Dienstag, 8. September 2015

LOKALRUNDE 2015 - SC Geislingen gegen SV Bonlanden

Verdienter Freudentanz für Geislingen

"Schön ist es hier - schön laut" soll Matthias Herget, seineszeichen damals Nationallibero und Spieler von Bayer 05 Uerdingen gesagt haben, als er das Stadion im Eybacher Tal betreten hat. Ein namentlich nicht überlieferter Fan des heimischen SC Geislingen soll daraufhin den Satz geprägt haben, hier sei es halt wie in der "Anfield Road", was für die DFB-Pokalsaison 1984/85 auf Geislingen auch irgendwie zutraf. Die Begeisterung, mit der Spieler und Fans seinerzeit den HSV bezwangen, sich von Kickers Offenbach nicht aufhalten ließen und es auch dem späteren Pokalsieger Bayer 05 Uerdingen verdammt schwer machten, sucht in der Geschichte des Amateurfußballs seinesgleichen.

LOKALRUNDE - Der Tag des Amateurfußballs startete an diesem Wochenende zur zweiten Ausführung, nachdem bereits 2014 die Faninitiative "Glotze Aus, Stadion An!" den ersten Austrag über die Bühne brachte. Diesmal fand die Veranstaltung an zwei Wochentagen statt, und erstmals haben sich auch Mannschaften aus Württemberg zu dieser Aktion bekannt und ihre Heimspiele angemeldet.


Die Ehre, das erste LOKALRUNDE-Heimspiel auf württembergischen Boden austragen zu dürfen, kam dem legendären SC Geislingen aus der Fünftälerstadt zugute, die ihre Landesliga-Partie gegen den SV Bonlanden als Werbung für den Amateurfußball zur Verfügung stellten. "Unsere Landesliga-Fußballer unterstützen die Aktion und wollen am heutigen Nachmittag mit attraktivem Fußball darauf aufmerksam machen, dass sich der Weg auf den Sportplatz vor der eigenen Haustüre lohnt und dieser vor lauter Bundesliga, Sky, etc. nicht aus den Augen verloren werden sollte" kündigte das Stadionblatt an, und die Geislinger haben diese sich selbst gestellte Aufgabe mit Bravour gemeistert. Haltungsnote 1,0 mit Sternchen, würde ich sagen. Die 239 Zuschauer kamen, sofern sie zur Heimmannschaft hielten, auf ihre Kosten, und das schnelle Spiel im attraktivem Stadion hat wahrlich den Appetit auf Landesliga-Fußball geweckt. Aber der Reihe nach.

Wer sich für württembergischen Amateurfußball interessiert, der kommt um den SC Geislingen natürlich nicht herum, und auch für Amateurfußballlegende Bredi war es fast schon eine Sünde, das ich noch nie das Stadion im Eybacher Tal besucht habe. Eigentlich wollte ich ja die Veröffentlichung von "Heimspiele" abwarten, damit ich mit den Informationen aus dem Buch mit zusätzlichen Wissen glänzen kann, aber die LOKALRUNDE gab mir die Gelegenheit, den ehemaligen Pokalschreck früher aufzusuchen.

Die Gründung des SC Geislingen, die am 31. Mai 1900 erfolgte, hängt sehr eng mit der aus Geislingen stammenden Württembergischen Metallwarenfabrik (WMF) zusammen. Allerdings war es keine Gründung "von Unten", sondern "von Oben". Im Gegensatz zu anderen Vereinsgründungen, wo Arbeiter und Angestellte dem Lederball nachjagten, kam die Initiative zum Fußball vom WMF-Prokuristen, dem Kommerzienrat Theo Ritter. Welche Motivation dahintersteckte, konnte ich nicht herausfinden, jedoch wäre Württembergs Fußballgeschichte um einiges ärmer ohne den Club aus dem Filstal, der damals als Sport-Club Geislingen aus der Taufe gehoben wurde und neben Fußballsport sich dem Tennis und der Geselligkeit verschrieb.

Das erste Fußballspiel in Geislingen erfolgte am 5. August 1900. Gast war der Privatturnverein Ulm, der längst im Stammbaum des SSV Ulm 1846 Fußball aufgegangen ist, und mit 5:0 Sieger blieb.

