielbetrieb war, nicht mehr in der Tagespresse auf.

Als das "Tausendjährige Reich" nach gut 12 Jahren in Rauch und Trümmern lag, da wehte auch über Tübingen eine andere Flagge: Frankreichs Tricolore wurde über Südbaden, Südwürttemberg und dem bayerischen Landkreis Lindau gehißt, und der Spielverkehr - sofern man denn schon an Fußball dachte - war sehr eingeschränkt. Am 12. Dezember 1945 verkündeten die Franzosen ein neues Vereinsrecht, es durften jedoch nur noch Einheitssportvereine unter neuen Namen gebildet werden.

So auch in Tübingen, wo der Oberbürgermeister die Vorsitzenden der ehemaligen Turn- und Sportvereine zwecks "Gründung des kommenden Groß-Sportvereins Tübingen" ins Rathaus einlud. So kam es letztlich nach einigem hin und her zur Gründung des Tübinger Sportvereins am 6. April 1946, in dem quasi von Tischtennis bis Leichtathletik alle erlaubten Sportarten ausgeübt wurden. Die große Zeit der Tübinger Fußballkonkurrenz war Vergangenheit, und das Tor offen für das Neue.

1947/48 gelang nach einem Entscheidungsspiel gegen den punktgleichen ASV Ebingen, das 1:0 gewonnen wurde, der Aufstieg aus der Landesliga Südwürttemberg, Staffel Nord in die Zonenliga Süd, wie die Oberliga Südwest hieß. Bis zu 4.000 Zuschauer verfolgten bei Heimspielen die Fußballer der Universitätsstadt, wenn es gegen Reutlingen, Schwenningen, Freiburg oder Konstanz ging. Hinter Fortuna Freiburg, hinter dessen Namen sich Altmeister Freiburger FC verbarg, schloß Tübingen seine Premierensaison auf Platz zwei ab. Damit hätte sich der Tübinger SV gar für ein Ausscheidungsspiel gegen den Nordzweiten qualifiziert, um an der Endrunde der Deutschen Meisterschaft teilnehmen zu können, doch verzichtete man 1949 darauf. Unter Trainer Lederer holte man sich jedoch 1949 den Südwürttembergischen Pokal, was der erste größe Erfolg der Nachkriegszeit darstellte.

Sportverein 03 Tübingen
Noch einmal, 1949/50, wurde Platz 2 erreicht, und diesmal wagte Tübingen den Gang zum Ausscheidungsspiel, doch war Wormatia Worms, der Nordvertreter, zu stark und besiegte Tübingen mit 6:1. 1950/51 brachte zweierlei. Zunächst einmal die Wiedergründung des Sportverein 03 Tübingen, der die Tradition beider Fußballvereine vereint - die meisten anderen Sportabteilungen hatten mittlerweile selber ihre alten Vereine wiedergegründet. Nicht minder bedeutend war die Zusammenlegung von Nord- und Südwürttemberg inkl. Lindau, woraus 1951 der Württembergische Fußballverband entstand. Damit verbunden war die Einführung der 2. Liga Süd, in der auch die Tübinger meldeten.

Die Zweitligasaison 1950/51 war, gelinde gesagt, ein Fiasko. Mit 26:110 Toren und 7-61 Punkten landete man abgeschlagen auf Platz 18 und stieg in die 1. Amateurliga Württemberg ab, wo man u.a. auch auf Normannia Gmünd traf. Doch auch diese Liga erwies sich als zu stark für die Kicker vom Neckar, und die Absteigerei ging als Vorletzter ungeniert weiter.

