Sonntag, 3. März 2019

Im Schatten des VfB: FK Sarajevo Stuttgart gegen Stuttgarter SC


Der kleine Platzwart im Schatten des großen Bundesligastadions

FK Sarajevo gegen Stuttgarter SC.
In einem Fußball-Paralleluniversum wäre dies gewiss ein Spiel im Europapokal der Landesmeister (den gäbe es in diesem Universum natürlich auch noch).

Im traurigen Fußballalltag des Jahres 2019 hingegen lautet so eine Partie in der Kreisliga B3, in der neben den beiden Kontrahenten nur noch zwei weitere erste Mannschaften antreten. Der fünfte Protagonist, der altehrwürdige 1. Stuttgarter FV 1896 hat seine "Norweger"-Mannschaft bereits zurückgezogen und verschwindet im Sommer 2019 endgültig von der Fußballlandkarte.

Da der VfB Stuttgart sein Heimspiel ja gottlob erst am Sonntag austrug, konnte ich dieser am Samstag stattfindenden Partie, die gegenüber der Mercedes-Benz-Arena stattfindet, ohne viel schlechtem Gewissen frönen. Für das Tabellenschlußlicht SSC ist es dabei wohl die kürzeste Auswärtsstrecke: Nur ein paar Meter Fußmarsch trennen beide Spielflächen. Das Hinspiel auf eigenem Platz ging für den SSC übrigens mit 0:14 verloren, und der 1977 gegründete F.K. Sarajevo Stuttgart hatte sich auch beim Rückspiel alles andere als den Weg in Richtung Verlierstraße vorgenommen.

Das ich als Normannia-Fan und Fußballtraditionalist allen Grund habe, den Stuttgarter SC zu lieben, sollte niemand in Frage stellen. Die frühere Nummer 3 im Stuttgarter Fußball ist ja ein echtes Symbolbild des modernen Fußballs. Tradition schießt eben keine Tore, und gerade in einer Bundesligastadt wie Stuttgart ist das Überleben im Schatten des Lichterglanzes sehr schwer geworden. Die Gaskesselkicker des SSC, die früher Tausende in den Bann zogen und mit Emil Gröner einen Nationalspieler in ihren Reihen hatten, sind ja mächtig abgestürzt. Der ehemalige harte Rivale der Normannia ist längst in der Kreisliga B angekommen, wo die Mannschaft regelrecht zum Kanonenfutter mutierte.

Und doch: sensationellerweise war ich im vergangenen Jahr Zeuge des ersten Saisonsieges der Rotjacken über Bernhausens Zweite. Was ich damals nicht wusste: es war nicht nur der erste Saisonsieg des SSC, sondern auch die letzte reguläre Partie der Kicker vom Gaskessel. Denn die Rotjacken mussten aus Spielermangel auf das sogenannte "Norweger-Modell" zurückgreifen und konnten nur mit 9 Mann antreten. Für mich persönlich klingt es nicht zuversichtlich für die Zukunft. Jedoch hat sich mittlerweile die Zweite Mannschaft der SG 07 Untertürkheim dem SSC angeschlossen, was in der nächsten Spielzeit durchaus wieder die Situation durcheinanderwirbelt.
Unbeabsichtigterweise kam ich dennoch zu meinem ersten Spielbesuch mit einer reduzierten Mannstärke.

Laut Kultautor Douglas Adams ist die Antwort auf alle Fragen 42. Für den F.K. Sarajevo Stuttgart ein günstiges Omen, wurde der Verein doch im Jahre 1977 gegründet und wird heuer 42 Jahre alt. Mitte 1977 war es, als sich einige in Stuttgart lebenden Bosnier - die meisten arbeiteten beim gleichen Arbeitgeber - in der Gaststätte "Kod Bosanca" am Nordbahnhof trafen, und ihr fußballerisches Heimweh mit der Gründung eines Clubs stillten.
Mit dem Namen FK Sarajevo wählte man dabei ein fußballerisches Schwergewicht und das Aushängeschild im bosnischen Fußball, den zweifachen jugoslawischen Fußballmeister.

Auch das Vereinswappen ist nicht zufällig dem Wappen des großen bosnischen Vorbildes entlehnt. Die heraldische Lilie weicht dabei ein klein wenig vom Vorbild ab, wiewohl diese längst aus dem Wappen des bosnischen Meisterteams verschwunden ist und auch sonst kleinere Veränderungen erfahren hat.
Was übrigens als brauner Farbton erscheint, sollte eher ein bordeauxrot sein. Meine Vektorisierungskünste sind noch nicht ausgereift...