1911 gingen die Tennisspieler und die Fußballer getrennte Wege, die Kicker behielten dabei den Namen Sport-Club. Erst 1913 trat Geislingen dem Süddeutschen Fußballverband bei und wurde der C-Klasse zugeordnet, zu einer frühen Blüte kam es durch den 1. Weltkrieg nicht mehr. Nach dem Weltenbrand 1914/18 hieß der SC ab 1919 bis 1946 Fußballverein 1900 Geislingen, marschierte aber bereits 1920 von der B-Klasse in die A-Klasse durch. Über diese frühen Jahre befinden sich sehr wenige Unterlagen in meinem Archiv, aber zumindest waren die Geislinger anders als Ulm oder Heidenheim "echte" Württemberger und nicht wie diese dem Bezirk Südbayern zugeordnet.

1932 nahmen die Geislinger als Staffelsieger an der Aufstiegsrunde zur Kreisliga Zollern - der damals zweithöchsten Spielklasse - teil, und konnten sich hinter der FG 09 Hechingen den Aufstieg sichern. Die Saison 1932/33 war indes weder von Erfolg gekrönt - man wurde Letzter mit 4-36 Punkte - noch finanziell erfolgreich. Nicht zuletz die Auswärtsfahrten nach Nürtingen (0:6) oder Tailfingen müssen die Kasse belastet haben, wiewohl bei Heimspielen selten weniger als 2.000 Zuschauer ins Stadion kamen.

Bezirksklasse (2. Liga) 1933/34
Nachdem die Nationalsozialisten auch den Fußball in Württemberg nach ihrem Sinne neu ordneten, blieben die Geislinger zweitklassig. Die Zuordnung in der nur noch aus drei Staffeln bestehenden Bezirksklasse (Gruppe 3, Ost) brachte weniger Partien in Südwürttemberg, dafür mehr im Filstal und der Ostalb, u. a. auch gegen Normannia Gmünd.

1937 klopften die Geislinger sogar an der Tür zur 1. Liga, nachdem sie ungeschlagen Meister ihrer Staffel wurden. Allerdings endete die Aufstiegsrunde zur Gauliga Württemberg nur mit Platz 5, mußte man nicht nur dem Ulmer FV 94 und dem VfR Schwenningen den Aufstieg überlassen, sondern konnte überhaupt nur einen Sieg einfahren (3:2 gegen Salamander Kornwestheim).

Im Pokal ließen die Geislinger erstmals 1939 aufhorchen, als sie es in die Gauausscheidung zum Tschammer-Pokal schafften (dem heutigen DFB-Pokal), und dem Erstligisten SpVgg Cannstatt immerhin eine Verlängerung abtrotzten, ehe sie mit 1:2 unterlagen.

Oktober 1941. Geislingen unterliegt in Esslingen mit 0:6
Auch wenn die Staffeleinteilungen von Saison zu Saison wechselten, so konnte der FV Geislingen auch während des 2. Weltkrieges seinen Spielbetrieb aufrecht erhalten, ehe auch hier der "totale Krieg" die Einstellung des Spielbetriebes führte.


Seit 1946 - im Verein entstanden viele weitere Abteilungen - tritt man in der Fünftälerstadt wieder unter dem Namen Sport-Club 1900 gegen das Leder. Zunächst in der Bezirksklasse startend, gehörten die Geislinger 1950/51 zu den Gründungsmitglieder der 2. Amateurliga, Staffel 3 (vergleichbar mit der heutigen Landesliga), belegten auf Anhieb Platz 2 hinter dem 1. SSV Ulm, aber vor Kickers Vöhringen und den Sportfreunden Gmünd. Zu den bemerkenswerten Siegen gehört der 10:0-Heimsieg über die Sportfreunde Lorch. Im Folgejahr wurde der SC Geislingen Meister mit drei Punkten Vorsprung vor dem SSV Ulm, und auch die Aufstiegsrunde wurde erfolgreich abgeschlossen. Der SC Geislingen war in der höchsten Amateurliga Württemberg angekommen, wo sie auch bis 1974 blieben. Legendäre Jahre begannen in den "goldenen" 50er Jahren, die die Geislinger auch zweimal fast in die damalige 2. Liga Süd geführt hätte. 1959 ging der Titel des Württembergischen Meisters nach Geislingen, wiewohl der Aufstieg in die 2. Liga mißglückte. In der Saison 1959/60 ließ Geislingen das erste Mal als Pokalschreck aufhorchen, als in der 1. Runde des Süddeutschen Pokals BC Augsburg mit 5:4 nach Hause geschickt wurde. Die 2. Runde brachte den Oberligisten und alten Vorkriegsrivalen SSV 05 Reutlingen nach Geislingen, der den Amateurligisten völlig unterschätzte. 3.500 Zuschauer sahen, wie die Geislinger in Unterzahl einen frühen Rückstand in der 87. Minute mit einem Treffer Ender egalisierten und ein Wiederholungsspiel erzwangen. Dabei waren die Geislinger seit der 67. Minute sogar in Unterzahl.