Innerhalb von drei Jahren war der SV 03 Tübingen von Pokalmeisterschaft und Qualifikation zur DM-Endrunde in der viertklassigen 2. Amateurliga gelandet. Von 1952/53 bis 1958/59 hießen die Gegner nun Mittelstadt, Donzdorf, Wernau, Truchtelfingen oder Marschalkenzimmern. Die Spielzeiten verliefen für die Tübinger meistens sehr durchwachsen. Nur 1957/58 hätte man die Chance gehabt, an der Aufstiegsrunde zur 1. Amateurliga teilnehmen zu können, doch am Ende fehlte ein Punkt zur Meisterschaft hinter dem VfB Reichenbach/Fils. Besonders ärgerlich war hierbei eine 6:2-Auswärtsniederlage beim VfL Pfullingen.

Was folgte, war die endgültige Demütigung. Ein Jahr nach der Vizemeisterschaft, als es durch die Einführung der Schwarzwald-Bodensee-Liga leichter gewesen wäre, in die oberste Amateurliga aufgenommen zu werden, da stieg Tübingen mit nur noch 7-49 Punkten und 17:79 Toren ab. 17 Tore! Erstaunlicherweise erzielte der SV-03-Sturm die meisten gegen Vorjahresmeister Reichenbach, und man feierte mit 4:2 einen von insgesamt nur drei Siegen.

Tübingen war in der A-Klasse Alb angekommen, der Traditionsverein maß sich mit Hülben, Derendingen oder Rommelsbach. Auf Platz 2 im Jahr 1961 folgte 1962 Meisterschaft und Wiederaufstieg.

Drei Jahre spielte man mehr schlecht als recht in der 2. Amateurliga, mußte sie jedoch 1965 als Staffelletzter wieder verlassen. 1967 gelang nicht nur die Rückkehr, sondern erreichte bereits 1969 die heute schon fast als legendär verklärte Schwarzwald-Bodensee-Liga. 1.700 Zuschauer wurden am 17. August 1969, dem 1. Spieltag, ins Tübinger Stadion gelockt, und erlebten gleich einen 1:0-Premierensieg über den SC Schwenningen. Schmid brachte die Einheimischen in der 62. Minute auf die Siegerstraße gegen den als wesentlich stärker eingeschätzten Vorjahresdritten. Nach einem 1:1 bei Wacker Biberach bejubelten gleich 2.000 Zuschauer den 3:0-Sieg über den FV Ravensburg im zweiten Heimspiel am 31. August.


Tübingen war sowohl vom Zuschauerzuspruch als auch sportlich in der obersten Amateurklasse angekommen. Erst am 6. Spieltag, der Partie beim Lokalrivalen SSV Reutlingen 05 Amateure, gab es eine 2:1-Niederlage in einem heißen Lokalkampf - von den 1.500 Zuschauern im Schatten der Kreuzeiche kam mehr als die Hälfte aus der Universitätsstadt. Im Rückspiel am 22. März 1970 revanchierte sich der Neuling vor 2.000 Zuschauern gegen die Reutlinger Regionalligareserve, wobei Marek der Torschütze des 1:0-Heimsieges war.

Der Tübinger Fußballrausch wurde jedoch noch intensiver. Als der letzte der 30 Spieltage der Amateurligasaison 1969/70 abgepfiffen wurde, da stand der kecke Neuling zusammen mit dem FC Wangen 05 punktgleich an der Tabellenspitze. Tübingen stand zwar durch sein Torverhältnis besser da als die Allgäuer, aber die württembergische Spielordnung sah bei Punktgleichheit in auf- oder abstiegsrelevanten Plätzen Entscheidungsspiele vor. Die Partie wurde nach Bad Saulgau  vergeben, und der Aufbruch der Tübinger Fußballfans gen Oberschwaben glich einer Völkerwanderung.

