Samstag, 11. April 2015

Alde Seggl beim Amateurfußball - Normannia Gmünd gegen FSV 08 Bissingen und 1. Göppinger SV

Nach dem 0:0 in Bissingen.
Zwei Spieltage mit Normannia, und dabei zwei richtig geile Spiele erlebt. Auch wenn die Punktausbeute leider nicht den Erwartungen entsprach, so durfte ich am 28. März in Bissingen und mehr noch am 4. April gegen Göppingen Werbung für den Amateurfußball erleben, wie er eigentlich schöner nicht sein kann. Aber der Reihe nach.

Der 28. März führte uns wieder einmal zum Tabellenführer FSV 08 Bissingen, dessen letzte Niederlage vom Oktober 2014 datiert. Eine bärenstarke Truppe mit Ambitionen in Richtung Oberliga, und sollte nicht gerade ein Fußballteufel sein Unwesen treiben, so dürfte der Rückkehr ins Baden-Württembergische Oberhaus nichts im Wege stehen.

Als "alde Seggl", die mein Kumpel Mario und ich nun mal sind, fuhren wir zur Auswärtsfahrt natürlich mit der Bahn, stets den Fanschal um den Hals. Wenn sich schon die Mannschaft den Allerwertesten aufzureisst, so können wir wenigstens in der Öffentlichkeit Farbe bekennen.

"Alde Seggl" ist dabei mehr als nur ein Lippenbekenntnis. Mit einer ordentlichen Portion Selbstironie haben wir uns mittlerweile als "Alde Seggl Ultras" firmiert und tragen zusätzlich zum offiziellen Normannia-Schal einen eigens gefertigen Seggl-Schal. Aber das nur am Rande.

"Wohin wollt ihr?" lautete die Frage des Taxifahrers in Bissingen. "Ach so, FSV. Da gehe ich erst hin, wenn sie in der 1. Liga kicken". Nun, so weit wird es wohl nicht kommen, aber das hat man ja schon von vielen Clubs gedacht. Zumindest waren wir vor dem Vereinsheim da - die Wirtin hatte noch nicht geöffnet, was zu sehr ernsten Engpässen bei uns führte. Weniger wegen dem Konsum eines Gerstensaftes vor der Partie, als eher der dringend notwendige Toilettenbesuch. Und bei Tageslicht in Hecken pinkeln tun wir nicht mal im Gaststadion.



Aber jede Wartezeit nimmt mal ein Ende, und so saßen wir, um Liter erleichtert, am Tresen, bewunderten die dort präsentierten Fanschals des FSV 08 und von Hajduk Split, und freuten uns in aller Ruhe auf das Wiedersehen mit Hardy Lindner, dem FSV-Mann, mit dem man sich so schön über den TV Derendingen unterhalten kann.

Ein ungewohntes Bild zeichnete sich am Kassenhäuschen ab: hier standen Menschen in der Schlange. Auch wenn ich die von der Ludwigsburger Kreiszeitung veröffentlichten 400 Zuschauer ins Reich der Phantasie verweisen möchte, so waren die gut und gerne 300 Amateurfußballfreunde alles andere als enttäuscht vom Spiel. Aber ob 300 oder 400 ist in Bissingen einerlei - das Publikum dort gehört wie in der vergangenen Saison zur Kategorie Hallenschachultras, und es bedarf lediglich eines Mario, eines Gaetano und mit, um wenigstens akkustisch eine Partie in eine Heimspiel zu verwandeln - was wir schließlich auch skandierten.

Was sich in der Vorwoche gegen Albstadt bereits abzeichnete, wurde auch in Bissingen deutlich: Normannia kann richtig geil Fußball spielen - ich entschuldige mich für das derbe Wort "Fußball". Abgehakt werden durfte die Partie unter der Rubrik "0:0 der ziemlich guten Sorte", auch wenn phasenweise Glücksgöttin Fortuna ihre schützenden Hände über die Normannen hielt. Aber: es war kein ermauertes 0:0 beim seit 13 Spielen ungeschlagenen Tabellenführer, sondern ein verdientes. Die Burkhardts im Tor ließen einfach keine Treffer zu.













Wir Fans waren guter Laune. Neben uns stand ein unermüdlicher Bissinger, der sich über unsere zugegebenermaßen nicht Opernhaustauglichen Gesänge amüsierte, der aber auch zugab, dass er es toll findet was wir da treiben. Ihm verdankte ich auch den Tipp, statt des am Grill verkauften Wullebieres ins Vereinsheim ein Bier im Becher zu ordern. Zur Belohnung mußte ich ihm eins spendieren.

"Pleidelsheim Pleidelsheim! Hey! Hey!"
Derweil feierten Mario und ich lautstark Gaetano und den GSV Pleidelsheim. Genau: Pleidelsheim. Die A-Jugend trat nämlich in Anschluß der Verbandsligapartie zu einem Freundschaftsspiel an. Als die Jung an uns vorbeiliefen, skandierten wir GSV-Fangesänge. Nach der Partie kam dann auch ein GSV-Kicker zu mir und fragte: "Könnt ihr denn nicht noch bleiben und uns ein wenig anfeuern?"