Im Rückspiel in der Reutlinger Kreuzeiche, dem trotz klirrender Kälte bis zu 300 lautstarke Geislinger Fußballfans folgten, war der große SSV vorgewarnt und siegte klar und ungefährdet mit 5:3. Auch in der Amateurliga reichte es den Geislingern zu erneuten Aufstiegsträumen, scheiterte jedoch erneut. Danach schien zunächst mal die Luft aus dem Club raus. 1962 noch mit einem 5. Platz abgeschlossen, kämpfte der Verein ein Jahr später gegen den Abstieg.

1968 blieb der SCG mit einem Punkt Rückstand auf Meister TSF Esslingen Zweiter. Erstmals nach langer Zeit stieg Geislingen im WM-Jahr 1974 ab. Ein sofortiger Wiederaufstieg aus der 2. Amateurliga mußte indes verschoben werden, 1975 blieb Geislingen nur Platz 6. Mit einem 7:3-Sieg beim TSV Heubach trug der SCG ein kurioses Ergebnis in seine Annalen ein. Ein Jahr später reichte es schon für Platz 4, wobei man beim SV Rehnenhof mit 0:6 unterging. Die Rückkehr ins WFV-Oberhaus gelang 1976/77. In einer kuriosen Saison wurde man Meister der Staffel 3, punktgleich mit der SpVgg Au und dem FV 09 Nürtingen.

Hauen und Stechen war 1977/78 angesagt, denn die Amateurliga Württemberg ging in die letzte Saison und wurde durch die Ober- und Verbandsliga ersetzt. Die Geislinger konnten sich nicht qualifizieren und wurden in die mittlerweile fünftklassige Landesliga versetzt.
Platz 3 klang zwar gut, hieß aber in der Realität 9 Punkte Rückstand auf Meister VfR Aalen. Der TSV Stuttgart-Rohr (9:1) und die TSGV Waldstetten (8:2) durften die Torgefährlichkeit der Geislinger besonders bitter erfahren.

Der Aufstieg in die Verbandsliga gelang 1980 vor dem SV Stuttgart-Rot und der Normannia Gmünd. Die Geislinger waren in der Verbandsliga nicht nur der beste Aufsteiger (10. Platz), sondern auch der einzige Neuling, der den Klassenerhalt sicherte. Da konnte man auch mal eine 4:6-Heimniederlage gegen den VfB Friedrichshafen verschmerzen.

Im verflixten zweiten Jahr folgte der Abstieg (drei Punkte hinter dem Heidenheimer SB), konnte aber im DFB-Pokal dem VfR Bürstadt ein Wiederholungsspiel abringen. Selten souverän kehrte ein Absteiger in die Verbandsliga zurück wie Geislingen - 14 Punkte Vorsprung und 100:35 Tore. Damit nicht genug: im Aufstiegsjahr landete Geislingen punktgleich mit Meister FC Marbach auf Platz 2, und in den Aufstiegsspielen kam es zum Duell mit dem HSV-Pokalschreck VfB Eppingen. In Nordbaden unterlag man mit 0:2, doch vor 2.000 Zuschauern im Eybacher Tal erkämpfte sich Geislingen ein 3:0, was sie erstmals in die Amateur-Oberliga Baden-Württemberg brachte. Der heutige Trainer Uli Haug erlöste in der 69. Minute den SCG mit dem 3:0, nachdem Joachim Oetinger in der 2. und 47. Minute das Eppinger Ergebnis egalisierte. Zusätzlich zum Aufstieg wurde in Geislingen auch nach einem 2:1 über den TSV Ofterdingen der WFV-Pokalsieg gefeiert.



