Dienstag, 15. Juli 2014

Ein Hauch von Prada - Team Gmünd gegen VfB Stuttgart

Volle Hütte
Die Sommerpause bietet dem Fußballspieler die dringend benötigte Regeneration, der Fußballfan leidet ob dieser Zwangspause gelegentlich an einer Leere. Die Weltmeisterschaft versuchte in diesem Jahr, die Lücke ein klein wenig zu füllen, aber da ich als Fernsehfußballverweigerer und Profifußballabseitssteher bekannt bin, war dies keine große Hilfe.

Nun neigt sich aber auch jede Amateurfußballlosigkeit mal dem Ende zu, und die ersten Testspielkarawanen ziehen durchs Ländle. Meine Normannia hat hier durchaus ein paar interessante Gegner, die sie einerseits ihren Anhänger anbieten und andererseits den Spieler wichtige Härtetests abverlangt.

Anfang und Ende der Testspielreihe bilden die U23 der Stuttgarter Kickers am 16. Juli und der 1. CFR Pforzheim am 9. August. Dazwischen steigt die 1. Runde des WFV-Pokals bei der TSV Deizisau am 26. Juli und hoffentlich auch Runde 2 am 30. Juli (beim FV Sontheim/Brenz oder dem TSV Buch).

Doch als Oberschmankerl sah das altehrwürdige Normanniastadion am 13. Juli einen sehr selten in Gmünd servierten Leckerbissen. Am Finalsonntag - quasi als Vorspeise zum WM-Endspiel in Rio de Janeiro - kredenzte man den Gmündern Fußballfreunden die Bundesligamannschaft des VfB Stuttgart im Schwerzer, die frisch aus dem Trainingslager zum ersten Spiel unter ihrem neuen Trainer Armin Veh antraten. Zum letztenmal zu einem Pflichtspiel traten die Cannstätter am 18. März 1962 im Schwerzer an. Damals, in der 2. Runde des Süddeutschen Pokals, siegten die Residenzler mit 9:1 gegen die heimische Normannia.

Diesmal allerdings kam der VfB nicht zum Vergleich gegen die Normannia, sondern zum Schaulaufen gegen eine Auswahl der Gmünder Verbands- und Landesligisten. Dieses bestand dann aus Spielern vom 1. FC Normannia Gmünd sowie dem TSGV Waldstetten, FC Germania Bargau und dem Landesliganeuling SG Bettringen. Die Namensgebung für diese Auswahltruppe fand ich mit "Team Gmünd" jetzt nicht ganz so glücklich, ist doch die Waldstetten im Gegensatz zu den anderen beteiligten Orten kein Gmünder Stadtteil, sondern konnte bei der großen Landkreisreform 1972/73 ihre Unabhängigkeit bewahren. Eher war das ja eine Kreisauswahl des ehemaligen Landkreises Schwäbisch Gmünd, oder treffender gar eine "Reichsstädtisch-Gmündische Nationalelf". Aber dann hätte man wohl das Aloisle-Lied abspielen müssen. Die Gmünder Auswahl präsentierte sich wenigstens in gelb-schwarzer Spielkleidung, was farblich zum alten, 1954 vom Künstler Immanuel Knayer entworfenen Kreiswappen des ehemaligen Landkreises passen würde. Als Trikotwappen fungierte allerdings dieses unsägliche Balkendiagramm-Einhorn, das auch von der Stadtverwaltung verwendet wird. Mit schaudern denke ich an die Zeit zurück, als bei Normannia auch mal versucht wurde, diese "grafische Innovation" als einzuführen. Gottlob tanzte das Balkenwappen nur einen Sommer...

Eintrittskarte mit dem alten Wappen.
Spaß beiseite, dieses Ereignis wurde natürlich mit großem Wohlwollen in der Bevölkerung aufgenommen, und der Absatz der Eintrittskarten ließ große Erwartungen wecken. Mit bis zu 4.000 Zuschauern wurde im Vorfeld gerechnet, die diese Truppe der Gmünder Fußballstars sehen wollten. Nun, ganz so viele waren es am Ende nicht, der Stadionsprecher gab die Zahl 3.380 an, und ein paar Nörgler und Bruddler werden einwenden, die Leute seien wegen dem Hauptstadtclub in den Schwerzer gestürmt.