Die Vereinschronik von 2003 beschrieb die Szenerie treffend mit zeitgenössischen Sprachkolorit:

"...und wir können sagen, wir sind dabeigewesen! ... der Sonderzug schon auf der Hinfahrt nach Saulgau ein Triumph-Zug voller Glückseliger. Daß wir überhaupt nicht verlieren könnten (denn klar: hier kickten nicht bloß die SV-Mannen, hier kickte ganz Tübingen mit), ...über 1000 SV-Fans machten mobil und füllten den Zug bis auf den letzten Platz ... mit maximal 500 Interessenten gerechnet hatte, mußte man schnell noch fünf weitere Wagen ranhängen und eine zweite Lok vorspannen, .... 240 Meter lang war unser Fußball-Zug, der längste Personenzug, der je den Tübinger Bahnhof verlassen hat - viel zu lang für den kleinen Saulgauer Bahnhof: da mußten wir beim Aussteigen ... über die Schwellen hoppeln. ... Schon bei der Durchfahrt Derendingens standen die Leute Spalier und drückten uns, dem Sieg Entgegenbrausenden die Daumen. In Dußlingen und Mössingen war es nicht viel anders. ...

Bereits drei Tage später, am 10. Mai 1970, fuhr das Tübinger Wunderteam nach Geislingen an der Steige, um gegen den 1. Göppinger SV anzutreten - allerdings nicht zum Aufstiegsspiel zur Regionalliga, sondern zur Ermittlung des Württembergischen Meisters. Vor 3.000 Zuschauern unterlag der SV 03 nach Verlängerung gegen die Stauferstädter mit 2:3 - dabei fehlten zum Meistercoup nur wenige Sekunden: Tübingen führte mit 2:1, als Rudi Kauer die Verlängerung erzwang, die durch einen Foulelfmeter in der 110. Minuten zugunsten der Nordwürttemberger endete.



Dann warteten bereits am 20. Mai die Aufstiegsspiele zur 2. Liga, der Regionalliga Süd, und mit ihnen erneut Göppingen, der SV Waldkirch und der FV 09 Weinheim. Die Frage war, konnte sich Tübingen den Aufstieg überhaupt leisten? Im Prinzip war man froh, dass die Mannschaft von den Meisterschaftsspielen ausgebrannt war, denn so stellte sich die Frage gar nicht. Abgeschlagen wurde der SV 03 nur Dritter in der Aufstiegsrunde, und so ganz unglücklich war man in der Tübinger Chefetage nicht. Es mangelte an einem Stadion, einem Kader, einem Plan und vor allem Dingen: es mangelte an Geld. Tübingen war halt keine Fußballstadt.
Die nervenaufreibende Saison 1969/70 ging auch im Folgejahr nicht spurlos vorbei, als man in der Schwarzwald-Bodensee-Liga nur auf Platz 10 landete. 1972 wurde wieder ein vorderer Tabellenplatz erreicht, der Zuschauerschnitt war jedoch bereits schon auf 600 gesunken. 

1973/74 erlebte man die Genugtuung, den SSV Reutlingen 05 wieder in der Amateurliga begrüßen zu dürfen, aber selber kämpfte man sportlich ums überleben. Bereits am 2. Spieltag empfing das Team unter Trainer Rudolf Schafstall den Lokalrivalen Reutlingen, unterlag aber mit 0:3.  Auch im Rückspiel am 13. Januar 1974 sahen Schafstall und Tübingen kein Land, und mußten mit 1:4 die Segel streichen. Das einzige SV-Tor erzielte vor 2.545 Zahlende ("ohne Dauerkarteninhaber") Unger in der 84. Minute.

Tübingen landete auf dem vorletzten Platz und wäre unter normalen Umständen abgestiegen, wäre es in Schwenningen nicht zur Fusion zwischen dem Tabellenletzten SC Schwenningen und dem Tabellensiebten VfR Schwenningen zum BSV 07 Schwenningen gekommen.


Heimat seit 1975
1975 mußte das altehrwürdige Stadion in der Lindenallee, das immerhin zweimal (1955 und 1969) Austragungsort des WFV-Pokalfinales war, einem Tunnelbau weichen, und der Sportverein zog in das Leichtathletikstadion in der Europastraße, zwar ohne Fußballtradition, aber nicht minder altehrwürdiger Holztribüne.