Unter dem neuen Coach Jakob Baumann landete der Neuling gesichert auf Platz 5, und Wolfgang Haug durfte sich mit 24 Treffern als Torschützenkönig der Liga feiern lassen, während im Schnitt 1.188 Zuschauer die Spiele verfolgten. Unvergessen allerdings bleibt wohl für immer der Triumph im DFB-Pokal. Der Hamburger SV, beseelt, kein zweites Eppingen zu erleben, ging sensationell in Geislingen mit 2:0 ein - trotz eines Uli Stein, Felix Magath oder Manni Kaltz. 7.000 Zuschauer wurden Zeugen dieses Fußballwunders, das in der 2. Runde seine Fortsetzung fand. Da mußte Zweitligist Kickers Offenbach mit 4:2 Federn lassen, und erst im Achtelfinale bedarf es den späteren DFB-Pokalsieger Bayer 05 Uerdingen unter tatkräftiger Mithilfe des Schiedsrichters, um Geislingen zu stoppen.

Doch Ruhm verblasst schnell. 1986 stieg Geislingen in die Verbandsliga ab, konnte aber sofort wieder korrigiert werden. Noch einmal wurde 1989 der WFV-Pokal nach Geislingen geholt, ein erneutes DFB-Pokalwunder blieb diesmal aber aus (0:3 gegen den TSV 1860 München). 1991 stiegen die Geislinger ab, kehrten über die Relegation mit Trainer Max Fischer 1992 wieder zurück. ÜBer zweistellige Tabellenplätze kamen die Geislinger aber nicht mehr hinaus, und auch die Zuschauerzahlen gingen auf 700 zurück.

Noch einmal, 1995, die Oberliga war nach Einführung der Regionalliga nur noch viertklassig, klopften die Geislinger oben an. Danach war die Luft raus. 1996 erfolgte der neuerliche Abstieg, 1998 gar der Sturz in die Landesliga. Bittere Jahre folgten für die Geislinger, die sogar in der Bezirksliga vorbeischauten. In die mittlerweile nur noch siebtklassige Landesliga kehrte der SC Geislingen 2011 zurück, und man möchte hoffen, dass der Traditionsverein nicht nur der Klasse erhalten bleibt, sondern auch mal wieder in der Verbandsliga vorbeischauen möchte. Die letzten beiden Spielzeiten sahen die Geislinger zwar unter den ersten 5 in der Tabelle, aber auch abgeschlagen zur Spitze.

Heimtückische Wanderwege
Da ich mich noch im Urlaubsmodus befand, hielt ich es für angebracht, meinen Besuch in Geislingen an einer kleinen Halbtageswanderung zu koppeln, die mich morgens um 7:45 Uhr aus dem Haus jagte, damit ich um 8:26 Uhr von Weißenstein aus über die Alb wandern konnte. Diese Option, allerdings von Schwäbisch Gmünd aus, folgten übrigens auch die Urväter der Normanniafußballer, wenn sie zu Auswärtsspielen nach Geislingen mußten. Über Kuchalb folgte ich einen Trailpfad talabwärts, der jedoch mit gestürzten Bäumen übersät war, so daß ich mir selber beim überklettern einen bösen Sturz zuzog. Dennoch kam ich mit großem Vorsprung vor dem SV Bonlanden in der Fünftälerstadt an, und konnte mich im Vereinsheim der Geislinger gütlich an der vorzüglichen Küche mit den mehr als großzügigen Portionen laben (um hier ein Beispiel zu bringen, was „großzügig“ heißt: man muß den Teller erst leer essen, damit ihn überhaupt erst sehen kann).



Zwischenzeitlich rückte auch Bredi ein, der moderne Fortbewegungsmittel zur Anreise nach Geislingen gewählt hatte, nichtsdestotrotz aber sich diese Partie nicht entgehen lassen wollte. Zudem ist der „Botschafter des Amateurfußballs“ auch in Geislingen bekannt wie der sprichwörtliche  bunte Hund und stets ein gern gesehener Gast – bei einem seiner letzten Besuche haben die Geislinger ihm ein eigens für ihn gefertigtes Trikot übergeben. Man merkt, der Verein ist erfrischend „gut drauf“ und verharrt nicht in irgendwelchen altbackenen Ritualen aus der Vergangenheit.




Ich wollte die mir im Vereinsheim angefressenen Pfunde zunächst mal wieder abarbeiten und besah mir in Ruhe das Stadion. Wie der Name „im Eybacher Tal“ erahnen läßt, liegt es landschaftlich betrachtet sehr schön eingebettet, reizvoller gar als das ebenfalls schön gelegene Albstadion in Ebingen. Das der DFB-Pokaltriumph von anno dazumals hoch in Ehren gehalten wird, ist absehbar – Ehre wem Ehre gebührt. Aber der satzungsmäßige Vereinszweck besteht nicht nur daraus, Fußballvereinen aus Hamburg die Suppe zu versalzen. Auf eine gute Jugendarbeit wird ebenso wert gelegt, und während auf dem Nebenplatz der Fußballnachwuchs verbissen trainiert, als ob gerade der HSV-Bus um die Ecke fahren würde, kommen im Vereinsheim auch die Pokal- und Meisterehren der Jugendabteilungen zur Geltung – und eben nicht „nur“ 1984/85.