Einer zumindest nicht, und das war ich. Durchaus dankbar, dass der VfB mal wieder in Gmünd vorbeischaute, so galt meine Neugier doch dem Publikum. Welch' Augenweide es für mich Nostalgiker war, mal selber das Normanniastadion mit so einer Kulisse zu erleben, läßt sich nicht beschreiben. So einen Publikumsandrang sieht man sonst nur auf vergilbten Schwarz-Weiß-Fotos, und wer am Sonntag nicht im Schwerzer war, ist einfach selber Schuld.

Was für ein Anblick!
Zugegeben, für mich war das nur eine Seite der Medaille. Andererseits sah man Menschen im Stadion, die man dort, im Schwerzer, nie sieht, und die man auch nach dem VfB-Auftritt dort nie mehr sehen wird. Public Viewing mit Liveauftritt eben. Nun gut, auch die Kinder sollen mal zu ihrem Spaß kommen und ihre Stars hautnah erleben dürfen, und im Gegenzug schlugen allerdings auch ein paar Groundhopper sowie ein kleiner VfB-Fantrupp auf.

Der Lotse auf der Brücke.
FCN-Spielleiter Claus-Jörg Krischke
im roten Trikot genießt das Spiel.
Ich, wie immer spät dran, bekämpfte klaustrophobische Anfälle und fand zunächst eine Heimat im unteren Spielfeldbereich. Die erwies sich als Fehler. Als großer Fehler. Die Sicht auf Höhe der Eckfahne war zwar recht ordentlich, jedoch stand ich während der ersten Halbzeit neben einen geschminkten Schickimicki-Beauty-Girl auf hohen Absätzen, so eine Art Barbiepuppen-Fehlpressung mit dunklen Haaren, die keine 5 Sekunden ruhig stehen konnte und mir ständig ihre Prada-Handtasche in die Seite und die Waden schlug. Wenn es nur das gewesen wäre. Aber sie sprach, und darüber sehr unsachgemäßes Zeug. "Wer ist nochmal der VfB? Die Roten?" - "Die waren letztes Jahr nicht so gut, oder?" - "Ich wollte eigentlich Turnschuhe anziehen. Aber die hätten nicht zu meinem Oberteil gepaßt" - "In der Sonne ist es so warm" und so ähnliche Dinge.

Der "neue" VfB Stuttgart.

Interessant ist bei so einem Event natürlich auch die Vereinszählung der Fußballtrikots und -trainingsanzügen. Neben dem heimischen FC Normannia taucht mit einem TSGV-Waldstetten-T-Shirt noch ein Zuschauer mit den Farben eines beteiligten Vereins auf. Dann natürlich Unmengen an VfB-Fanartikeln und Deutschlandtrikots. Unter den Kindern ist darüberhinaus noch Dortmund, Hoffenheim, Paris St. Germain, Besiktas und Galatasary und als einsamer, weil wahrscheinlich selber kickender Held, ein Junge in den Farben des TV Lindach zu sehen.

Akkustisch war der Tag auch eine interessante Erkenntnis. Es war quasi nichts zu hören, obwohl alles da war, inklusive Gesang. Das lag wohl einfach - welch Ironie - am Zuschauerandrang. Mangels Koordination köchelte überall ein individuelles Süppchen, das aber nicht stark genug gewürzt war, um gegen den Dauersummton der Eventgenießer anzukommen. Als Beispiel mögen Nico Schoch und Cornelius Röhrle dienen, die zwar unermüdlich ihre Schlachtrufe ins Feld schmetterten, aber im Prinzip schon von mir nicht mehr wahrgenommen wurden. Obwohl ich auf dem gleichen Längengrad am unteren Tor stand. Und erst in der 2. Halbzeit, als ich zur Tribüne wechselte, bemerkte ich den freudig singenden kleinen VfB-Trupp, der nun gewiß auch nicht leise war. Später, nach dem Spiel, erzählte mir jemand, er sei an der Gegengerade gestanden, "dort, wo es das ganze Spiel über am lautesten war".

Ach ja: Fußball wurde ja auch gespielt. Der VfB, frisch aus dem Trainingslager, begnügte sich dabei, mit halber Kraft zu spielen, was natürlich für ein Werbespiel reicht. Die Gmünder Auswahl hingegen sah es nicht ein, nur Sparringspartner zu sein und hängte sich richtig rein. Und obwohl die Spieler nie zusammengespielt haben machten sie ihre Sache ordentlich. Das Spiel konnte zumindest in der 1. Halbzeit gefallen.