Das ursprüngliche Wappen des "originalen" FK Sarajevo und das Stuttgarter Logo.
Das auf Fupa verwendete Wappen, möglicherweise von einer Nadel stammend.

Der Verein wählte mit Ankica Kudić fortschrittlich eine Frau zur Vereinspräsidentin, und der bei Gründung 18 Mitglieder zählende Verein ging in der damaligen "Jugoliga" an den Start. Die Jugoliga (auf Facebook gibt es noch eine Nostalgieseite: Jugoliga u Baden Württembergu) war eine 1972 gegründete Organisation, in der aus jugoslawischen Gastarbeitern gegründeten Mannschaften, die einen eigenen Meister in Württemberg ermittelten. Schwerpunkte dieser Fußballtätigkeiten waren Stuttgart, Heilbronn, Schwenningen und Tuttlingen. 

Dieses externe Foto soll die Mannschaft des FK Sarajevo Stuttgart darstellen, ist aber unsicher: FK Sarajavo 1970er/1980er? Seine erste fußballerische Heimat hatte Sarajevo in Bernhausen, später am Neckarstadion während die Zuffenhausener Schlotwiese als Trainingsfläche diente. Im Herbst 1977 nahm Sarajevo am Spielbetrieb der Jugoliga teil, verlor sein erstes Spiel mit 0:3. Es war die Ära von Mido Prcić, der als Spieler, Trainer, Präsident und Gönner den Club prägte. In jener Zeit kam es gar zu einem Freundschaftsspiel in Sarajevo,der der Stuttgarter NK Sarajevo auf ehemalige NK Stars in der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas traf. 

Die Jugoliga exisitierte bis 1992. Zunehmend wechselten die Teams in den regulären Spielbetrieb des wfv, der 1991 die Einschränkung der Teilnahme ausländischer Spieler aufgehoben hatte. Der Zusammenbruch Jugoslawiens tat sein übriges zur Auflösung, so dass die Jugoliga nur noch in nostalgischer Erinnerung der Beteiligten weiterlebt.

Wann der FK Sarajevo in den wfv-Spielbetrieb wechselte, liegt mir leider nicht vor. Meine Aufzeichnungen zu den Stuttgarter Kreisligen reicht nur bis 1996 zurück, und damals spielte Sarajevo bereits in der Kreisliga B. 1990 war der Club jedoch noch in der Jugoliga vertreten, belegte in der 3. Liga Staffel 4 mit 12 Punkten und 23:88 Toren den 7. und somit vorletzten Platz.


Der wfv-Spielbetrieb kam bei den Bosniern besser an. 1996/97 wurde man in der Kreisliga B Vizemeister hinter Traditionsverein SpVgg Cannstatt, erzielte 130:40 Tore und sammelte 52 Punkte. Als kurioses Ergebnis dieser Saison sticht ein 17:5-Auswärtssieg bei Rot-Weiß Rohracker besonders heraus.

1997/98 blieb nur der 3. Platz, aber Sarajevo erwies sich erneut als Torfabrik. 128:30 Tore und 58 Punkte hieß die Bilanz. Mit 18:0 siegte man in Rohracker, und einen 18:1-Sieg feierte man bei der 2. Mannschaft des SC Echterdingen (heute Calcio Leinfelden-Echterdingen).

Mit 11 Punkten Vorsprung vor tus Stuttgart und dem 1. Stuttgarter FV 1896 feierte Sarajevo 1998/99 die längst überfällige Meisterschaft und den Aufstieg in die Kreisliga A. 133:27 Tore und 60 Punkte zeigten eine deutliche Übermacht. Wie stark Sarajevo damals war, zeigt sich besonders dadurch, dass Vizemeister tus mit 8:2 und der 1. FV 1896 mit gar 11:2 auf Abstand gehalten wurde. Höchster Saisonsieg war ein 16:1 beim TSV Mühlhausen II.

1999/2000 erging es Sarajevo in der Kreisliga A schlecht. Deutlich abgeschlagen mit nur 12 Punkten ging es postwendend wieder zurück. Abgesehen von einem 3:8 gegen Meister Metanastis Wangen hielt sich der Aufsteiger in den Partien dennoch sehr achtbar, und mit einem 4:1 beim ehemaligen Zweitamateurligisten ESV Rot-Weiß Stuttgart durfte man sogar einen Auswärtssieg bejubeln. Zwei Heimsiege sammelte man noch gegen die SKG Hedelfingen und der 2. Mannschaft von Georgii Allianz.

2000/01 scheiterte der sofortige Wiederaufstieg. Der VfL Wangen erwies sich als zu stark. Mit 85:28 Toren und 50 Punkten blieb nur Platz 2.

