Montag, 23. März 2015

„So ist halt Fußball“ - 1. FC Normannia Gmünd gegen FC 07 Albstadt

Abstoß für die Gäste. Zumindest in der ersten Hälfte
war der Ball ein Albstädter.

„Noi, Karle, froag den net! Des isch a Fußballfan, der isch bestimmt besoffa!!“
Ungelogen, solch‘ einen Satz bekam mein Kumpel Mario zu hören, als er auf dem Marktplatz in Schwäbisch Gmünd mit einem Normannia-Schal um den Hals im Bus umsteigen mußte. In der Tat fällt man in der eigenen Heimatstadt dermaßen auf, wenn man sich als Fan des heimischen Amateurvereines öffentlich mit einem Schal outet.



Auch mir ging es ähnlich, wenn auch nicht so drastisch wie bei  Mario, als ich mich am Samstag zeitig ins Normanniastadion zum ersten Heimspiel des Jahres 2015 aufmachte. Zu Gast der einzige Verein der Verbandsliga, dem ich eine gewisse Sympathie entgegenbringe: der FC 07 Albstadt. Zu gerne  erinnere ich mich an die Mammutzugfahrt Richtung Ebingen zurück, die ich für den Erwerb einer FCA-Tasse auf mich nahm und auch heute noch unangefochten die meistgelesene Story des Spätzleskick ist.

Auch der Gmünder Edelfan und Botschafter des Amateurfußballs, Claus „Bredi“ Breitenberger ist immer wieder gerne mal beim FC Albstadt zu Gast. Im Gegenzug honorierten seine Freunde des FCA ihren Besuch am Samstag mit einer mitgebrachten Flasche Lehner-Bier, das im Albstadion kredenzte Stadionbier der Lehner-Brauerei.

Dabei war die Ausgangssituation alles andere als reif für Nettigkeiten zwischen den Vereinen. Sowohl Normannia, nach dem erkämpften 2:2 in Berg in der Vorwoche, als auch der FC Albstadt, der bis dahin seit 4 Spielen auf einen Sieg wartete, steckten Mittendrin im Abstiegskampf. Vor allem der Abstand zum vermuteten Relegationsplatz lag in unangenehmer Sichtweite.

Beim FCA tat sich in den letzten Wochen einiges. Torhüter Marc Heckendorf verließ seinen Verein aus Studiengründen, und Albstadts Coach, Ex-Bundesligaprofi Markus Pleuler, kündigte an, den Verein zum Jahresende zu verlassen. Doch dies hindert ihn natürlich nicht, sich mit voller Gewissenhaftigkeit in die Vorbereitung des Auswärtsspiel im Schwerzer zu stürzen.

„Wenn du dasSpiel schnell machst, tut sich da die eine oder andere Lücke auf“, wurde Pleuler im Schwarzwälder Boten in Bezug auf die Qualität der Normanniaabwehr zitiert. Ganz so Unrecht hat er ja da nicht. Oft genug sehe ich da in meinem inneren Auge die Bordkapelle der "Titanic" im eigenen Strafraum aufziehen, um traurig-schaurige Choräle zu spielen.

Im Gegenzug beachtete man im Normannenlager die Tatsache, dass der FCA oftmals in den Schlußphasen seine Gegentore kassierte. Der FCN wiederrum, so viel Statistik sei mir gestattet, ist bei seinen Fans gefürchtet und berüchtigt, die ersten 45 Minuten eines Spiels total zu verpennen: würde ein Spiel nur 45 Minuten dauern, der FC Normannia wäre souverän auf dem vorletzten Platz, nur der FC Gärtringen weist eine schlechtere 45-Minuten-Statistik auf. Aber die Fußballgötter hatten 1865 in ihrer Weisheit beschlossen, das nicht nur der Ball rund zu sein hat, sondern ein Spiel auch 90 Minuten zu dauern habe, was die Tabelle für den FCN wesentlich freundlicher gestaltet.

Fahnenschwenken zur Begrüßung.
Von der Ausgangssituation und der Qualität beider Mannschaften versprach der Samstag eine muntere und spannende Fußballpartie zu werden. Das Wetter war auf der einen Seite schon ordentlich zugig, um einen Nachmittag hinter einer Bande im Schwerzer zu stehen. Auf der anderen Seite bestand kein Grund darin, ein angebliches  schönes Wetter vorzuschützen. Denn um den Samstag in der Sonne zu verbringen anstatt den FCN zu unterstützen, nein, die Möglichkeit bestand eigentlich nicht. Dennoch war ich vom „Zuschauerandrang“ meiner Gmünder enttäuscht.  
HEY, IHR NAZARENER! HIER IM SCHWERZER SPIELT DOCH EIN GEILER VEREIN! MERKT IHR DAS DENN NICHT?

Timo Zimmer am Ball.