Sowohl Tribüne als auch Fans erlebten noch einmal 1977/78 große Fußballfeste, als die Einführung der Oberliga Baden-Württemberg in den vier Amateurligen Baden-Württembergs zu einem regelrechten Wettrüsten für die begehrten Qualifikationsplätze führte. Knapp gescheitert ist halt auch gescheitert - so kann man diese Abschlußsaison der seit 1974 Amateurliga Südwürttemberg genannten Liga nur umschreiben. Bis zum letzten Spieltag kämpften die Gelb-Schwarzen um die Oberliga, doch statt Platz 5 blieb nach der entscheidenden Niederlage in Friedrichshafen nur Platz 7, der lediglich zur Teilnahme an der Verbandsliga Württemberg berechtigte.

Volles Haus 1977

Am 30. Juli 1978 um 15 Uhr begann das Abenteuer der nun ungeteilten höchsten württembergischen Amateurliga gegen die Amateure des VfB Stuttgart (2:2). Mit an Bord in der Liga waren Lokalrivale TSG Tübingen, dessen Gastspiel vom 1.000 Zuschauern verfolgt wurde, sowie der TSV Ofterdingen, bei dessen Auftritt am 16. Dezember 1978 1.400 Zuschauer beiwohnten - übrigens der Saisonrekord der Tübinger.
Wieder spielte man lange um den Aufstieg in die Oberliga mit, war acht Wochen lang gar Tabellenführer - und fiel am Ende doch nur auf den undankbaren 3. Platz zurück.

Auch 1979/80 gehörte der SV 03 Tübingen lange Zeit zu den Aufstiegskandidaten oder zumindest zum ernsthaften Anwärter auf den Relegationsplatz. Diesen mußte man jedoch am Ende dem Konkurrenten SSV Reutlingen 05 überlassen, während VfR Aalen als Verbandsligameister direkt durchmarschierte. Selber landete man nur jenseits von "gut und böse" auf den 5. Platz.

Nach einem enttäuschenden 12. Platz in der Spielzeit 1980/81 erfolgte schließlich im "Jahr des verschärften Abstiegs" 1981/82 der Sturz als 17. in die fünftklassige Landesliga. Dort blieb man in Augenkontakt zum Aufstieg, wo am Ende nur 3 Punkte fehlten. Vor allem das 0:6 an der Europastraße gegen den späteren Meister TSV Pliezhausen schmerzte dabei besonders.

Nach einem enttäuschenden 5. Platz 1983/84 folgte nochmals ein - zur Spitze weit abgeschlagener - 3. Platz in der Saison 1984/85. Der erste Tabellenführer der Saison 1985/86 hieß nach einem 4:0-Auswärtssieg bei TuS Ergenzingen SV 03 Tübingen, aber mit 10 Punkten Rückstand zum VfL Nagold reichte es nur zum Vizemeister, womit man nichts anfangen konnte. Zwei Punkte aus dem Spiel gegen den SV Zimmern o.R. wurden zudem am "grünen Tisch" errungen.


Dennoch: Tübingen wollte wieder nach oben. 1987 blieb wieder nur der 2. Platz als Trostpreis, wiewohl man Meister VfL Pfullingen mit 5:0 im SV-Stadion ordentlich demütigte. Schon im Hinspiel im Schönbergstadion erkämpfte sich am 26. Oktober 1986der SV 03 vor 500 Zuschauer ein 1:1. Das Rückspiel am 10. Mai 1987 wurde zum bereits erwähnten Debakel für Pfullingen, dass eigentlich sein Meisterstück machen wollte, aber vor 200 Zuschauern nach bereits 10 Minuten mit vier Treffern zurücklag! Zumindest verhindern konnten es die Tübinger, dass die Pfullinger Sektkorken in ihrem Stadion knallten.

Allerdings kamen dunkle Zeiten auf die Universitätsstädter zu. Nach einem mageren 5. Platz 1988 stürzte der Club auf einen neuen Tiefpunkt zu. 1988/89 war der Abstieg in die Bezirksliga Alb mit einem Rückstand von nur einem Punkt nicht zu verhindern. Was half es, noch am 34. Spieltag den Meister TSV Ofterdingen mit 1:0 zu blamieren? Am 36. und letzten Spieltag gab es ein Tripelfinale gegen den Abstieg. Ex-Zweitligist BSV 07 Schwenningen, der SV Zimmern o.R. und der SV 03 Tübingen lagen mit 29-41 Punkten gleichauf, aber nur für ein Team war das Tor für die Landesliga offen. Während Zimmern in Aidlingen mit 3:0 unterging, rettete Schwenningen ein 1:0-Heimsieg gegen Nagold über die Zeit. In Tübingen ging gegen TuS Ergenzingen alles schief, und mit neun Mann erkämpfte man sich noch ein 2:2-Unentschieden, was jedoch zu wenig war. Den Tübingern wurde jedoch ein Elfmeter verweigert, der die ganze Geschichte möglicherweise geändert hätte.

Vom sofortigen Wiederaufstieg wurde nichts. Mitabsteiger SV Hirrlingen landete aufgrund der besseren Tordifferenz punktgleich vor den Tübingern. Hirrlingen kam auf +53, Tübingen nur auf +46.


Die Rückkehr gelang 1990/91. Mit 51-17 Punkten und 72:32 Toren gelang souverän die Meisterschaft in der Bezirksliga Alb und die Rückkehr in die Landesliga, wo allerdings postwendend als Vorletzter der Wiederabstieg kam. Bereits 1992/93 wurde dieser Zustand revidiert. Mit einem Punkt Vorsprung vor dem FC Rottenburg wurde Tübingen Meister und und mußte nun druch die "süße Hölle Aufstiegsspiele", da diesmal nur 3 Mannschaften aufsteigen konnten.

Gleich das Hinspiel beim Schwarzwald-Meister FC Frittlingen konnten die Nulldreier vor 700 Zuschauern mit 2:1 für sich entscheiden. Es schien alles klar für die Aufstiegsfeier im heimischen Stadion. Doch die 600 Zuschauer wurden gnadenlos enttäuscht. Mit 0:2 zog man unter der Spielleitung des Bundesliga-Schiedsrichters Eugen Striegel den Kürzeren und mußte gegen den SpVgg Holzgerlingen nachsitzen.



Jene "Nachsitzer-Partie" verfolgten im Hinspiel 650 Zuschauer in Tübingen, darunter der am Sportinstitut der Uni studierende Walid Al-Kayed, der die Partie mit seiner Videokamera filmte und die Aufnahmen für seine Doktorarbeit zum Thema "Aggressions-Motivation im Sport" verwendete. Später sollte der Jordanier beim SSV Reutlingen 05 im Trainerstab stehen, u.a. als Interimstrainer der 1. Mannschaft 2010. Zu sehen bekamen er und die anderen Fußballanhänger einen 2:0-Sieg Tübingens. Doch im Rückspiel egalisierte Holzgerlingen die Hinspielniederlage, und am Ende entschied das Elfmeterschießen über "Wohl und Wehe" der Ligazugehörigkeit. Holzgerlingen zeigte dabei nerven. Gero Sindek hielt einen Elfer, den der Schiri aber wiederholen ließ. Daraufhin semmelte Holzgerlingens Schneider den Ball über die Latte, Riedlinger schoß den Ball vorbei und auch Gebel knallte den Ball nur an die Latte. Spannender steig Tübingen wohl noch nie auf. Unter den 1.200 Zuschauern war auch der spätere Landesligatrainer des SV 03, der auf der Ostalb nicht unbekannte Böbinger Peter Zeidler.

Mit der Maßgabe, den Klassenerhalt in der Landesliga zu schaffen, trat Zeidler sein Amt an und scheiterte äußerst furios. Denn am Ende der Saison 1993/94 stand der Neuling vor seinen Verfolgern Nagold, Zimmern und Gärtringen sensationell auf Platz 1 der Landesliga, und das Zeidler-Team konnte den langgehegten Traum des Verbandsligaaufstiegs endlich erfüllen.