2001/02 fehlte indes nur ein Punkt zur Meisterschaft. Der Stammverein von Normannia-Trainer Holger Traub, der SV Grün-Weiß Sommerrain zog mit 57 Punkten und 81:29 Toren vor FK Sarajevo mit 56 Punkten und 101:30 Toren über die Ziellinie. Bei Punktgleichheit hätte Sarajevo das Meisterlorbeer geerntet. Besonders Bitter war für den bosnischen Club, dass man bei Sommerrain mit 3:1 gewann, Zuhause aber mit 1:1 nur einen Punkt holte. Erstmals kam man auch im Bezirkspokal über die ersten zwei Runden hinaus. Nach einem 3:1 über Al Quds Palästina war jedoch im Achtelfinale mit 3:13 gegen Bezirksligist ERMIS Stuttgart-Ostendplatz Endstation.

2002/03 feierte man hingegen wieder Meisterschaft und Aufstieg. 118:29 Tore und 65 Punkte bedeuteten in der Endabrechnung 2 Punkte Vorsprung vor Neuling GFV Pierikos II.

2003/04 hielt man sich in der Kreisliga A. Platz 8 am Ende der Saison war ein deutlicher Erfolg, mit 56:68 Toren und 29 Punkten behielt man am Ende 9 Punkte Vorsprung auf den Abstiegsplatz. Lehrgeld zahlte man nur gegen den späteren Meister und Aufsteiger, dem Türk. SC Stuttgart, gegen den man mit 2:10 zweistellig unterlag. Im Pokal war diesmal in der 3. Runde Endstation.

2004/05 steigerte sich der Club sogar. 49:50 Tore und 30 Punkte bedeuteten am Ende Platz 5, was den Club jenseits von gut und böse in der Kreisliga-A-Tabelle und sein bislang bestes Saisonresultat einbrachte.

2006 hingegen erfolgte der neuerliche Abstieg in die B-Liga. Mit 27 Punkten zierte man das Tabellenende, zum rettenden Ufer fehlten nur 4 Pünktchen. In der 3. Runde des Bezirkspokals hingegen warf man den favorisierten TSVgg Münster auf dessen Platz mit 2:1 aus dem Wettbewerb, unterlag jedoch im Achtelfinale bei der SpVgg Stetten/Filder deutlich mit 12:1.

Von 12 ursprünglich gemeldeten Mannschaften der Kreisliga B Staffel 2 beendeten nur 9 die Saison 2006/07, und der FK Sarajevo wurde nur Vizemeister hinter der SKG Max-Eyth-See mit 33 Punkten und 72:23 Toren. Sarajevo wurden gar 4 Punkte abgezogen. Im Gegensatz zu früher erhielt aber der Vizemeister nun über die Aufstiegsrelegation noch eine Chance. Auf dem Platz in Obertürkheim siegte Sarajevo zunächst über den TSV Zuffenhausen mit 3:2, scheiterte aber wenige Tage später in Stuttgart-Rot gegen den Kreisliga-A-Vertreter TV 89 Zuffenhausen mit 1:3.

2008 blieb nur der undankbare 3. Platz, verzeichnete noch einmal 73:45 Tore und 47 Punkte, sieben Punkte hinter Vizemeister SG Weilimdorf, gegen den man Zuhause auch mit 1:8 unterlag.

Ironischerweise belegte Sarajevo auch 2009 Platz 3 hinter der SG Weilimdorf, feierte aber mit einem 11:0 in Rohracker und einem 10:2 in Obertürkheim noch einmal hohe Auswärtssiege.
Die Eintragung ins Vereinsregister erfolgte am 2. Februar 2009, als "e. V." konnte man also jüngst seinen 10. Geburtstag feiern.

Die folgenden Spielzeiten sind auf Fupa Stuttgart ausreichend dargestellt, so dass ich die restlichen Jahre im Schnelldurchlauf nennen möchte.

2010 feierte man das letzte mal Meisterschaft und Aufstieg, stieg aber mit 9 Punkten sang- und klanglos gleich wieder ab. 2012 klopfte man als Vizemeister nochmals vergeblich an das Kreisliga-A-Tor, ansonsten verliefen die Spielzeiten relativ durchwachsen. In der letzten Spielzeit belegte FK Sarajevo den 11. Platz in der Kreisliga B5, doch seit dem Wechsel in die Staffel 3 kann man sich wieder berechtigte Hoffnungen auf die Kreisliga A machen. Vor der Begegnung mit dem SSC belegt man den 4. Platz mit 2 Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz. Jedoch hat Sarajevo ein Spiel mehr ausgetragen als Tuna Spor Echterdingen, dass diesen Platz derzeit belegt. Umso wichtiger ist ein Sieg gegen den SSC, bevor es nächste Woche zum Showdown nach Echterdingen geht.