Bredi fürchtet weder Tod und Teufel noch Trommel 
Im Stadion herrscht freie Platzwahl, und ein guter Blick ist natürlich von der Tribüne gewährleistet. Dort bereits platzierte Trommeln kündigen auch bereits optisch an, das die Akustik dort oben gut genug zu sein scheint, das auch mit kleinen Gruppen ordentlich Stimmung gemacht werden kann. Dort verpflanze ich mich zunächst mal, um die 1. Halbzeit von dort aus zu besichtigen, und Stück für Stück trudeln auch die Zuschauer auf die Tribüne ein. Bredi zeigt sich hierbei todesmutig, setzt er sich doch unter Mißachtung sämtlicher Geräuschsicherheitsvorschriften direkt vor die Trommeln.

LOKALRUNDE 2015 ....
.... und Händeschütteln 2015










Im Programmheft wurde nicht nur die eigene LOKALRUNDE-Veranstaltung erwähnt, sondern auch auf die Tags darauf stattfindende Partie des TV Echterdingen hingewiesen, was ich als einen sportlichen Zug empfand. Von den Spielern, die von meiner Position kaum größer als Tipp-Kick-Figuren wirken, erkenne ich Ex-Normanne Benjamin Klement beim aufwärmen. Und schon geht es los mit ein wenig Pow-Wow – zwar nicht zu LOKALRUNDE, aber über Fair Play und „shake hands“, wie eine vom Verband angesetzte Aktion heißt.











Der Spielbeginn zeigt neben wilder Trommelei der Geislinger Fans – von Bredi übrigens mit einer bewundernswerten Gemütsruhe ertragen – auch eine aufspielende Heimmannschaft, wobei Bonlanden durchaus seine Chancen sucht und auch findet. Jedoch bleiben – wenn meine Erinnerung nicht trügt – große Aufregungen in der Anfangsphase aus, wenn man von einem Knall auf der Tribüne absieht, der selbst die Trommler in den Schatten stellt. Als ein kleiner Knirps versehentlich die dort deponierte Torwand umwirft, lenkt der erzeugte Lärm in der Lautstärke Napoleonischer Artillerie kurz die Aufmerksamkeit vom Spielgeschehen zu besagten Knaben, dem der Schreck mehr als deutlich anzusehen ist. Die hellen Haare hatte er aber hoffentlich bereits vorher und nicht durch den Schreck erlitten.


Die "Anfield Road" des Filstales.
Die Sicht von der Tribüne ist zwar glänzend, richtig aufregend für mich ist es aber am Spielfeldrand, wo man noch vom Ball als Einschlagsziel auserwählt werden kann. Die Nähe zum Spielfeldrand gefällt mir in Geislingen – fast schon wie in England, womit schon wieder der Bogen zur „Anfield Road“ gezogen ist. Kaum am anderen Ende des Spielfeldes angelangt, da gibt es auch schon Aufregung: der Schiedsrichter entscheidet nach einem Foul im Strafraum auf Elfmeter für Geislingen, doch 2 Minuten vor Seitenwechsel scheitert Karlo Petricevic an Bonlandens Torhüter Philipp Günther. Nicht nur ich dachte da, daß sich der vergebene Elfer in der zweiten Halbzeit rächen würde.


Vergebener Elfer - oder parierter Elfer (je nach Vereinssicht)
Zur Halbzeit stand es 0:0, wobei die Partie nicht nur wegen dem Elfmeter keinesweg uninteressant war. Ein Tor lag wahrlich in der Luft, wobei dieser Elfmeter-"Schock" nach einer Bonlandener Retourkutsche roch. Die zweite Halbzeit brachte aber zunächst mal nachträgliche Ehren für Karlo Petricevic, der sich in der 52. Minute mit dem 1:0-Treffer in die Torschützenliste eintragen konnte.

1:0 in der 52. Minute...
...durch Petricevic.










Doch damit nicht genug. Kaum das ich meine Kamera senkte, erzielte Sven Sönmez das 2:0. War das Spiel zuvor noch relativ ausgeglichen, so dominierten jetzt die Geislinger, die zudem - lautstark unterstützt von der Tribüne - auch einen neutralen Zuschauer begeistern konnten. 