Nun gut, bekanntlich gilt ja der Prophet im eigenen Land nichts, und warum soll es denn im Fußball anders sein? Wenn schon keine Zuschauermassen wie auf dem Petersplatz in Rom, so verkündete derweil unser Würstchengrill in seiner Rauchentwicklung „Habeum Papam“ seinen harrenden Wurstproduktgäubigen. Ich jedoch bevorzugte den trockenen Wecken mit ein paar Spuren Senf und verfolgte das Geschehen auf dem Rasen mit ansonsten knurrenden Magen. Wird endlich Zeit, dass es im Schwerzer eine Gulaschkanone mit frischem Gaisburger Marsch gibt – das wäre mal ein freundliches „Hallo“ an meinen treuen Magen! Verzichten mußte man hingegen auf die Anzeigetafel, die von der Fangruppe „12. Mann“ ein neues Erscheinungsbild erhält und deutlich aufgepeppt wird.

Musa Ayaz
Sehr zu meiner Freude gesellte sich wenigstens mein ansonsten nicht so fußballafiner Freund in den Schwerzer, wobei er zugab, das er langsam immer mehr Lust hat, die Normannia zu sehen. Aber was er zunächst sah, lies die Vorschußlorbeeren auf Normannia ziemlich schnell verwelken. Normannia spielte in der ersten Halbzeit so, wie man es befürchtet, gar erwartet hatte: so richtig Scheiße aber auch! Die Jungs von Markus Pleuler hatten ihrem scheidenden Coach offenbar gut zugehört und beherzigten sein schnelles Spiel über die Flügel. Mehr als einmal tauchte ein Akbaba oder ein Dicklhuber gefährlich in der Normanniahälfte auf, schien es, als bestünde die Normanniadefensive aus Sommerfrischler aus der Residenz, die die Birken in der Schwerzerallee zu besichtigen wünschten oder das ein Fuchs eine Panikattacke im Hühnerstall hervorrief.


Das einzige, was am Normanniaspiel rund lief, war der Ball, und in der 22. Minute war es unser Keeper Konstantin „Kiki“ Kühnle, der mir die Zehennägel zum hochklappen brachte. Ein Ball - um nicht zu sagen: der Ball schlechthin –kam in den Strafraum geflogen und hätte wohl ein sicheres Zuhause in den Händen des Keepers gefunden. Aber Kiki faustet ihn hinaus, nimmt aber zu viel Rücksicht auf das Wohlbefinden des runden Leders, so das statt eines mächtigen Rausklopfers der Ball seine Stippvisite im Strafraum fortsetzte, von Simon Fröhlich auch noch unnötigerweise versucht wurde, zu Kühnle zurückzuköpfen. Aber vielleicht war das gar nicht Konstantin Kühnle, sondern Albstadts Akbaba, der sich wahrscheinlich über diesen Ball zu Tode erschreckte und ihn im Schreck ins Tor schwurbelte.


Du spielst wie meine kleine Schwester!“ – „Ja, Du spielst wie ich!“ – Der unnötige, aber aus Sicht der Gäste völlig verdiente Rückstand lähmte die ansonsten sturmerprobten Normannen zusätzlich und ließ sich nur noch mit Ironie ertragen. Aber es kam noch schlimmer. Während die Normannen das Fußballspielen verlernt zu haben schienen, drehte der FCA auf, und in der 36. Minute verwandelte Dicklhuber einen Freistoß aus 20 Metern im Netz – 0:2! Die Anzeigetafel wußte gar nicht, wie gut es ihr ging, Spielfrei zu haben.



Könnt Ihr euch denn nicht benehmen“ frotzelte ich zu einem Ersatzspieler der Albstädter vor mir, „Ihr seid hier schließlich nur zu Gast“. Doch er konterte gekonnt und schlagfertig: „Aber wir benehmen uns doch und haben nur 2 Tore geschossen“.

Aufopferungsvoll wurde das Team angefeuert, besser wurde das Spiel jedoch nicht, eher ruppiger. Als Konsequenz nimmt Beni Molinari noch in der ersten Hälfte Timo Zimmer vom Platz, bevor der Schiedsrichter aus Heilbronn ihm diese Aufgabe abgenommen hätte.

Die Anzeigetafel mag schon nicht mehr hinschauen.
Zur Halbzeit führten die Gäste hochverdient mit 0:2. „Nach dem 0:7 gehe ich aber“ mußte ich dem Halbzeitpfiff des Schiris mit auf dem Weg geben. Tradition im Fußball ist zwar immer schön, doch auf die Tradition der verkorksten ersten Normannia-Halbzeit würde ich gerne verzichten.  Auch ein Nico Schoch war von seiner mitgebrachten Banane, die er sich gerade zum Verzehr einverlaibte, wesentlich begeisterter als vom Spielgeschehen seiner Normannia. Und das soll was heißen.