Nach Fußball und Rugby meine drittliebste Mannschaftssportart.
Wie so viele Kreisligisten in Stuttgart spielt der FK Sarajevo im Schatten des VfB, dominiert einem Symbolbild gleich die Mercedes-Benz-Arena die Herrschaft des Bundesliga-Fußballs über die Masse des Amateurfußball-Proletariats. Heute spielte Sarajevo sogar im doppelten Sinne im VfB-Glanz, trug man das Spiel wetterbedingt auf dem Kunstrasen aus, Heimat der VfB-Hockeyabteilung. Zumindest war es nett von den Protagonisten, die Partie auf Samstag vorzuverlegen, da am Sonntag sonst der FK Sarajevo dem VfB zu viele Fans entzogen hätte. Der Witz musste jetzt mal sein...

Symbolische Darstellung der Fußballprioritäten der Landeshauptstadt.
Die Masse der Enthusiasten begeistert sich für den Hintergrund.
Meine Samstagsheroen spielen im Vordergrund
Für die Qualität meiner Bilder muss ich mich entschuldigen. Die Kamera war frisch aufgeladen, wurde aber in der Eile der abreise völlig vergessen. Das Smartphone musste mir aushelfen.

Eine angenehme entschleunigte Ruhe liegt dabei auf den Nebenplätzen der Mercedesstraße, und der Lärm und Trubel der niemals ruhenden Großstadt scheint völlig untergegangen zu sein. Ein Läufer nutzte die Gunst der Stunde, um in Ruhe ein improvisiertes Bahntraining auf einem der Kleinspielfelder zu absolvieren.

Wenigstens das Trinkwasser ist in Ordnung.
Ich bin etwas früh da und genieße noch diese ruhigen Momente. Hinter den Zäunen lugt die Spielstätte und das kultige Vereinsheim des Stuttgarter Sportclubs hervor, die Tribüne des Festwiesenstadions gibt sich ebenfalls die Ehre. Im Hintergrund grüßt mit dem Gaskessel die alte gestohlene Heimat des SSC.




Der Zugang zum Spielfeld erfolgte durch abgelagerten Grünschnitt, was ein wenig den Stellenwert des Amateurfußballs in den Augen des Stuttgarter Sportamtes darstellen mag. Im Gegensatz zum Gmünder Kunstrasen ist der Hockeyplatz des VfB Stuttgart völlig auf diese Sportart zugeschnitten, schwere Drahtgitter sollen ein entweichen des Hockeyballs unterbinden.

Zugangsbereich.
Die Protagonisten treffen ein. Die Sarajevo-Spieler wählen die Abkürzung durch das Parkhaus, welches Stuttgartläufer als Ablageort ihrer Sporttaschen kennen. Die SSC kommt vom eigenen Platz herüber, später folgen aus dem Vereinsheim noch ein paar unentwegte SSC-Zuschauer, es mögen fünf oder sechs gewesen sein, um ihrem Club beizustehen. Allesamt aus dem Vereinsumfeld, denn was dem SSC tatsächlich fehlt, ist ein echter Nachbarschaftskiez. Unter den Zuschauern ist auch die "Grande Dame" des SSC, Gerlinde Stengle, der man gerne den Ehrenamts-Legendenstatus zugestehen muss. Wer ruft auch schon den Schiedsrichter an um sicherzugehen, dass der Staffelleiter die Spielverlegung übermittelt hat?

Alles geschieht heute in kleinstem Kreis, sogar der Schiedsrichter, der altgediente und oft geehrte Thomas Richter, stammt aus der Nachbarschaft des VfB Stuttgart, und auch wenn er natürlich nicht in der Geschäftsstelle wohnt, so bekommt das Wort "Kreisliga" eine völlig neue Bedeutung.

Der SSC beim Aufwärmprogramm
Die ungewohnte 9 gegen 9 Spielweise brachte so einige Tücken hervor. Spielfeldmarkierungen wurden durch Hütchen ersetzt. Häufigster Streitpunkt wurde "Abseits oder nicht Abseits", und auch wenn es im Fußballgeschäft Woche für Woche zu Diskussionen auf den Spielfeldern weltweit führt, so blieb der gestrige Tag gefühlt Rekordhalter. Indes, Schiedsrichter Richter blieb in seiner ausstrahlenden Würde der Lebenserfahrung eine uneingeschränkte Instanz der Regelkunde.

