Donnerstag, 1. Mai 2014

Stimmlos im Schwerzer - FC Normannia Gmünd gegen VfL Sindelfingen


Es gibt wieder Grund, um fröhlich zu sein.


Ein paar Tage war es ruhig um den Spätzleskick. Selbst über die Normannia konnte ich nicht berichten.
Dabei ist mittlerweile einiges passiert. Im Schwarzwald gab es beim VfL Nagold eine verdiente und nach allem was man hört eigentlich viel zu glücklich ausgefallene Niederlage, und Normannia rutschte wieder tiefer in den Abstiegssumpf. Dann verkündete Patrick Widmann, sein Traineramt beim FCN zum Saisonende an den Nagel zu hängen. Kurze Zeit später präsentierte der Verein mit "Capitano" Beniamino Molinari den Nachfolger, der den Normannen ab der Saison 2014/15 - dann hoffentlich immer noch in der Verbandsliga - seine Trainerpeitsche spüren lassen wird.

Auch beim TV Derendingen, meiner neuen Fernbeziehung, lief nach dem starken 1:0 der Frauen gegen Verfolger SC Freiburg II nicht alles zum besten. Nach einem Punktverlust in der Oberliga rückten die Freiburgerinnen wieder auf die Pelle, und im WFV-Pokalviertelfinale bei der SpVgg Rommelshausen im Remstal gab es eine 3:5-Niederlage. Zu allem Unglück verabschiedeten sich die Männer des TVD auch von den Aufstiegsträumen. Wieder nichts mit der Landesliga...

"Heldenwand"
Allerdings überraschte man mich kurz nach Ostern mit einem Päckchen aus dem fernen Tübingen, das u. a. einen Fanschal des TV Derendingen enthielt. Da ich bei meinem Besuch in der Gartenstadt ein paar TVD-Reservisten nötigte, mit meinem FCN-Schal ein "Sind-wir-nicht-alle-ein-bisschen-Normannia"-Posing Grüße in die Stauferstadt zu schicken, konnte ich mich jetzt endlich auf meine Art bedanken. Mittlerweile organisierte ich auch einen TVD-Wimpel, der jetzt an meiner "Heldenwand" hängt.

Zunächst kam aber erst mal eine fußballfreie Zeit: einem früheren Kollegen und guten Freund versuchte ich, mit meinen zwei linken Händen ein wenig beim Renovierungen Rund ums Haus zu helfen; wir besuchten gemeinsam eine weitere frühere Kollegin, die heute zusammen mit einer Geschäftspartnerin einen netten kleinen Buchladen in Ellwangen leitet (Schaut mal rein, ein Besuch lohnt sich, und außerhalb der Kinderbuchecke eine völlig fußballfreie Zone. Das muß schließlich auch mal sein). An einem Samstag dann - als die TVD-Frauen in Rommelshausen antraten - wanderte ich mit einem anderen sehr guten Freund 50 Kilometer von Bopfingen nach Heubach. Dieser herrlichen Tour auf dem Fuße  folgte eine Mandelentzündung mit Fieber und Schüttelfrost.
Mit Entsetzen sah ich bereits das Spiel gegen den VfL Sindelfingen ohne mich über die Bühne gehen. Eigentlich hätte ich ins Bett gehört. "Aber", wie ich Zuhause sagte, "wer sich krank ins Büro schleppen kann, der darf am Wochenende auch ins Stadion!"

Lautes rufen ins Spielfeld, nein, das wollte ich unbedingt vermeiden. Dafür waren die Halzschmerzen dann doch zu dominant. Nichtsdestotrotz schnappte ich mir die FCN/TVD-Fanschal-Kombination und machte mich sehr motiviert auf den Weg in die Heimstätte der Schwerzer-Elf.

Der VfL Sindelfingen gehörte ab 1960/61 lange Zeit der
1. Amateurliga Württemberg bzw. Nordwürttemberg an, und so ist es kein Wunder, das Normannia schon öfters mit dem VfL die Klingen kreuzte. Auch in der Jugendarbeit gehörte der Verein zur ersten Adresse, und der Frauenfußball ist gar höhere Spähren gewohnt. Faszinierend finde ich das Wappen des VfL. Ursprünglich führten die Sindelfinger nur das kreisrunde Logo mit dem Vereinskürzel. Irgendwann in der jüngeren Vergangenheit wurde es dann wurde es dann "überarbeitet": ein Grafik-Designer fügte einen breiten roten Pinselstrich hinzu. Wer Grafik-Designer kennt, weiß, dass sowas nicht ganz billig sein kann.