Gehen in diesem Spiel bei Normannia die Lichter aus? Niemand, und ich schwöre Stein und Bein, niemand rechnete in diesen rabenschwarzen Schwerzerminuten mit einer Verbesserung des Normanniaspiels. „Ideenlos, verschlafen, Kraut und Rüben“. Das waren die freundlichen Kommentare der Einheimischen hinter der Bande. Wenn wenigstens die Wurst gut gewesen wäre. Nur auf das Lammbräu und Helene Fischer war verlass, die in der Halbzeit ihr "Atemlos durch die Nacht" über den Schwerzer trällerte.

Nur noch 1:2 dank Ex.

Kein durchkommen.
Was auch immer in der Umkleidekabine geschehen war: es muß „gar schröcklich“ gewesen sein, was Coach Molinari seinen Jungs um die Ohren schlug. Hätte ich es mitbekommen, wäre ich wahrscheinlich selber in Duckstellung gegangen. Die Drohung mit der neunschwänzigen Katze wird es wohl nicht gewesen sein, aber Effektiv war es allemal. Zumindest ging eine völlig andere Mannschaft zurück ins Feld, zunächst noch zaghaft zwar, aber selbstbewusster. Und dann kam auch noch eine Begünstigung ins Spiel, als in der 59. Minute Armin Hotz vom Schiedsrichter des Feldes verwiesen wurde. Kurze Zeit später dann ein Elfmeter für Normannia, der von Tobias Ex sicher verwandelt wurde. Nur noch 1:2, und Normannia blies zum Halali.

Kopfball zum Ausgleich - 2:2

Bereits weitere 2 Minuten später fiel der Ausgleich durch Simon Fröhlich, der eine Ecke von Guiseppe Catizone ins Tor köpfte. Jetzt waren es die Albstädter, bei denen die Nerven blank lagen, und Trainer Markus Pleuler wurde gar hinter die Bande verwiesen.

Kleiner geschlagen - 3:2 für Normannia

Die in Unterzahl spielende Gästeelf wehrte sich tapfer, aber Normannia, frenetisch von so alde Seggl wie mir angefeuert, ging jetzt auf Sieg. Welch’ eine Wendung in dieser Partie. Nach 75 Minuten dann ein Abstaubertor von Manuel Seitz, was erstmals die Führung brachte. 3:2, wer hätte das nach der ersten Halbzeit gedacht.











Unser Fan-Dreigestirn wechselte seinen Standort hinter dem Tor und machte eine strategische Flankenbewegung zur Tribüne, um das Spielende von dort überschauen zu können. Das 4:2, ein klassischer Konter in der Nachspielzeit von Marvin Gnaase im Gästegehäuse versenkt, ging im allgemeinen Jubel unter. Zuvor sah FCA-Recke Kevin Dicklhuber noch Gelb-Rot.

Duell der Torhüter im Normannia-Strafraum.

Der letzte Streich. 4:2 in der Nachspielzeit.


Aus! Aus! Aus! Das Spiel ist Aus!

Große Erleichterung machte sich bei allen breit, denn Albstadt hätte in der 1. Halbzeit den Sack locker zumachen können. Dann hätte es "Klappe zu, Affe tot" geheißen, statt "Gentlemen, es war mir eine Ehre, mit Ihnen dieses Spiel erleben zu dürfen". Normannia erkämpfte sich 3 wichtige Punkte, und da sich Olympia Laupheim einen Ausrutscher erlaubte, beträgt der Abstand zum vermutlichen Relegationsplatz wenigstens 6 Punkte.





















Wie wichtig dieser Sieg ist, zeigt sich mit unserem nächsten Gegner, dem Tabellenführer FSV 08 Bissingen, der nun schon seit 12 Spielen in Folge ungeschlagen ist. Wenn nur nicht immer diese verfluchte erste Halbzeit wäre. Kann man denn nicht erst in der 46. Minute mit dem Spiel beginnen?

Im Vereinsheim wurde noch intensiv mit dem Trainer und einigen Spielern über den Spielverlauf diskutiert. Andere Gäste waren schon wieder abgelenkt vom Geschehen auf dem TV-Bildschirm und umjubelten den VfB Stuttgart, der der Eintracht aus Frankfurt zeigte, wie Schwaben Tore schießen können. Mir war das einerlei, denn mein Verein blieb heute Sieger.

Claus-Jörg Krischke und "Maestro" Werner Hettinger. 

"Wir sind Normannia" - so hieß es dann noch am Abend durch Werner Hettinger, dem Künstler aus Wäschenbeuren, mit dem man sich immer herrlich über den altehrwürdigen Traditionsverein FV 98 Zuffenhausen unterhalten kann. Denn der "Maestro" überreichte ein für Renate und Claus-Jörg Krischke gewidmetes Bild an den Spielleiter des FCN.

Zum Schluß bat ich Bredi zu einem zitierfähigen Kommentar zum Spiel. Nach kurzem Überlegen antwortete er: "So ist halt Fußball. Mit dieser Aussage darfst Du mich zitieren", womit meine Chronistenpflicht hiermit erfüllt ist.

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