Der FK Sarajevo, der mir sein herzliches Willkommen schenkte, hatte zu Beginn noch etwas Sand im Getriebe, bis er sich auf die Gegebenheiten einstellen konnte. Das der in Weiß spielende Nachbar nicht in der Lage sein würde, eine ernsthafte Gefahr darzustellen, verleitete aber zu Beginn durchaus zu einigen Fahrlässigkeiten. Die erste wirkliche Torchance im Spiel brachte der SSC fertig, der Ball allerdings wurde abgewehrt und im Gegenzug brachten sich die Weinroten in Führung.



Mehmet Tüter, dem 46-Jährigen Spielertrainer des SSC, war es überlassen, seinen Jungs das Toreschießen zu zeigen. In eleganter Manier umkurvte er die Sarajevo-Abwehr und brachte tatsächlich den zwischenzeitlichen Ausgleichstreffer zustande. Es blieb das einzige Tor des Traditionsvereins. Sarajevo ließ zwar im Laufe des Spiels einige leichtsinnige Situationen zu, die jedoch folgenlos blieben. Bei Halbzeitpfiff stand es bereits 5:1 die Jungs des FK Sarajevo, und bei Wiederanpfiff stellte sich nur die Frage, ob das Ergebnis noch Zweistellig werden würde.

Sarajevo in Ballbesitz
Kurz vor Ende der Partie war es dann auch soweit: in der 87. Minute fiel Treffer Nummer 10, was dann auch den Endstand bedeutete. Dennoch hielt sich der Gaskesselclub den Umständen entsprechend achtbar. Immerhin: das Hinspiel hatten sie ja deutlich höher verloren.


Aus Sicht der Heimmannschaft
Die knapp 30 Zuschauerinnen und Zuschauer bekamen jetzt gewiss keine große Fußballpartie zu sehen, zu bereuen musste nach meiner Ansicht jedoch niemand seine Anwesenheit. Jenseits des Lichterglanzes der millionenschweren und eurogetränkten Bundesliga lebt eine Fußballkultur, die dem Verbandsspruch "Unsere Amateure - echte Profis" eine ganz andere Bedeutung verleiht. Gibt der Verband seinem Werbespruch oft genug einen gutgemeinten humorigen Anstrich, der sich aber leider hin und wieder auf Bierkasten und Bierbauch beschränkt, so leben die wahren Meister der brotlosen Fußballkunst einen harten Alltag des Existenzkampfes. Woche für Woche bewähren sie sich in Improvisationskunst, bemühen sich um spielfähige Plätze und Aufrechterhaltung des Spielbetriebes. Was Vereine wie der FK Sarajevo, der Stuttgarter Sportclub und viele viele andere mit ihren eingeschränkten Möglichkeiten logistisch leisten, ist in Worte der Anerkennung gar nicht zu fassen.

Was dem Amateurfußball in Stuttgart fehlt, ist Aufmerksamkeit. Fußballfreunde, Medien, Politik müssen einfach mehr ihre Augen auch dorthin richten, wo es kein Fußballevent in einem Tollhaus gibt. Die Menschen in diesen Vereinen hätten es einfach verdient, wenn durch mehr Interesse an ihren Spieltagsalltag ihre Arbeit anerkannt wird. Da wäre schon viel erreicht.

Die sympathischen Jungs des FK Sarajevo hingegen sind wenigstens mal für 24 Stunden auf dem Relegationsplatz. Das Auge richtet sich nun auf den Hauptkonkurrenten SV Tuna Spor Echterdingen, die nächsten Sonntag Sarajevo empfangen. Ein echtes Schicksalsspiel. Meine Daumen für die schwäbischen Bosnier sind zumindest gedrückt, dass der diesjährige Versuch, den Sprung in die Kreisliga A zu schaffen, von Erfolg gekrönt wird. Beim Abschied habe ich meinen erneuten Besuch versprochen. Wenn jemand aus Schwäbisch Gmünd anreist, wer weiß, vielleicht schaut ja auch mal ein Stuttgarter Fußballfreund vorbei. Fußball sah ich dann auch noch am Samstag, kurz in der Cannstatter Bahnhofskneipe, dem "Zapfhahn", um dort der quirligen und stets fröhlichen Wirtin meine Aufwartung zu machen. Bundesliga lief auf dem Bildschirm, und einige der Gäste, die mit trüb-wässrigen Augen einen verkorksten Elfmeter des 1. FC Nürnberg anstarrten, waren durch Hopfentrunkgenuss bereits vor der komatösen Grenze. Ich muss gestehen, mein Fußballtag empfand ich genussvoller; hvala, Sarajevo!