Konnten wir leider nicht, denn Züge warten nunmal nicht. Zur Strafe ging mein treuer alter Fanschal, den ich seit der Hunderjahrfeier 2004 mein Eigen nannte, verloren. Zuletzt durfte er noch mit dem Trainergespann Beniamino Molinari und Veselko Karačić posieren - und jetzt fühle ich mich wie Gollum auf der Suche nach "mein Schaaaaatzzzz".
Gute Laune nach dem Spiel: Nico Walter und Timo Zimmer.

Schmerzlich vermisst: mein Schal.


Große Vorfreude herrschte auf das Traditionsderby gegen den 1. Göppinger SV eine Woche später. Die Göppinger, die punkte- und tabellenmäßig auch nicht am Hungertuch nagen, waren eine weitere schwere Prüfung für meine Normannen. Leider fand die Partie durch das Wetter bedingt nur auf dem Hockeyfeld statt - ein echter Hartplatz und im Gegensatz zu den vorbildlichen Kunstrasenplätzen in Berg oder Bissingen kein Platz für schöne Fußballspiele.






Aber wie so oft, wenn ich Laie meine, mich als Fußballexperte aufspielen zu müssen, werde ich eines besseren belehrt. Was beide Mannschaften dort aufs Parkett legten, war feinste Sahne, eine würdige Werbung für den Stadionbesuch und "Glotze aus, Stadion an!". Lediglich die Zuschauerzahlen hätten besser sein dürfen, doch die 346 Fans, von Claus-Jörg Krischke handgezählt, waren am Spieltag nicht zu toppen - das waren immer noch so viele wie in Böblingen, Gärtringen, Neckarsulm und Laupheim zusammen. Die Marke Normannia beginnt halt doch wieder zu ziehen, und das junge Team um Beni Molinari legt einen begeisternden Fußball hin, der für die Zukunft gutes erhoffen läßt.

Singing in the rain
 Mit einem ganz besonderen Zuschauer durfte ich mich ausgiebig unterhalten. Ferdinand Hierholz, in den Fünfzigerjahren Dauertorschütze der Normannia, besuchte seine alte Heimstätte mal wieder. in der Saison 1954/55 war "Nandi", wie man ihn liebevoll nannte, mit 21 Treffern hinter Eislingens Legende Sepp Haag zweitbester Torschütze in der 1. Amateurliga Württemberg - und das im Abstiegsjahr der Normannen. Wie wichtig Hierholz für das Team war, wird deutlich, wenn man berücksichtigt, dass das Team unter Spielertrainer Sepp Ledl insgesamt 46 Tore erzielte.

Immer gut drauf: der "12. Mann"
Begeisterte Nachwuchsfans


Ganze Energie für Normannia








Auch Albert Klammer ist zufrieden











Große Begeisterung herrschte beim Publikum, und vor allem die jungen Fußballfreunde kamen auf ihre Kosten und in ihrer Begeisterung standen sie uns "alde Seggl" in keinster Weise nach. Im Gegenteil, man konnte sogar von ihnen noch lernen.

Entjungferung feierte die neue Anzeigetafel. Der "12. Mann" organisierte, baute, sammelte - und heraus kam ein neues Prachtstück der Verbandsliga Württemberg - meines Wissens besitzt nur noch Bissingen eine digitale Anzeigetafel. Die Premiere ging leider in mehrere Hisnicht schief. Kein Kaiserwetter, das Spiel auf dem Hartplatz statt bei der Tafel auf dem Rasen, und am schlimmsten: die Ära der neuen Anzeigetafel begann mit einer Niederlage in der Nachspielzeit.

Wenigstens Rückkehrer Felix Bauer durfte sich in die Torjägerliste eintragen, aber das Drama der Partie wiederzugegeben, fällt schwer. Rückstand kurz vor Schluß, Normannia-Ausgleich in der 90. Minute, Todesstoß in der 93. Minute... Als Trost bleibt die Tatsache, das wir trotz der 2:3-Niederlage ein Spiel auf verdammt hohen Niveau erlebten. In mir lebt die Hoffnung, dass sich diese Begeisterung, die Mannschaft und Zuschauer zeigen, sich immer weiter nach Außen trägt, das fußballfaule Gmünder wieder ins Stadion zurückkehren.

Nach dem Spiel ging ich zu Göppingens Torwart Kevin Rombach, um ihn zum Sieg und seiner Leistung zu gratulieren. In meinen Augen der Matchwinner des Tages, ohne den die Göppinger vielleicht nicht als strahlende Sieger dagestanden hätten. Seine Reaktion bestand aus "Sie sind doch der Hansjürgen Jablonski, oder nicht? Ich lese das im Internet", womit ich mich ein wenig geadelt fühle.

Noch einmal lauter Jubel nach dem 2:2



Die letzten drei Spiele zeigten deutlich, das es ziemlich geil ist, ein Normannia-Fan zu sein. Generell durfte ich mit den Normannen dreimal eine verdammt gute Werbung für den Amateurfußball erleben, der mir persönlich ja so am Herzen liegt. Meine große Bitte: Egal, ob Ihr Gmünder, Göppinger, Albstädter, ob Bettringer, Tübinger oder Biberacher seid - wenn Ihr Fußball liebt, dann unterstützt Euere Heimmannschaft. Denn gerade der Amateurfußball lebt durch seine Fans!

Support your local football club - not sky sports!

oder

Glotze, Stadion an!

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