Der Verbandsliga-Auftakt am 14. August 1994 ging beim SV Berlichingen mit 0:2 verloren, und auch in der Heimspielpremiere am 21. August 1994 gegen den FV Ravensburg mußte man sich mit 1:3 klassisch auskontern lassen. Burkhardt Kolb durfte sich dabei als erster Tübinger Verbandsliga-Torschütze seit Wiederaufstieg in die Annalen eintragen. Zu Saisonende standen nur 13 Pluspunkte zu buche, und der SV 03 stieg wieder ab. Während Peter Zeidler dem Verein die Treue hielt, verließen 11 Leistungsträger den SV 03.

Die Talfahrt nahm kein Ende. 1996 rettete man sich erst am letzten Spieltag zum Klassenerhalt, und 1997 schließlich stand man mit nur 10 Punkten am Ende der Tabelle. Förmlich erleichtert war man in Tübingen nach dem letzten Schlußpfiff, das dieses "Horror-Jahr" endlich zu Ende ging.



Wieder einmal startete Nulldrei in der Bezirksliga Alb, wo man 1998 auf Platz 6 landete. Im Saisonfinale mit Lokalrivalen TSG Tübingen - am vorletzten Spieltag gab es vor 700 Zuschauer einen 1:0-Sieg bei der TSG - landeten die Nulldreier 1998/99 mit nur einer Niederlage auf den 1. Platz und konnte die Rückkehr in die Landesliga feiern. Mit 50 Punkten und einem zufriedenstellenden 7. Platz konnte der SV 03 das Millenium feiern. In den folgenden Jahren wurde Tübingen wieder ein fester Bestandteil der Landesliga, landete zumeist im gesicherten Mittelfeld, musste jedoch 2008 die Liga als Tabellenletzter wieder verlassen. 2009 war man in der Bezirksliga nicht mal weit vom Abstiegsplatz zur Kreisliga entfernt. Die Tübinger stabilisierten sich zwar in der Liga, hatten aber mit Aufstieg nichts zu tun. Ein 3. Platz mit deutlichem Rückstand zum Relegationsplatz war 2011 noch eine deutliche Leistungssteigerung und die beste Platzierung der letzten Jahre.

Schauplatz Kuchenbuffet

In der aktuellen Saison spielt man endlich wieder um den Aufstieg zur Landesliga mit, wo ein Traditionsverein wie der SV 03 Tübingen meiner Meinung nach auch mindestens hingehört.

Das SV-03-Stadion ist vom Tübinger Hauptbahnhof in einem kurzen Fußmarsch zügig zu erreichen, was die Spielstätte für mich, der auf ÖPNV angewiesen ist, besonders attraktiv macht.


Ehre, wem Ehre gebührt.
Eins hat sich seit Vereinsgründung 1903 nicht geändert: Tübingen ist nun mal keine Fußballstadt, auch wenn sich Verein und Stadt oft genug mal in einen Fußballrausch spielen. In der Universitätsstadt blüht die Leichtathletik, wie u. a. die leuchtend blaue Tartanbahn im Stadion verrät. Den Ausbau zur modernen Leitathletikanlage verdanken die Tübinger dem örtlichen Unternehmen Paul Horn GmbH, das durch seine finanzielle Unterstützung die sechs Laufbahnen erst möglich machte.

Auf den Weg zu den
Walter Tigers
Paul Horn ist aber auch das Stichwort für die wahre Sportleidenschaft in Tübingen. In der gleichen Straße befindet sich mit der Paul Horn-Arena - sie schreibt sich tatsächlich nur mit einem Bindestrich - die Heimat der Walter Tigers, den Basketballern des SV 03 Tübingen, die mit ihrer damaligen Umbennung im Gesamtverein eine Diskussion um Idealismus und Kommerzialisierung auslösten.