Ähnliches Tor....
...anderer Freudentanz. 2:0 durch Sönmez










Henning Tatje
Mit dem 2:0 im Rücken spielten die Geislinger schneller und spielfreudiger - eine sehr gute Werbung für den Amateurfußball! Ich gönnte mir einen erneuten Platzwechsel, wo ich zunächst auf Sven Grewis treffe, der für den SCG fotografiert, Liveticker im Internet platziert und die Geislinger Facebookseite betreut. Ein echter Tausendsassa eben wahrscheinlich mäht er auch simultan den Rasenplatz, während er Sponsoren betreut und den Drucktermin des Stadionhefts überwacht.

Während ich mich mit ihm über Spätzleskick, Lokalrunde und SC Geislingen unterhalte, stößt ein alter Bekannter zu uns, den ich noch nie zuvor gesehen habe - moderne soziale Medien machen sowas möglich. Henning Tatje aus Oldenburg in Oldenburg, Cessena-Fan und Mitarbeiter in Zeitspiel, dem neuen und gänzlich anderen Magazin für Fußball-Zeitgeschichte, nahm LOKALRUNDE zum Anlaß, in Geislingen vorbeizuschauen. Mit im Gepäck das Cessena-Maskottchen, das dadurch Gelegenheit bekam, HSV-Bezwingerluft zu schnuppern.

Jubel nach dem 3:0
Zwischenzeitlich donnert Nicola Orlando in der 70. Minute aus gut 25 Metern das 3:0 in die Maschen, das ich nur noch im Torjubel fotografisch festhalten kann. Das Spiel war gelaufen, und aus Bonlandener Sicht sah es nicht mehr nach einem Wunder vom Eybacher Tal aus.

Julian Schleich schnappt sich den Ball.
Treffer, versenkt! 4:0.










Der Todesstoß, das 4:0 in der 80. Minute durch Julian Schleich, sah dann fast schon nach Formsache aus - Bonlanden mag es mir verzeihen.


Geislinger Fußballballett
Beste Sicht auf vier Tore















Als es so aussah, als ob jetzt jeder mal ein Tor schießen dürfe, wurde es aus Gmünder Sicht endlich interessant, als Trainer Uli Haug Benjamin Klement ins Spiel - jedoch blieb er gänzlich ohne Torerfolg und düste im Spielgeschehen nur einmal Autogrammkartenmotivmäßig vor meine Kamera. Aber vielleicht wäre ein 5:0 auch wahrlich zu viel des Guten gewesen. Wie auch immer, Geislingen machte verdammt gute Werbung für den Amateurfußball, Lust auf einen Besuch beim Verein "umme Ecke". Und Beni Klement durfte zum Schluß wenigstens noch Kapriolen schlagen - die Lust und der Spaß am Rasensport ist ihm noch immer nicht vergangen.

4:0 - da kann man schon mal Purzelbäume schlagen
Henning und ich machten es uns kurz noch im Vereinsheim gemütlich, um über die gemeinsame Liebe zum Amateurfußball zu philosophieren, ehe ich mich von der Geislinger Gastfreundschaft verabschieden mußte. Der Rückweg in die Stauferstadt ging per Bahn vonstatten, und Henning erklärte sich freundlicherweise bereit, mit zum Bahnhof zu chauffieren, damit ich völlig stressfrei mein Ticket lösen konnte. Auf den Weg zum Bahnhof, vorbei an tristen grauen Häusern, dachte ich mir: irgendwie ist nach dem WMF-Towuhabohu nur noch der Sportclub eine ureigene Geislinger Marke. Eine starke obendrein. Auch ohne HSV-Vergangenheit.

2 Kommentare:

  1. Sehr schön und interessant geschrieben *Daumen hoch* Ein kleiner Fehler ist mir aufgefallen ;-) Zitat: "Noch einmal, 1995, die Oberliga war nach Einführung der Regionalliga nur noch drittklassig, klopften die Geislinger oben an. ..."
    Da war die Oberliga nur noch v i e r t klassig.
    Freu mich schon auf deine nächsten Berichte. Gruß FCMatze

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    1. Stimmt. Gedacht hatte ich ja daran, weil ich die Regionalliga erwähnte. Es war einfach nach einem langen Arbeitstag zu spät in der Nacht.
      Danke für den Hinweis

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