Sonntag, 10. Mai 2015

Hier heute nicht - 1. FC Normannia Gmünd gegen TSG Backnang



So ein richtiger Derbyklassiker war die Begegnung der heimischen Normannia mit den Kickern aus der Gerberstadt ja eigentlich nie, was vielleicht zum einen daran liegt, das man im Ligaverkehr erst die 11. gemeinsame Saison verbingt. Ein anderer Grund mag sein, das man in Gmünd, historisch betrachtet, ein Derby nur mit Ostalbvereinen (VfR Aalen oder Heidenheim) und Teams aus dem Landkreis Göppingen (SV Göppingen, 1. FC Eislingen oder SC Geislingen) ansieht. Der Rems-Murr-Kreis liegt da ebenso wie die Vereine aus dem Landkreis Schwäbisch Hall ein wenig außerhalb des Wahrnehmungshorizonts.

Dennoch bot die Partie zwischen dem 1. FC Normannia Gmünd und den Gästen des Aufsteigers TSG Backnang Fußball eigentlich immer Grund für Spannung und Dramatik. Die Historie des Vereins hatte ich in meinem Bericht zum Hinspiel, das die TSG im Helene-Fischer-verseuchten Etzwiesenstadion völlig verdient mit 2:0 gewann, bereits dargestellt. Ein kleiner Ausflug in die Geschichte sei mir aber dennoch vergönnt - wie sollte sich ein selbsternannter Fußballhistoriker sonst seine Existenzberechtigung verdingen?



Im Spielverkehr einer Liga trafen nach meinen Unterlagen Normannia Gmünd und der TSG-Vorgänger FV 1919 Backnang zum ersten Mal am 31. August 1930 aufeinander. Damals war das sogar die zweite Liga, wobei das nicht viel heißen soll. Die Kreisliga Cannstatt war nur eine von vier Staffeln unterhalb der Bezirksliga Württemberg und innerhalb des Deutschen Reiches eine von unzähligen zweithöchsten Spielklassen. Die räumliche Gliederung war ungefähr vergleichbar mit den heutigen württembergischen Landesligen, und neben Backnang traf die Normannia auf Urbach, Aalen, Eßlingen, Obereßlingen und drei Stuttgarter Vereinen.

Dieser letzte Augusttag im Jahr 1930 war das erste Saisonheimspiel der Normannen. Eine Woche vorher räumten sie mal den Ostalbhinterhof gründlich auf und fegten den VfR Aalen in dessen Stadion mit 6:1 vom Spielfeld, während Aufsteiger Backnang in den Etzwiesen mit 2:7 gegen den Stuttgarter SC unterging. Somit sprach die Ausgangslage wohl eindeutig zugunsten der Schwerzerelf. Aber Fußball wäre nicht Fußball, wenn es erstens nicht anders käme und zweitens als man denkt. Denn Backnang blieb mit 2:0 Sieger im Schwerzer. Nach Abschluß der Saison wechselte Normannia in die neugegründete Kreisliga Hohenstaufen, wo sie auf Anhieb Meister und Aufsteiger in die 1. Liga wurde. Nur noch einmal gewann Backnang im Schwerzer, und zwar am 13. Oktober 1968 mit 1:2, nachdem Backnang noch im Vorjahr in der zweitklassigen Regionalliga Süd spielte.
Normannia hatte zu diesem Zeitpunkt nur einen Heimsieg zu verzeichnen gehabt, und zwar in der Vorwoche ein kanppes 1:0 gegen den Tabellenführer VfB Stuttgart Amateure.

Gegenspieler und Normannia-Fans machen sich warm.
In der aktuellen Saison spielte Backnang lange Zeit um den Aufstieg mit, zeigte aber vor allem gegen die direkte Konkurrenz nerven, ließ nochmals mit einem 6:0 in Schwäbisch Hall kräftig aufhorchen, um eine Woche später Zuhause gegen Neckarsulm mit 0:3 zu verlieren.

Trotz der historischen Bilanz gab es von Gmünder Seite natürlich keinen Grund, sich auf die hervorragende Heimbilanz auszuruhen. Das historische Bilanzen nicht festgemauert sind, weiß man neuerdings auch in Schwäbisch Hall. Und Backnang ist bislang auch die einzige Mannschaft, die dem FSV Bissingen eine Saisonniederlage beibrachte. Auch wenn sich die TSG stellenweise als "launische Diva" der Saison 2014/15 präsentiert, darf sie niemals, nie nie niemals unterschätzt werden.

Beschwörungen vor dem Spiel

Die Normannia hatte aus dem Hinspiel gelernt, das war vom Anpfiff weg deutlich zu sehen. Normannia ging flugs dazu über, Carl-Anders Zimmermann im Backnanger Tor zu bedrängen, und auch wenn die ersten Torschüsse eher was für die Galerie waren, so zeichnete sich schon in der ersten Hälfte der Wille zum Sieg ab.


Fotografierendes Trio.
Frühe Chance, aber kein Problem für den Keeper


Wo man Normannia gerne sieht:
im Strafraum der Gäste
Hoch hinaus - wenigstens der Ball...


Wir sahen Normannia ziemlich häufig bei uns vorbeischauen, und das freute uns sehr. Denn wie gewohnt standen wir am oberen Tor Richtung Hallenbad, und diesmal stand in der ersten Hälfte der Gästehüter Zimmermann vor uns, der zwar lächelnd unseren Schrägtongesang ertrug, aber auch gleichmütig bekannte, schon schlimmeres erlebt zu haben.