Und während die Fußballer vor einem überschaubaren Rahmen spielen, lockt die Basketball-Bundesliga Fans aus dem weiteren Umland in die Europastraße. Herrscht deswegen Neid und Mißgunst bei den Fußballern? Davon war nichts zu spüren. Im Gegenteil, man macht das Beste daraus, im Schatten der Korbjäger zu stehen, lädt die Tigers-Fans quasi zum Vorglühen zum Fußball ein. Pragmatismus nach meinem Geschmack. Schließlich hat reine Fußball-Nostalgie hat noch keinem Verein zum überleben verholfen, Traditionsverein hin oder her.

Der "Verein umme Ecke"
Mitnichten ist allerdings alles Hoffnungslos. Bei meinem Besuch fiel mir die große Zahl an jungen Familien auf, die dem Spiel beiwohnten. Mag sein, das die geräumige Tartanbahn ein sicherer Platz für die beiden kleinen Mädchen war, die dort mit Inbrunst ihr Radrennen ausübten, oder die Weitsprunganlagen gleichzeitig ein idealer Sandkasten fie Allerkleinsten darstellen. Gut möglich auch, dass es auch einfach der Spaß am Fußball ist, der ein paar Jungs das Vergnügen einbrachte, mit den Ersatzspielern ein paar Ballabgaben zu üben. Vielleicht trägt auch das Kaffee- und Kuchenbuffet auf Vertrauensbasis dazu bei, das SV-03-Stadion als Zielort eines Sonntagsspaziergangs zu machen. Wie auch immer, das sind beste Voraussetzungen, die Nulldreier als einen klassischen "Verein umme Ecke" zu sehen.











Belustigend fand ich den Umstand, einen Golfschläger bei einem Zuschauer zu sehen. Aber bevor sich jetzt jemand Gedanken macht: natürlich gibt es hier keinen Nulldrei-Hools, die bereit zu Gewalt und Krawall in die Europastraße kommen. Oder waren das Wittlinger? Ist doch völlig egal, der Golfschläger steht eher symbolisch für die Entspanntheit im schwäbischen Amateurfußball, wo man eben mal kurz auf den Sportplatz geht, um sich von Freunden und Bekannten einen Golfschläger auszuborgen oder zurückzuerhalten. Zudem ist so ein Golfeisen auch ein idealer Stützstock. Sonntag, Sonne, Golf und Fußball - Herz, was willst Du mehr.



Apropos Fußball: das wurde ja auch noch gespielt, und das war ja der eigentliche Grund meiner Reise. Auch wenn die herrliche Holztribüne sicherlich der Hingucker schlechthin ist - ich bin doch kein Groundhopper, der irgendwelche imaginären Punkte sammelt, weil er ein Stadion aufgesucht hat. Wenn man mich schon in eine Kategorie drängt, dann eher als eine Art "Clubhopper" oder "Handelsreisender in Sachen Fußballnostalgie". Für mich ist es aufregender zu wissen, dass das gelbe Trikot von Generationen von Spielern getragen wurde, Höhen und Tiefen im Verein durchlebt wurden, ein Verein aber dennoch lebendig ist und nicht in der Vergangenheit verharrt.


Fußball im Schatten des Tübinger Schloßes
Für die Nulldreier war es immens wichtig, im Fernduell um den Landesligaaufstieg mit dem SSV Reutlingen 05 II keine Schwäche zu leisten und womöglich wichtige Punkte zu lassen. Tübingen machte daher bereits zu Beginn gegen Wittlingen Druck, und kam zu ersten guten Chancen. Nur zum Torjubel bestand noch keine Möglichkeit. Nur einmal wurden Fans und Spieler kurz getäuscht, aber nur das Gästetornetz zappelte nur von außen.
Ein Scheintor










Lehrbuchmäßig getretene Ecke - aber auch ohne Torfolge
Die ersten Halbzeit verlief für Tübingen nicht zufriedenstellend. Zwar hatte man die besseren Chancen als die Gäste aus dem Ermstal, nur das ominöse Runde wollte nicht in das noch ominösere Eckige.