Wie es der Zufall so wollte, war ich bei meiner Datensammlung zur Normannia-Geschichte gerade beim Sonntag, den 8. September 1968 angelangt, als am 5. Spieltag der 1. Amateurliga Nordwürttemberg der VfL Sindelfingen im Kellerduell den 1. FC Normannia empfing. Sindelfingen fuhr mit einem 3:2 den ersten Saisonsieg ein, während die Normannia auf dem 17. und letzten Tabellenplatz verharrte, wo sie auch am Saisonende vorzufinden war. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Farbe zeigen!
Der FCN benötigte Unterstützung, wie der Blick auf die Tabelle zeigt, und die Gmünder Fangruppe "der 12. Mann" startete einen Aufruf in der Stauferstadt, denn "Wir glauben an  unsere Jungs und möchten gleichzeitig jeden von euch dazu auffordern, die Mannschaft mit uns auf der Gegengerade oder von seinem angestammten Platz aus, sowohl in optischer wie auch in akustischer Weise zu unterstützen. Daher gilt es, heute Farbe zu zeigen [...] Wenn jeder Normannia-Anhänger mit Schal, Jacke und weiteren FCN-Erkennungszeichen in den Schwerzer kommt, schafft dies gleich eine richtige Heimspiel-Atmosphäre für unser Team!"
Der Aufruf wurde gleich beim Kassenhaus verteilt, und die Fangruppe verteilte kleine rot-weiße Papierfähnchen an die Zuschauer, damit es heute wenigstens mal etwas bunter im Schwerzer zuging.
Auch unterhalb der Anzeigetafel zeigte sich der Fanclub kämpferisch und forderte mittels Transparent zur Unterstützung des Teams auf.

"Mir standet doch schoa!"

Gut gelaunt, Teil 1.
Bredi und Jimmy.


Ich mache derweil meine Stadionrunde und scheuche illustre Gäste auf. Zunächst natürlich wieder Bredi, der sich heute einen Kiebitz namens Jimmy aus Rechberg unter den Nagel gerissen hat, oder wie es in einem sozialen Medium hieß, "der Spielerscout vom TSGV Rechberg". Dann hoffe ich mal, dass der Rechberger nicht zum Großeinkauf in den Schwerzer kam.



Gut gelaunt, Teil 2.
Norbert Barthle MdB und Heinz Eyrainer.
Außerhalb des Vereinsheims begrüßt Fußballbereichsleiter Heinz Eyrainer gerade Norbert Barthle, seines Zeichen seit 1998 Mitglied des Bundestags und seit 2009 der haushaltspolitsche Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Ich nutze natürlich die Gelegenheit gleich aus, um den prominenten Besucher abzulichten, und Heinz Eyrainer nutzt im Gegenzug diese zufällige Fügung, um seinen Gast einen Normannia-Schal umzuhängen. Ich sage ja immer: "Sind wir nicht alle ein bisschen Normannia?"
Über Heinz Eyrainer könnte man selber ein Buch schreiben - sofern man sich für den Fußball der alten Amateurliga interessiert - zumindest könnte er viel erzählen. Denn das heutige Normannia-Vorstandsmitglied hat die ganzen aufs und abs am eigenen Leib miterlebt, als er, als junges Talent vom FV Biberach kommend, zu Beginn der 70er Jahre in den rauen Alltag der 1. Amateurliga Nordwürttemberg geworfen wurde. Er sah sie noch mit eigenen Augen, die vierstelligen Zuschauerzahlen in den Amateurligen, so wie am 2. Juli 1972 im Bornheimer Hang, als die FSV Frankfurt gegen Normannia mit 3:0 gewann. Eyrainer war mehrmals Auswahlspieler für Württemberg, spielte mit Normannia gar einmal gegen die von Bert Trautmann trainierte Nationalmannschaft Burmas. Später wechselte er zum Lokalrivalen Göppinger SV und gehörte 1978 mit dem Heidenheimer SB zu den Gründungsmitgliedern der Amateuroberliga Baden-Württemberg - zunächst als Spieler, und ab Januar 1979 als Trainer. Aber genug von der Vergangenheit, das muß mal an anderer Stelle ausgiebig erzählt werden.

Das Stadion füllt sich, und einige
Zuschauer zeigen Fähnchen.
Nach meinem obligatorischem Stadionrundgang finde ich mich kurz vor Anpfiff an meinem angestammten Stehplatz ein. Noch sieht das Normannia-Stadion nicht voll aus, aber es kommen unentwegt weitere Zuschauer nach. Das schöne Kaffeehaus-Wetter und die kleine Niederlagenserie des FCN scheinen dem Zuschauerzuspruch keinem Abbruch getan zu haben. Am Ende des Spiels werden 412 zahlende Zuschauer gezählt, was man durchaus als Zufriedenstellend bezeichnen kann. Aus Sindelfingen war jedoch kein spürbarer Anhang erkennbar. Mario hingegen würde heute erst zur 2. Halbzeit eintreffen können, da er anderen Verpflichtungen nachgehen mußte.