Auf der Gegenseite war Konstantin Kühnle nicht unfleißig, allerdings kann man auch ohne Vereinsbrille eingestehen, das die erste Halbzeit eindeutig den unsrigen gehörte. Dennoch benötigte es einen Elfmeter in der 39. Minute, um die verdiente 1:0-Führung für den Schwerzer-Club zu bringen. Ich würde das mal als ein Kompliment für den Gästetorwart auffassen.

Adam Adamos gegen Manuel Seitz...

....und Seitz ist definitiv nicht der Ball.
Was war passiert? Ein erneuter Angriff brandete gegen das Backnanger Tor, und Manuel Seitz wird im Strafraum von Backnangs Adam Adamos mit dem Ball verwechselt, obwohl sich beide gar nicht ähnlich sehen. Die konsequente Reaktion von Schiedsrichter Stefan Fimpel waren der Pfiff, den Hinweis auf den Punkt und der Gelbe Karton gegen Adamos.

Nun ist ein Elfmeterpfiff gegen Zimmermann nicht unbedingt eine Torgarantie, aber Patrick Krätschmer sucht sich die richtige Ecke aus und bringt die Normannia verdient in Führung.

Da zappelt der Ball endlich im Netz - 1:0 durch Krätschmer.
Direkt danach wäre es an Felix Bauer gewesen, sich in die Torschützenliste einzutragen, doch das Schicksal meinte es anders, und statt den Kasten traf er Teamkollege Marvin Gnaase, der danach erstmal die Torlinie des Gästetors liegend bewachte.

"Friendly fire" - Marvin Gnaase als unbeabsichtigte TSG-Abwehr

Kurz vor Pause: hoch, höher, Kühnle. Alles gut.

Es blieb zur Pause beim verdienten 1:0, und auch wenn das 2:0 ausblieb, waren Mario und ich zufrieden und konnten ohne Übertreibung dem pünktlich zur Pause hinzugekommenen Michael von dieser rot-weißen "Wunderelf" berichten. Da müßte es ja in der zweiten Halbzeit zu Massen an Toren kommen.

So funktioniert doch Fußball, oder?



Ja, wenn das so einfach wäre, wäre Fußball auch ziemlich langweilig (oder noch langweiliger, wie einige Fußballverweigerer einwenden mögen). Hier wird doch nicht in den Irrglauben verfallen, das die TSG Backnang sich in ihr Schicksal fügen und einfach so als Punktelieferant dienen würde? Tat sie nämlich nicht, die TSG, und begann mit einer Gegenoffensive.

Gefahr im Normannia-Strafraum

Wachsamkeit ist die ständige Pflicht des Torhüters
Tja, und dann kam die verfluchte 71. Minute, als Stephan Fichter seine TSG Backnang mit dem Ausgleich erlöste. Die Situation war ziemlich verworren: die Normannia-Abwehr war überrascht, Kiki Kühnle war überrascht und ich war sowieso überrascht. Nur Fichter eben nicht, der aus kurzer Distanz den Ball ins Netzt versenkte. Der vom zahlreichen Backnanger Publikum frenetisch gefeierte Ausgleichstreffer war bis in die Gerberstadt zu hören .... oh halt, nein. Lediglich die Spieler feierten lautstark (und natürlich zurecht) ihren Treffer, von Backnanger Fans war nichts zu sehen oder zu hören. Aber wer im eigenen Stadion vor 100 bis 150 Zuschauern spielt, generiert auch auswärts normalerweise keine Massen...

Ex-Normanne Marius Jurczyk scheint sich
auf die Stirn zu schlagen und zu denken:
"Warum bin ich hier nur weg?"
Schockstarre Allerorten. Ausgleich durch Fichter






















Mario und ich reagierten auf die einzige vernünftige Art, nämlich mit "Scheißegal, Scheißegal, Scheißegaaaaal"-Gesängen, und wir lagen damit vollkommen in der Linie der Mannschaft. Denn es war bis zur Eckfahne zu spüren: Normannia will einen Dreier, kein Unentschieden. Dieser Eindruck wurde verstärkt, nachdem in der 79. Minute mit Serkan Özgür und Timo Zimmer zwei frische und hungrige Offensivkräfte ins Spiel kamen. Doch eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, und es folgte eine Periode echter Torsch(l)ußpanik.

Torsch(l)ußpanik, Teil 1

Torsch(l)ußpanik, Teil 2
Natürlich schwebte auch ein wenig der Ungeist des Neckarsulmspiel herum, aber der Sieg lag diesmal förmlich in der Luft, und wozu hat man schließlich einen Felix Bauer? Denn der machte die Sache amtlich, erlöste in der 90. Minute alle Normannen, die sich nach einem sehr putzmunteren Spiel den verdienten Sieg ans Panier heftete. Man, tat das 2:1 gut!

Da steht der ganze Schwerzer Kopf! Felix Bauer hat das 2:1 erzielt!
Drei Minuten legte der Schiri drauf, und dann war das Ergebnis hochoffiziell und amtlich. Backnang mag am 31. August 1930 im Schwerzer gewonnen haben und meinethalben auch am 13. Oktober 1968, aber hier heute nicht! Der 9. Mai 2015 gehörte ganz alleine der Normannia. Was für ein herrliches Spiel. Enttäuschend war lediglich der Zuschauerzuspruch: 205 Gäste bedeutet nur 4 mehr als beim Minusrekord gegen Weiler. Ach, die Gmünder sind doch selber Schuld, wenn sie sich so ein Team entgehen lassen...



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