Auch in der 2. Halbzeit spürte man den immensen Torhunger der Tübinger an. Doch die Gästeabwehr stand sehr kompakt und sicher, oder auch der Ball hatte schlicht keine Lust, von einem Netz aufgefangen zu werden.


Mittlerweile nahm auch der Lärmpegel zu - doch die wilde und motivierende Trommellei kam von der anderen Straßenseite, wo Fans der Walter Tigers auf den Einlaß in die Einbindestrich-Arena harrten und sich schon in Stimmung auf einen spannenden Basketball-Bundesligaabend brachten.

Verschossener Foulelfmeter
Aber dann kam es in der 60. Minute zu einem Wittlinger Foul im Strafraum, und die logische Konsequenz hieß schlicht und ergreifend - Elfmeter. Doch wenn der Wurm einmal in einer Mannschaft steckt, dann richtig. Nadeem Ahmed lief an, aber der Ball ging vorbei.

Es schien bereits so, als ob sich alles gegen die Gastgeber verschworen hätte, da ließ sich zwei Minuten später Felix Müller mustergültig den Ball von seinem Teamkollegen Ersah Öztürk zuspielen, entfleuchte seinem Bewacher und erlöste mit einem lehrbuchmäßigem Tor den Tübinger Anhang. Verdientermaßen - und vielleicht auch etwas erleichtert - machte er den "Müller auf dem heißen Blechdach", und sein Treffer sicherte ihm den verdienten Platz in der Schwitzkasten-Elf des Tages des Schwäbischen Tagblatts.

Der Müller auf dem heißen Blechdach

"Plauderstündchen" zwischen Schiri
Julius Wick und Wittlingens Sebastian Gresch
Nun wollte auch der TSV Wittlingen nicht hintenan stehen, aber eine richtig dicke Torchance blieb dabei aus, oder wurde von Tübingens Torhüter Holger Eißele verhindert.

Und wie es nunmal im Fußball so ist - wenn die Mannschaft, die hinten liegt, alles nach Vorne wirft um den Rückstand zu egalisieren, dann fängt man meistens noch eins ein. So auch die Wittlinger, die sich in der 82. Minute in der Verteidigung einen bösen Fehlpass leisteten, der vom an diesem Tag prächtig aufgelegten Ersah Öztürk abgebrüht ausgenutzt und sicher zum 2:0 verwandelt wurde.


Bei diesem Ergebnis blieb es dann auch, und die Tübinger erfreuten sich über wichtige drei Punkte im Aufstiegsrennen. Für die Wittlinger bleibt im Prinzip alles beim alten - jenseits von gut und böse halt.

Auf dem Weg zurück zum Bahnhof ein völlig anderes Bild, als bei meiner Anreise. Ein Ordnungsdienst regelt den Straßenverkehr, Zuschauermassen mit gelb-schwarzen Schals strömen in die Europastraße, und ich kämpfe mich ein wenig im Zickzack-Kurs zurück, um meinen  Zug zu erreichen. Das ganze Towubahohu gilt natürlich den Tigers der Paul Horn-Arena.

Tübingen war noch nie, wie eingangs erwähnt, eine Fußballstadt. Und doch sind die Fußballer des SV 03 Teil der Stadt und Bestandteil der Geschichte Tübingens. Die Vergangenheit hat gelehrt, dass das Tübinger Publikum sich durchaus in einen Fußballrausch steigern kann, wenn es für die Fußballer um etwas geht. Jetzt, wo die Chance besteht, endlich wieder in die Landesliga zurückzukehren, würde ich mich wenigstens über ein kleines "Räuschle" freuen. Die Nulldreier hätten es wahrlich verdient.

SV 03 Stadion und Paul Horn-Arena