So stand ich also ziemlich verloren hinterm Tor, stimmlich angeschlagen mit geschwollenen Mandeln und leichtem Fieber. Derweil irritiert mich ein Dauerbrenner im Stadion: der furchtbare Zustand des Rasens ist auch schon ein Klassiker, schon in alten Artikeln aus den 60er Jahren wird die Rasenqualität heftig kritisiert. Heute fällt mir so richtig auf, würde Torwart Magnus Burkhardt, der ja nun wirklich kein Zwerg ist, auf dem Elfmeterpunkt stehen, so würde er wohl gefühlt bis zur Brust im Rasen versinken. "In a hole in the Normannia ground, there lived a Hobbit" kommt mir da in den Sinn. Man muß sich den Meteoritenkrater am linken Bildschirmrand mal ansehen. Oder hat da jemand nach einem Schatz gegraben?


Wie auch immer, das Spiel beginnt, und die Fangruppe "12. Mann" schmettert auffordernd ihr "EFFF-CEEE-EENNN" in meine Richtung - jedoch das Echo bleibt aus. Mei, ist mir das unangenehm. Da wirft man immer anderen Zuschauern vor, sein Team nicht lauthals zu unterstützen, und bekommt heute selber den Mund nicht auf. So sehr ich es auch versuche, mehr als ein schmerzhaftes Gekrächze kommt nicht aus meinem Kehlenbereich heraus.

Sindelfingen beginnt recht forsch, und hat auch sehr bald eine dicke Chance, doch der gefährliche Schuß wird von Keeper Magnus Burkhardt über die Latte gelenkt. Die Normannia braucht nicht lange, um ins Spiel zu finden, und was man sieht, ist sehr ansprechend. Früh werden die Gäste unter Druck gesetzt, die Normannen kämpfen um jeden Ball. Nach dem verlorenen Nagold-Spiel wurde von Spielerseite versprochen, man würde gegen Sindelfingen eine andere Normannia sehen. Man hat hat nicht gelogen.

Bereits in der 10. Minute startet die heute in Weiß spielende Heimelf einen Konter, und "Capitano" Beniamino Molinario erzielt ein wunderschönes 1:0. Jubel braust auf, und ich würde am liebsten wieder "Hymns and Arias" anstimmen - jedoch ich kann nicht. Ein Zuschauer mit einem Kaffeebecher in der Hand kommt gerade vom Kiosk zurück. "Ach, verflucht, jetzt han i des Tor ned gsehna, weil i 'n Kaffee gholt hab!" meint er sich selbst anklagend. "Dann ganget sie des ganze Spiel über 'n Kaffee hola, damit mir mehr Tore schießat" erwidere ich ihm. "Ha, des dürft koi Problem sei", meint der Gmünder.

1:0 nach 10 Minuten durch Beniamino Molinari.
Torwächter auf
Abwegen.
Dennoch ist mein Fußballherz über die verdiente Führung meines Leib- und Magenvereins angetan, und von mir aus dürfen die Jungs gerade so weitermachen. Tun sie auch. Daher mag es dem Außenstehenden unverständlich erscheinen, warum Torhüter Burkhardt "die Flucht ergreift". Das liegt jedoch nicht an der Spielleistung seiner Teamkameraden, sondern schlicht und ergreifend daran, dass er den Ball holen will. Da gehört auch mal längst nachgebessert.

Den Ball zu holen lohnt sich aber, denn in der 28. Minute ist es - man mag es nicht glauben - Abwehrrecke Musa Ayaz, der mit seinem ersten Saisontor die Führung auf 2:0 ausbaut. Man sieht, er hat nicht nur die Abwehr im Griff. Auch im Sturm kann Musa "der Tiger" beißen.


Ja, wo laufen sie denn? Musa Ayaz hat soeben das 2:0 erzielt!
Das Spiel gefällt mir zunehmend besser, und ich verfluche meinen siechen Körper. Eigentlich sollte ich mich zur Strafe für meine Stimmlosigkeit gleich ins ehemalige Siechenhospital St. Katharina begeben, deren Kapelle bei der Anzeigetafel ins Spielfeld blickt.

Während Musa auf der Gegenseite gerade ein Tor erzielte, kehrt schon wieder sein Abwehralltag zruück, und mit seiner Kopfballstärke hält er seine Seite hinten sauber. In gewisser Weise ist er halt doch ein schwäbischer Putzteufel, der am Samstag seine Kehrwoche hält. Mittlerweile treffen zur Unterstützung auch zahlreiche Handballer des TSB Gmünd ein. Die Normannia-Spieler werden diesen Support mit einem Besuch des TSB-Spiels honorieren.