Einen besonderen Hinweis muß ich über Magnus Burkhardt machen. Obwohl er 3 Gegentreffer in "seiner" Halbzeit einstecken mußte, gelang ihm doch etwas einzigartiges. Denn nicht viele Normannia-Torhüter können von sich behaupten, einen VfB-Elfmeter erfolgreich pariert zu haben. Hans Stadelmaier († 1945) war so einer, und er darf sich einreihen. Denn bereits in der 10. Minute zeigte der Referee auf den Punkt, aber das Resultat ist ja bekannt. Zur Pause stand es 3:0, aber zu meiner Überraschung kam doch Stimmung auf, wenn die Gmünder anstürmten.


Das 3:0 war auch der Endstand, und in der 2. Halbzeit flachte das Spiel etwas ab, aber es kam noch zu ein paar netten Torraumszenen. Einzig der Ehrentreffer für die Gold- und Silberauswahl wollte nicht fallen. So blieb es beim natürlich verdienten Sieg der Bundesligisten, aber nicht nur die Kinder kamen auf ihre Kosten. Man kann den Veranstaltern und Sponsoren tatsächlich reinen Gewissens seinen herzlichen Dank für diese Veranstaltung aussprechen, die in keinster Weise eine übertriebene Verkaufsshow war. Nur beim vielzitierten "Werbung für den Gmünder Sport" werfe ich ein "Gebruddle" in den Raum. Eine Werbung war es, gewiss, aber für den VfB mit seiner Werbefranchise und vielleicht für die Veranstalter, die dem dem "großen Team" aus der Landeshauptstadt zeigten, dass sie in der Lage sind, so ein Event zu stemmen. Dem Publikum allerdings war es wohl gelinde gesagt "wurscht", wer da gegen den VfB spielt. Ob das eine Gmünder Auswahl, der FC Normannia, der TSV Lauterburg oder eine Forstauswahl Bibersohl/Wental gewesen wäre, war da zweitrangig. Die Dame mit der Pradatasche sehe ich beim Normannia-Heimspiel bestimmt nicht wieder, und auch den Großteil der anderen VfB-Hungrigen.










Nach dem Schlußpfiff hieß es erstmal Ordnung schaffen, damit die Autogrammjägerinvasion in halbwegs geordnete Bahnen ablaufen konnte. Für mich war es aber schon wieder Zeit zum aufbrechen. Nicht wegen dem WM-Finale, sondern den dunklen Wolken am Horizont. Leider zu spät, denn sie erreichten mich noch eiskalt und entluden ihre nasse Last auf die Anwesenden. Dem Freudentag tat dies aber keinen Abbruch. Ein großartiges Ereignis, sogar für mich Meckermaul, und obwohl ich über dem Profifußball in seiner heutigen Ausprägung kein gutes Haar lassen kann, habe ich mich über den Abstecher der Cannstätter in den Schwerzer sehr gefreut, denn so wurde mir mal ein volles Normannia-Stadion zuteil. Zum Vergleich: 1977, beim DFB-Pokalsieg über Fortuna Köln, sollen nur 2.500 Zuschauer anwesend gewesen sein. Nach fast 40 Jahren war es also mal wieder Zeit, die alte Tribüne zu füllen.










Aber jetzt beginnt endlich wieder der Ernst des Amateurfußballs. Am Mittwoch kommen die Stuttgarter Kickers zum Freundschaftsvergleich. Und wenn es auch nur die zweite Mannschaft ist, so ist doch Kickers der attraktivere Name aus Stuttgart. Zumindest für mich.

Während im Hintergrund alles zur VfB-Franchise rennt,
knipst Nico Schoch wahre Helden des Amateurfußballs.

Spielberichte:
Rems-Zeitung: Bundesligamannschaft des VfB Stuttgart gewinnt ihren ersten Test vor 3.480 Zuschauern in Gmünd mit 3:0
Stuttgarter Zeitung: VfB Stuttgart gewinnt gegen Team Gmünd
VfB Stuttgart: Sieg in Schwäbisch Gmünd


1 Kommentar:

  1. Wie immer eine rundum geniale Klasse-Story. :-)

    Sportliche Grüße von der Mittelmosel an Dich und die Normannia.

    Patrick

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