TSB-Handballer pro Normannia.
Musa Ayaz klärt die Situation.










Zur Halbzeit hätte es locker und verdient 4:1 oder 4:2 stehen können. Die Leistung der Mannschaft macht Mut. Mario trifft in der Halbzeitpause ein, so dass es hinter dem Tor endlich einmal stimmgewaltiger klingen kann, wenn sein mächtiges Baß über das Spielfeld klingt. Ich genieße mittlerweile die Impressionen des Normannia-Stadions.
Idylle am Spielfeldrand.

Das Böse hatte keine Zeit, selber zu
kommen, aber sein Sohn vertrat es.












In der Halbzeitpause scheinen die Sindelfinger von ihrem Trainer ordentlich die Ohren gewaschen bekommen zu haben, denn sie drängen doch verstärkter aufs Normannia-Tor. In der 52. Minute passiert es dann auch, das Dominik Pretz seinen VfL mit dem Anschlußtreffer wieder ins Rennen bringt. Ein ärgerliches Tor, und ich hoffe, dass das Spiel keine Wendung zu unseren Ungunsten nimmt.

Aber bereits 7 Minuten später beweist Felix Bauer, dass der Frosch Haare hat. Mit einem sehr kuriosen Treffer - Felix lag auf dem Boden und stocherte halt mal nach dem Ball, der dann über die Torlinie rollte. Hinzufügen muß man, dass die Sindelfinger Spieler auf einen Pfiff des Waiblinger Schiedsrichters warteten, der jedoch nicht erfolgte. Beziehungsweise erst erfolgte, als der Mann in Gelb auf Tor entschied. Mir soll das wurscht sein, ich jubele - bzw. krächze - trotz Halsweh meine Freude ins Rund.

Nach dem 3:1 durch Felix Bauer.



Lässig: Gaetano.
Das Spiel aus Sicht des "12. Mann".
Auch Edelfan Gaetano Molinari, Gründungsmitglied des "12. Mannes", strahlt wie ein Honigkuchenpferd. Darüber hinaus auch vollkommen zu Recht. Die bisherige Spielleistung macht Mut für den nervenaufreibenden Rest der Saison, wo es "alles oder nichts" für die Schwerzer-Jungs heißt.


Aber zunächst heißt es noch, sich auf das jetzige Spiel zu konzentrieren, und kurz vor Schluß kommt noch einmal unnötige Spannung auf, als wieder Dominik Pretz ein Tor für Sindelfingen erzielt.
















Es heißt Nerven behalten, sowohl als Spieler als auch als Fan, aber dann endlich erlöst der Schlußpfiff, der schon lange nicht mehr so schön klang, die Normannia!

Die Mannschaft und die Fans haben allen Grund zum jubeln, denn die Konkurrenz im Abstiegskampf hat ebenfalls nicht versäumt, ihre nötigen Punkte zu erkämpfen. Trotzdem darf man sich erlauben, mit Zuversicht auf das schwere Auswärtsspiel beim Tabellenzweiten FSV Bissingen zu blicken.

Es wird noch ein unerträglich heißer Tanz im Fußball-Mai, gerade deshalb ist ein wenig Feierstimmung der Spieler mit den Fans angebracht.




Die Spieler haben sich heute gegen Sindelfingen die Lorbeeren zurückerobert, die sie sich zuletzt haben widerstandslos klauen lassen. Zeit, um sich darauf ihren Hintern platt zu sitzen, haben sie allerdings nicht. Ein gutes Vorzeichen könnte jedoch sein, dass man im Bezug zu 1968 die Ausgangslage gedreht hat. Blieb im damaligen Kellerduell der VfL Zuhause mit 3:2 Sieger und blieb der höchsten württembergischen Liga erhalten, so hat heute der FCN nach Jahren das Ergebnis egalisiert. Hoffen wir, das er auch diesmal die Abstiegsfrage anders endet.

Weiters war das Wochenende auch in anderer Hinsicht erfolgreich. So ist die Kunde von der kämpfenden Normannia bis zum fernen FC St. Pauli gedrungen, von wo am 24. Mai im Heimspiel gegen den SV Bonlanden eigens für einen 24-Stunden-Bahnfahrt-Horrortrip eine lautstarke Verstärkung für den FCN anreisen wird.

Auch der TV Derendingen ist zu alten Stärken zurückkegekehrt. Die Männer besiegten Bad Urach mit 3:1, und die Oberliga-Frauen fegten den TSV Neckarau mit 7:1 aus dem Stadion an der Steinlach. Da Freiburg II nur Unentschieden spielte, befinden sich die Derendingerinnen in akuter Aufstiegsgefahr. Vielleicht hat es ja was gebracht, das ich mit meinen neuen TVD-Schal in den Schwerzer ging?



Spielberichte:




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen